VwGH 92/14/0011

VwGH92/14/001119.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des L in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 29. November 1991, Zl. 5/19/1-BK/R-1990, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer für 1986 und 1987, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §19 Abs1;
EStG 1972 §19 Abs2;
EStG 1972 §19 Abs1;
EStG 1972 §19 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer handelt mit Uhren und Schmuck und ermittelt den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972. In den Beilagen zu den Abgabenerklärungen für 1986 und 1987 machte er in den Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen Vertriebsaufwendungen unter dem Titel "Werbung X" in Höhe von S 170.000,-- (1986) bzw. S 255.235,-- (1987) als Betriebsausgaben geltend.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung u.a. über die Jahre 1986 und 1987 stellte der Prüfer fest, die Firma S habe dem Beschwerdeführer in den Streitjahren Präsentationsartikel, Werbematerial und Inserate geliefert. Zu den Rechnungen vom 30. Dezember 1986 und 31. März 1987 habe der Beschwerdeführer an den Lieferanten Gutschriften in der Höhe von S 170.000,-- bzw. S 255.235,-- mit dem Vermerk ausgestellt, daß die Firma S berechtigt sei, diese Beträge vom Bankkonto des Beschwerdeführers abzubuchen. Nach Ansicht des Prüfers stellten die Gutschriften keine Betriebsausgaben dar, weil sie als eine Art Sicherstellung ausgestellt worden seien, falls dem Beschwerdeführer etwas "passieren" sollte; weil bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG nur tatsächliche Geldabflüsse Betriebsausgaben darstellten und bis dato von der Firma S keine Abbuchung erfolgt sei; weil der Kreditrahmen bei der Bank ausgeschöpft gewesen sei und der Betrag von ca. S 400.000,-- keinen Platz gefunden hätte; weil im übrigen das Bankkonto bereits aufgelöst worden sei. Die geschuldeten Beträge seien im Herbst 1988 mit der Firma S gegenverrechnet worden, sodaß die Werbeaufwendungen bis zu diesem Zeitpunkt weder kassa- noch bankmäßig effektiv bezahlt worden seien.

Gegen die den Prüfungsfeststellungen folgenden, im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide 1986 und 1987 erhob der Beschwerdeführer jeweils Berufung und legte ein Schreiben der Firma S vom 20. Dezember 1989 (samt beglaubigter Übersetzung) vor, in dem es heißt:

"Um Ihnen unseren guten Willen zu beweisen und die Einführung unserer Produkte auf dem österreichischen Markt zu erleichtern, haben wir Ihnen ein Zollfreilager zur Verfügung gestellt (das Ihnen die Entnahme von Waren ermöglichen sollte), während wir andererseits mündlich vereinbart hatten, Ihnen die Werbekosten für 1986 und 1987 vorzustrecken, sodaß Ihnen das Guthaben nicht vor 1988 angelastet werden sollte respektive die Gutschriften vor diesem Datum nicht angenommen werden würden. Mit dieser Vorgangsweise ist beabsichtigt, Ihre Liquidität zu verbessern und Ihnen den Zutritt zum österreichischen Markt zu erleichtern."

Ein weiteres (ebenfalls beglaubigt übersetztes) Schreiben der Firma S vom 6. Juni 1991 hat folgenden Inhalt:

"Wir bestätigen Ihnen, daß wir mit Ihnen die folgende mündliche Vereinbarung getroffen haben: Wir haben Ihnen mit 12. Dezember 1986 und 31. März 1987 datierte Rechnungen vorgelegt, die sich auf von uns in den Jahren 1986 und 1987 zur Werbung in österreichischen Zeitschriften zur Verfügung gestelltes Werbematerial beziehen. In mehreren Gesprächen zwischen Ihnen und unserem Herrn B in K und abschließend in Salzburg haben wird jedoch vereinbart, daß Sie nicht verpflichtet sind, diese Rechnungen vor 1988 zu bezahlen, wobei, wie bereits in unserem Schreiben vom 20. Dezember 1989 festgestellt, der Grund dafür ist, daß wir Ihnen, basierend auf einem günstigen Einführungspreis, Gelegenheit zur Einführung unserer Produkte auch auf dem österreichischen Markt bieten wollten. Im Hinblick auf die langen Zahlungsfristen beider Rechnungen sind wir der Meinung, Ihnen dadurch eine günstige Entwicklung Ihrer Kostenstruktur ermöglicht zu haben. Wir betonen jedoch, daß diese Fristen ausschließlich unsere Option waren und wir berechtigt gewesen wären, die ausgestellten Gutschriften jederzeit zu nutzen."

Schließlich legte der Beschwerdeführer eine Bankbestätigung vor, wonach eine kurzfristige Überziehung bzw. eine Krediterhöhung in einem Ausmaß von S 500.000,-- jederzeit möglich gewesen wäre und mündlich zugesagt war.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Sie führte im wesentlichen aus, die in Rede stehenden Gutschriften seien nicht in den Streitjahren mit ihrer Ausstellung fällig gestellt worden, vielmehr sei die Fälligstellung zumindest bis zum Jahr 1988 hinausgeschoben worden. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der beiden vorgelegten Schreiben der Firma S, aus dem im Wirtschaftsleben ungewöhnlichen Umstand, daß die streitgegenständlichen Lieferungen bis zum Herbst 1988 weder kassa- noch bankmäßig tatsächlich bezahlt worden seien, und aus der schließlichen Gegenverrechnung (und nicht Einlösung) der Gutschriften mit Provisionsansprüchen im Jahr 1988. Ein Betrag sei zwar auch dann abgeflossen, wenn er einvernehmlich "stehen gelassen" wurde, Voraussetzung sei jedoch auch hier, daß der Gutschriftsberechtigte über den Betrag rechtlich und wirtschaftlich verfügen habe dürfen, d.h. daß ihm bereits die Verfügungsmacht eingeräumt worden sei. Werde jedoch auf Grund einer konkreten Vereinbarung die Auszahlung des Betrages auf einen bestimmten Zeitpunkt hinausgeschoben, so liege keine "vorläufige Zurückbehaltung im Einverständnis mit dem Verfügungsberechtigten" vor. Der Zeitpunkt des Eintrittes der Fälligkeit stelle vielmehr eine aufschiebende Befristung des Abflusses dar. Der letzte Satz des Schreibens der Firma S vom 6. Juni 1991 stehe mit dessen sonstigem Inhalt in Widerspruch und erweise sich als Gefälligkeitsbestätigung. Die Auffassung, dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Gutschriften komme keine rechtserhebliche Bedeutung zu, werde nicht geteilt.

Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer "in seinem im § 19 Abs. 2 EStG 1972 normierten Recht" verletzt. Er beantragt, die angefochtene Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 19 Abs. 2 EStG 1972 sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Für den Zeitpunkt des Abfließens ist maßgeblich, wann der geleistete Betrag aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen ausgeschieden ist und er die wirtschaftliche Verfügungsmacht darüber verloren hat (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 19 EStG 1972 Tz 5;

Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch,

2. Auflage, § 19 Tz 17; Taucher, Das Zufluß-Abfluß-Prinzip im Einkommensteuerrecht, Seite 43).

Der belangten Behörde ist beizupflichten, daß eine Gutschrift in den Büchern des Schuldners bei diesem immer dann ein Abfließen bedeutet, wenn die Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung darstellt - gewissermaßen als Anerkennung einer Zahlungsverpflichtung zu werten ist -, sondern darüber hinaus zum Ausdruck kommt, daß ein Betrag von nun an dem Berechtigten (und nicht mehr dem Verpflichteten) zur tatsächlichen Verwendung zur Verfügung steht (vgl. zum Zufließen beim Gläubiger das hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, Zl. 88/14/0114; Taucher, a.a.O., S 26).

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist hiebei nicht die Fälligkeit ausschlaggebend; Geld oder Geldwerte können sowohl vor als auch nach Fälligkeit einer zivilrechtlichen Verbindlichkeit abfließen. Entscheidend ist der tatsächliche Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht (vgl. Taucher, a. a.O., S 44 f).

Damit ist für den Beschwerdeführer aber noch nichts gewonnen. Es war nämlich nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde auf Grund der ihr vorgelegten Schreiben der Firma S angenommen hat, daß diese vor 1988 über die gutgeschriebenen Beträge nicht nur nicht disponiert hat, sondern auch gar nicht zu disponieren berechtigt war. Vielmehr ergibt sich aus den beiden Schreiben, daß dem eine zwischen den Vertragsparteien getroffene Kreditierungsvereinbarung entgegenstand. So ist im Schreiben vom 20. Dezember 1989 davon die Rede, daß mündlich vereinbart worden sei, die Werbekosten für 1986 und 1987 vorzustrecken, sodaß dem Beschwerdeführer das Guthaben nicht vor 1988 angelastet werden solle bzw. die Gutschriften vor diesem Datum nicht angenommen werden würden. Auch im Schreiben vom 6. Juni 1991 heißt es, daß der Beschwerdeführer vereinbarungsgemäß nicht verpflichtet gewesen sei, die Rechnungen vor 1988 zu bezahlen. Wenn die belangte Behörde den dazu im Gegensatz stehenden letzten Satz dieses Schreibens, demzufolge die Zahlungsfristen ausschließlich "Option" der Firma S gewesen seien und sie berechtigt gewesen wäre, die ausgestellten Gutschriften jederzeit zu nutzen, als bloße Gefälligkeitsbestätigung im Hinblick auf das anhängige Berufungsverfahren angesehen hat, so kann der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zustehenden Kontrollbefugnis (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 548 f) hierin eine rechtswidrige Beweiswürdigung nicht erblicken.

Die der Firma S vom Beschwerdeführer erteilten Gutschriften tragen zwar den Vermerk, daß die Gläubigerin hiedurch berechtigt werde, den gutgeschriebenen Betrag jederzeit vom Bankkonto des Beschwerdeführers abzubuchen. Es fehlt aber eine entsprechende Anweisung an die Bank des Beschwerdeführers, den vom Ermächtigten veranlaßten Einzug durchzuführen. Im übrigen tritt der Abfluß eines zur Einziehung in Auftrag gegebenen Betrages im Hinblick auf die Verfügungsmacht des Auftraggebers über das Bezugskonto erst im Zeitpunkt der Durchführung der Abbuchung ein (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a. a.O., § 19 Tz 20; Taucher, a.a.O., Seite 49).

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Firma S habe über die Gutschriften bereits dadurch verfügt, daß sie deren Fälligkeit kraft eigener Disposition hinausgeschoben habe. Der Akteninhalt bietet aber keine Anhaltspunkte dafür, daß die Firma S eine solche Disposition NACH Erreichung der Verfügungsmacht über die gutgeschriebenen Beträge getroffen hätte. Vielmehr ergibt sich aus den vorgelegten Schreiben der Firma S hinreichend deutlich, daß eine "Annahme" der Gutschriften vor 1988 im Interesse der Liquiditätslage des Beschwerdeführers von vornherein nicht beabsichtigt war. Von einem "Stehenlassen" der Beträge - etwa zum Zwecke der Kapitalanlage durch die Firma S - kann keine Rede sein (vgl. das von beiden Teilen zitierte hg. Erkenntnis vom 5. März 1986, Zl. 85/13/0085; Taucher, a.a.O.,

Seiten 26 f); im Vordergrund stand hinsichtlich der gegenständlichen Werbekosten von Anfang an die vereinbarte Kreditierung zu Gunsten des Beschwerdeführers.

Ob die Gegenverrechnung der Gutschriften im Jahr 1988 gegen Provisionsansprüche des Beschwerdeführers erfolgte oder ob es sich um Ansprüche des Beschwerdeführers auf Ersatz von für die Firma S getätigten Werbeaufwendungen handelte, ist für die Frage des Abflusses in den Streitjahren ohne Bedeutung.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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