VwGH 84/13/0214

VwGH84/13/021424.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Papierer, über die Beschwerde der Verlassenschaft nach Alfred L., vertreten durch die erbserklärte Alleinerbin Christiane N in W, diese vertreten durch Dr. Victor Sprosec, Rechtsanwalt in Wien I, Graben 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. Juni 1984, Zl. 6/3-3164,84, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1982, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §19 Abs1;
EStG 1972 §19 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Nähe von S 9.930,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 4. Dezember 1979 übernahm Alfred L. gegenüber einem Rechtsanwalt die "Bürgschaft für Vertretungskosten in der Höhe von S 2,000.000,-- in Form einer Barkaution". Der Rechtsanwalt war damit betraut, den Konkurs einer Baugesellschaft, an der der Schwiegersohn des Alfred L. als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt war, durch entsprechende Vereinbarungen mit den Gläubigern zu vermeiden.

Der Rechtsanwalt verrechnete die Kaution in der Folge mit seinen bis 31. Dezember 1982 angefallenen Vertretungskosten in Höhe von insgesamt S 2,008.694,--, sodaß noch ein offener Saldo von S 8.694,-- verblieb, der in der Folge ebenfalls bezahlt wurde.

Am 13. Februar 1983 verstarb Alfred L. In der Steuererklärung für das Jahr 1982 beantragte der bisherige steuerliche Vertreter des Verstorbenen im Namen der Verlassenschaft die Berücksichtigung des Betrages von S 2,000.000,-- als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG. Alfred L. sei sittlich verpflichtet gewesen, die wirtschaftliche Existenz seines einkommens- und vermögenslosen Schwiegersohnes durch Übernahme der Vertretungskosten des mit der Vermeidung des Konkurses der Baugesellschaft beauftragten Rechtsanwaltes zu retten.

Das Finanzamt wies den Antrag ab und begründete dies damit, daß für Alfred L. keine sittliche Verpflichtung bestanden habe, die Vertretungskosten für seinen Schwiegersohn zu übernehmen.

Die Verlassenschaft nach Alfred L. erhob Berufung, in der im wesentlichen die Gründe für die sittliche Verpflichtung des Alfred L. zur Leistung des Betrages von S 2,000.000,-- dargelegt wurden.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit der Begründung ab, daß die Zahlung der Vertretungskosten bereits im Jahr 1979 erfolgt sei und schon aus diesem Grund im Jahr 1982 nicht als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden könne.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat der von der beschwerdeführenden Verlassenschaft nach Alfred L. beantragten außergewöhnlichen Belastung nur mit der Begründung die Anerkennung versagt, daß die Zahlung des Betrages von S 2,000.000,-- bereits im Jahr 1979 erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin hält diese Rechtsansicht deswegen für rechtswidrig, weil der genannte Betrag erst in dem Zeitpunkt als verausgabt angesehen werden könne, in dem er vom beauftragten Rechtsanwalt gegen die aufgelaufenen Vertretungskosten verrechnet worden sei; dies sei am 31. Dezember 1982 der Fall gewesen. Bis dahin habe die Beschwerdeführerin bzw. der Erblasser Alfred L. eine Forderung gegenüber dem Rechtsanwalt in Höhe des als Kaution erlegten Betrages gehabt. Auch der Rechtsanwalt habe diesen Betrag erst in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1982 als vereinnahmt erklärt.

Welcher Periode eine Ausgabe steuerlich zuzurechnen ist, bestimmt sich nach der Vorschrift des § 19 Abs. 2 EStG, die vorbehaltlich der Bestimmungen über die Gewinnermittlung für alle steuerlich relevanten Ausgaben, sohin auch für außergewöhnliche Belastungen, gilt. Darnach sind Ausgaben grundsätzlich für das Kalenderjahr anzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Unter "leisten" ist nach Lehre und Rechtsprechung das Übertragen der tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsmacht über Geld oder Geldeswert zu verstehen (vgl. Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Tz 3 zu § 19 und Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, Tz 5 zu § 19 sowie die dort zitierte hg. Rechtsprechung).

Der belangten Behörde wäre zuzustimmen, daß die Verausgabung des Betrages von S 2,000.000,-- bereits im Jahr 1979 erfolgte, wenn ihre diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen den Schluß zuließen, daß bereits damals die rechtliche und tatsächliche Verfügungsmacht über den genannten Betrag auf den Rechtsanwalt übergegangen ist. Solche Feststellungen wurden jedoch nicht im ausreichenden Maß getroffen. Insbesondere scheint noch klärungsbedürftig, ob der Rechtsanwalt bereits vor Abrechnung seiner Honoraransprüche über die "Barkaution" nach Art einer Akontozahlung verfügen konnte und wer tatsächlich in den Genuß der Zinsen dieses Betrages gelangte bzw. wem die erzielbaren Zinsen zugestanden wären.

Hätten derartige Feststellungen ergeben, daß der als "Barkaution" bezeichnete Betrag in seinem wirtschaftlichen Gehalt den Charakter einer Akontozahlung hatte, dann wäre die Verausgabung im Jahr 1979 ohne Rücksicht darauf zu bejahen gewesen, daß Alfred L. eine Forderung in Höhe des geleisteten Betrages dem Rechtsanwalt gegenüber hatte. Dies trifft bei jeder Akontozahlung, die für eine bestimmte vereinbarte Leistung erbracht wird, zu. Die Forderung ist auf Erfüllung der vereinbarten Leistung und nur im Falle, daß diese Leistung nicht oder gegen ein geringeres Entgelt gebracht wird, auf (teilweise) Rückerstattung des hingegebenen Betrages gerichtet. Weder die Forderung auf Leistungserfüllung noch die auf allfällige Rückerstattung der Akontozahlung ist mit dem als Akonto hingegebenen Geldbetrag gleichartig. Würde die Akontozahlung in der rechtlichen und tatsächlichen Verfügungsmacht des Zahlenden verbleiben, so würde sie ihren wirtschaftlichen Zweck weitgehend verfehlen, weil der Empfänger keine Möglichkeit hätte, auf sie zu greifen und so seine (späterhin erbrachte) Leistung vergütet zu bekommen. Es liegt im Wesen einer Akontozahlung, daß der Empfänger die Verfügungsmacht über sie erhält. Gleichzeitig verliert der Zahlende seine bisherige Verfügungsmacht über den hingegebenen Geldbetrag und erhält dafür eine vermögenswerte Forderung auf Leistungserfüllung bzw. (teilweise) Rückerstattung der Akontozahlung.

Ebenso ist für den Beschwerdefall nicht maßgebend, für welches Jahr der Rechtsanwalt seine diesbezüglichen Einnahmen erklärte. Es sei aber auf das hg. Erkenntnis vom 2. Februar 1951, Zl. 345/48, Slg. Nr. 329/F, verwiesen, wonach verrechnungspflichtige Expensenvorschüsse, die ein Rechtsanwalt erhält, diesem nicht erst mit ihrer tatsächlichen Verrechnung durch den Empfänger, sondern bereits mit ihrer Bezahlung zufließen.

Sollte die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren zu dem Ergebnis kommen, der Betrag von S 2,000.000,-- sei von Alfred L. erst im Jahr 1982 verausgabt worden, so wäre noch die Frage der Zwangsläufigkeit der Zahlung zu prüfen, da bisher davon ausgegangen wurde, der Betrag sei bereits 1979 abgeflossen, sodaß sich ein Eingehen auf diese Frage erübrigte.

Da der Sachverhalt in der oben aufgezeigten Richtung noch ergänzungsbedürftig ist, erweist sich der angefochtene Bescheid mit Verfahrensmängeln belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 24. September 1986

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