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Geschäftsbeziehungen mit einer liechtensteinischen Briefkastenfirma

BMF04 0101/20-IV/4/9626.2.19961996

EAS 822

Ergibt das Ermittlungsverfahren, dass ein österreichisches Transportunternehmen Provisionszahlungen in Höhe von 10% des Umsatzes für angeblich von einer liechtensteinischen Anstalt vermittelte internationale Transportaufträge an diese Anstalt zu zahlen hat, wobei diese Anstalt über keine eigenen Geschäftsräumlichkeiten und keinen eigenen Geschäftsbetrieb verfügt, sondern im Büro eines Anwaltes untergebracht ist, so sind im Hinblick auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (insb. VwGH 13.11.1985, 84/13/127, VwGH 11.07.1995, 91/13/0154, und die gleichlautende Rechtsprechung in Deutschland, siehe BFH-Beschluss 24.03.1987, I B 156/86) die Voraussetzungen für die Erteilung eines auf § 162 Abs. 1 BAO gestützten Auftrages zur Nennung der wahren Empfänger der Provisionsbeträge gegeben, wobei dies unter den gegebenen Umständen nicht die liechtensteinische Anstalt sein kann. Nichterfüllung dieses Empfängerbenennungsauftrages zieht die Nichtabzugsfähigkeit der Provisionen in Österreich nach sich.

Wenn nun diese Anstalt außerdem dem österreichischen Unternehmen ein Darlehen in der Größenordnung von S 100 Mio. gegen durchaus angemessene Zinsen von 9% zur Verfügung stellt, dann hat die die Erhebungen führende Abgabenbehörde zu entscheiden, ob neben dem Auftrag zur Nennung der Provisionsempfänger in der Folge auch ein Auftrag zur Benennung der wahren Gläubiger der Darlehensbeträge und der Empfänger der Zinsenbeträge gestellt wird. Sind keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die finanziellen Mittel in Wahrheit Eigenkapital des oder der österreichischen Unternehmer darstellt oder dass das Vermögen von anderen in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigen Personen stammt, dann wird dies unter Berücksichtigung der deutschen Judikatur (BFH 29.10.1981, BStBl II 1982, 150, wonach die BFH-Rechtsprechung über den missbräuchlichen Einsatz von Basisgesellschaften nur Anwendung findet, wenn an der Basisgesellschaft ein unbeschränkt steuerpflichtiger Inländer beteiligt ist) dafür sprechen, dass ein Empfängerbenennungsauftrag nicht nötig ist.

Ist in einem solchen Fall daher anzunehmen, dass die Geldgeber Steuerausländer sind, dann wird allerdings der Umstand, dass das Darlehen in Österreich grundbücherlich sichergestellt sind, beschränkte Steuerpflicht der an die Geldgeber fließenden Zinsen auslösen. Wenn in einem solchen Fall der zivilrechtlich gewählten Gestaltung gefolgt wird und die zivilrechtlich als Empfänger der Darlehenszinsen genannte Anstalt der beschränkten Steuerpflicht in Österreich unterworfen wird, so kann darin kein Rechtsverstoß gesehen werden.

Der Umstand, dass bei den Provisionszahlungen die Anstalt nicht als der steuerliche Empfänger der Beträge gesehen wird, bei den Zinsenzahlungen hingegen schon, wäre aus der Sicht des BM für Finanzen dann nicht als eine in sich widersprüchliche Sachverhaltsbeurteilung zu werten, wenn diese unterschiedliche Behandlung von Unterschieden im maßgebenden Sachverhalt getragen wird. Dies wäre zB der Fall, wenn nach Lage des Falles wohl zu vermuten ist, dass das Anwaltsbüro sich im Auftrag der Geschäftsleitung der Anstalt um die Darlehensbeschaffung gekümmert hat, wenn aber nicht angenommen werden kann, dass internationale Transportgeschäfte in dem in dieser Branche herrschenden rauen Wettbewerbskampf durch einen branchenunerfahrenen Rechtsanwalt aus Liechtenstein akquiriert werden können. Die Zwischenschaltung der liechtensteinischen Anstalt bei einer Kreditaufnahme im Ausland würde im übrigen auch nicht den Tatbestand des Rechtsmissbrauches nach § 22 BAO erfüllen, da hiedurch keine inländischen Steuern umgangen werden.

26. Februar 1996 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 162 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 22 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Steuerumgehung, Briefkasteneigenschaft, Missbrauch, Basisgesellschaft, Briefkastengesellschaft, Darlehen, Zinsen

Verweise:

VwGH 13.11.1985, 84/13/0127
VwGH 11.07.1995, 91/13/0154
BFH 24.03.1987, I B 156/86
BFH 29.10.1981, I R 89/80, BStBl II 1982, 150

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