Zusatzinformationen | |
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Materie: | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 48a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Amtshilfe, Steuergeheimnis, Vollmacht, Telefax, Verjährung, Mängelbehebung, Wiederaufnahme, Lohnzettel, Ermessen, Umsatzsteuervorauszahlungen, Bilanzbuchhalter, Feststellungsverfahren, Vertreterhaftung |
Verweise: | Art. 18 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 |
9. Vertretungsberechtigung von Bilanzbuchhaltern und Vorgangsweise bei Überschreiten der Befugnisse (§§ 1, 2 BibuG, § 84 BAO)
9.1. Fragestellung
Seit 1. Jänner 2007 ist das Bilanzbuchhaltungsgesetz (BibuG), BGBl. I Nr. 161/2006, in Kraft.
Ist es zutreffend, dass Bilanzbuchhalter im Sinn des § 1 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 BibuG folgende Tätigkeiten für ihre Klienten nicht erbringen dürfen:
- Erstellung jeglicher Jahresabgabenerklärungen (zB § 42 EStG 1988) und Feststellungserklärungen (§ 43 EStG 1988).
- Erstellung von Beilagen zur Einkommen-/Körperschaft/Feststellungserklärung zwecks Geltendmachung einer Investitionszuwachsprämie, Bildungsprämie, Forschungsprämie, Lehrlingsausbildungsprämie.
- Einreichung beim Finanzamt jeglicher Jahressteuererklärungen laut Vorpunkt 1 und Beilagen laut Vorpunkt 2.
- Erstellung und Einreichung von Abgabenerklärungen gemäß § 11 Abs. 1 NoVAG, § 6 Abs. 4 KfzStG, §§ 22 f ErbStG, § 10 GrEStG 1987 sowie Eingaben im Zusammenhang mit FLAG.
- Erstellung und Einreichung von Anträgen gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988.
- Bilanzerstellung, sobald der Jahresumsatz des Klienten 363.364 Euro (= vormals 5 Mio. ATS) bzw. bei Lebensmittelbranche 581.382 Euro (= vormals 8 Mio. ATS) übersteigt.
- Erstellung und Einreichung sämtliche auf Jahresabgaben bezogenen Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelfe (zB Berufung gegen Umsatzsteuer-Jahresbescheid, Wiederaufnahmsantrag für Einkommensteuer-Jahresbescheid, Rechtsmittelfristverlängerungsansuchen für Körperschaftsteuer-Jahresbescheid, Ratenzahlungsansuchen für Umsatzsteuer-Jahresrestschuld, Vorhaltsbeantwortung betreffend Umsatzsteuer-Jahreserklärung).
- Erstellung und Einreichung von Ansuchen um Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen gemäß § 45 Abs. 4 und 5 EStG 1988.
- Vertretung im Rahmen einer Außenprüfung.
- Vertretung im Rahmen einer "USO" (Umsatzsteuer-Sonderprüfung) wie zB Entgegennahme des Prüfungsauftrages, Teilnahme an Schlussbesprechung (siehe unterschiedlich weit reichender Wortlaut bei "USO" und "GPLA" in § 2 Abs. 1 Z 5 und Z 6 BibuG).
Wie soll das Finanzamt vorgehen, wenn es feststellt, dass ein Bilanzbuchhalter teilweise seine Befugnis überschritten hat? Soll das Finanzamt sodann gemäß § 84 BAO einen Ablehnungsbescheid erlassen, insoweit er Befugnis überschreitend agiert hat ("partieller Ablehnungsbescheid")?
9.2. Lösung
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 BibuG sind Bilanzbuchhalter zur Vertretung in Abgaben- und Abgabenstrafverfahren ua. vor den Abgabenbehörden des Bundes nicht berechtigt. Eine eingeschränkte Vertretungsbefugnis besteht nur für die in § 2 Abs. 1 Z 4, 5 und 6 BibuG erschöpfend aufgezählten Tätigkeiten; das sind
- (Z 4) die elektronische Akteneinsicht (über FinanzOnline) und die Einbringung von Rückzahlungsanträgen;
- (Z 5) die Vertretung einschließlich der Abgabe von Erklärungen in Angelegenheiten der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Zusammenfassenden Meldungen sowie Abgabe von Gutschriftsverrechnungsweisungen im Sinn des § 214 BAO;
- (Z 6) die Vertretung und Abgabe von Erklärungen in Angelegenheiten der Lohnverrechnung und lohnabhängigen Abgaben sowie im Rahmen der GPLA, ausgenommen Rechtsmittelverfahren.
Soweit in den aufgezählten Materien nichts anderes bestimmt ist (vgl. Ausschluss der Vertretung in Rechtsmittelverfahren gemäß Z 6), ist die Vertretungsberechtigung einschließlich Erklärungseinreichung nicht auf einzelne Handlungen eingeschränkt, weshalb die Vertretung durch eine(n) Bilanzbuchhalter(in) auch im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung zulässig ist.
Gemäß § 84 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde solche Personen als Bevollmächtigte abzulehnen, die die Vertretung anderer geschäftsmäßig betreiben, ohne hiezu (berufsrechtlich) befugt zu sein. "Geschäftsmäßig" kann auch bereits eine erstmalige Vertretung wahrgenommen werden, wenn die Umstände dafür sprechen. Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit unter Vorlage oder Berufung (vgl. § 73 Abs. 5 BibuG) auf eine allgemeine, nicht auf einzelne Vertretungshandlungen eingeschränkte Vollmacht und/oder in einem Umfang, der die gesetzlichen Befugnisse jedenfalls überschreitet (beispielsweise Einreichung einer Jahresabgabenerklärung), kann zweifellos als unzulässige "geschäftsmäßige" Vertretung im Sinn des § 84 Abs. 1 BAO angesehen werden.
Verletzt bzw. überschreitet der Bilanzbuchhalter seine Berufsberechtigungen und nimmt im Auftreten gegenüber dem Finanzamt Tätigkeiten in Anspruch, die ihm nicht zustehen, so ist eine an den Bilanzbuchhalter zu adressierende bescheidmäßige Ablehnung insoweit auszusprechen, als er die von ihm geschäftsmäßig wahrgenommene Vertretung in einem nach einschlägigen berufsrechtlichen Befugnissen gemäß § 2 Abs. 1 Z 4, 5 und 6 BibuG hinausgehenden Umfang ausübt.
Gemäß § 84 Abs. 1 zweiter Satz BAO ist gleichzeitig der Vollmachtgeber (Abgabepflichtige) von der Ablehnung in Kenntnis zu setzen. In den Ablehnungsbescheid (sowie die unter Anfügung einer Bescheidablichtung vorzunehmende Verständigung des Vollmachtgebers) sollte auch ein Hinweis auf die Rechtsfolge gemäß § 84 Abs. 2 BAO aufgenommen werden. Das von einer abgelehnten Person nach der Ablehnung schriftlich oder mündlich Vorgebrachte ist nach § 84 Abs. 2 BAO ohne abgabenrechtliche Wirkung.
Vor Zustellung des Ablehnungsbescheides vom Vertreter vorgenommene Prozesshandlungen sind gültig und rechtswirksam (vgl. Ritz, BAO³, § 84 Tz 11).
Bilanzbuchhalter, die ordentliche Mitglieder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder sind, unterliegen gemäß § 90 Abs. 1 BibuG den disziplinarrechtlichen Bestimmungen des 2. Teiles des WTBG mit der Maßgabe der sinngemäßen Anwendung des § 120 WTBG. Nach Z 27 WTBG begeht ein Berufsvergehen, wer eine der in den §§ 3 bis 5 WTBG (Anm.: Berechtigungsumfang von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern) angeführten Tätigkeiten anbietet oder ausübt, ohne die erforderliche Berufsberechtigung zu besitzen.
Berufsberechtigte, die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft sind, unterliegen gemäß § 90 Abs. 2 BibuG zusätzlich zu den Bestimmungen der Verordnung gemäß § 69 BibuG (Anm.: Ausübungsrichtlinie) den Ausübungs- und Standesregeln gemäß § 69 GewO 1994. Beruft sich ein solcher Bilanzbuchhalter im beruflichen Verkehr gegenüber den Abgabenbehörden des Bundes fälschlich auf eine ihm erteilte Bevollmächtigung, so sind die disziplinarrechtlichen Bestimmungen des 2. Teiles des WTBG sinngemäß anzuwenden.
Zuständig dafür ist die Paritätische Kommission mit Sitz in Wien, welche, soweit nicht ein anderes Organ ausdrücklich zuständig ist, alle Angelegenheiten und Aufgaben der Vollziehung des Bilanzbuchhaltungsgesetzes wahrzunehmen hat (§ 91 Abs. 5 BibuG).
Gemäß § 48b Abs. 2 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die für die Ahndung der Übertretung gewerberechtlicher oder berufsrechtlicher Vorschriften zuständigen Behörden zu verständigen, wenn sie zu einem begründeten Verdacht gelangen, dass eine solche Übertretung vorliegt. Die Verständigung gemäß § 48b Abs. 2 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Im Einzelfall wird die Verständigung gemäß § 48b BAO von der Regelmäßigkeit und der Schwere der Übertretung des Berufsrechts abhängen.
Somit hat das Finanzamt bei Überschreiten der berufsrechtlichen Vorschriften mit Ablehnungsbescheid nach § 84 BAO vorzugehen.
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betroffene Normen: | § 48a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Amtshilfe, Steuergeheimnis, Vollmacht, Telefax, Verjährung, Mängelbehebung, Wiederaufnahme, Lohnzettel, Ermessen, Umsatzsteuervorauszahlungen, Bilanzbuchhalter, Feststellungsverfahren, Vertreterhaftung |
Verweise: | Art. 18 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 |