Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 2.212,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2013, Zlen. 2011/08/0221, 0222, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof die dort angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben hat.
In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof u. a. ausgeführt:
"Der Widerruf nach § 24 Abs. 2 AlVG hängt im Beschwerdefall davon ab, ob die Beschwerdeführerin in den gegenständlichen Zeiträumen iSd § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG einer Pflichtversicherung unterlegen ist bzw. gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 AlVG eine neue oder weitere die Geringfügigkeitsgrenze übersteigende Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausgeübt hat.
Um das Vorliegen einer Pflichtversicherung (insbesondere auch deren Beginn und Ende sowie den Zweig, in dem die Pflichtversicherung besteht) bzw. das Vorliegen der genannten unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeiten (Beschäftigungen) beurteilen zu können, sind brauchbare Tatsachenfeststellungen über alle relevanten Umstände der in Frage kommenden Erwerbstätigkeiten zu treffen, die eine diesbezügliche rechtliche Beurteilung ermöglichen. Die Behörden des AMS wären zwar an rechtskräftige Bescheide gebunden, die das Vorliegen von versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeiten für die fraglichen Zeiträume bejahen. Eine sonstige Bindung, insbesondere an die beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger tatsächlich geführten Versicherten-Daten kann dem Gesetz, insbesondere auch § 45 AlVG, ebenso wenig entnommen werden, wie ein Verbot der Beurteilung des Vorliegens der Versicherungspflicht eines Beschäftigungsverhältnisses als Vorfrage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2000, Zl. 98/08/0269, sowie nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2012/08/0025). Die belangte Behörde, die ihre rechtliche Beurteilung des Vorliegens einer Pflichtversicherung lediglich auf eine 'Speicherung im Hauptverband (F3)' gestützt hat, hätte die Frage des Vorliegens einer versicherungspflichtigen unselbständigen Beschäftigung bzw. der Versicherungspflicht einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Vorfrage iSd § 38 AVG selbst beurteilen und die erforderlichen Feststellungen dafür treffen müssen.
Dabei wird sie die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu berücksichtigen haben, insbesondere - zum Bestehen einer Pflichtversicherung von Vortragenden und zur Klassifikation als 'tageweise' Beschäftigungsverhältnisse iSd § 4 Abs. 2 ASVG - etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2012, Zl. 2010/08/0204. Was die von der belangten Behörde angenommene durchgehende selbständige Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin in den Jahren 2008 bis 2010 (bzw. die daraus folgende Pflichtversicherung gem. § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG) betrifft, so entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass sich die Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG grundsätzlich nach der Einkommensteuerpflicht richtet. Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem die Versicherungsgrenzen übersteigende Einkünfte der im § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen, besteht nach dieser Bestimmung Versicherungspflicht, sofern die zu Grunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum (weiter) ausgeübt wurde und auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits die Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist (vgl. insbesondere auch zur Voraussetzung des Vorliegens einer betrieblichen Tätigkeit das hg. Erkenntnis vom 10. April 2013, Zl. 2011/08/0122)."
2. Mit den in Revision gezogenen Ersatzbescheiden hat die belangte Behörde das Arbeitslosengeld der Revisionswerberin für die gegenständlichen (im Vorerkenntnis genannten) Zeiträume widerrufen und den Übergenuss in Höhe von EUR 7.891,69 bzw. EUR 4.923,10 zurückgefordert.
2.1. Der erstangefochtene Bescheid weist einen Umfang von 84 Seiten auf. Die belangte Behörde gibt unter dem Titel "Sachverhalt" auf 60 Seiten das Verwaltungsgeschehen wieder, wobei sie diverse Schriftsätze in die Begründung hineinkopiert. Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde besteht im Wesentlichen in der Bezugnahme auf eine telefonische Auskunft der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, wonach die "Einkünfte vom W. (...) nicht GSVG-pflichtig" wären, die Revisionswerberin aber auf Grund ihrer sonstigen selbständigen Vortragstätigkeiten von 2008 bis 2010 mit ihren Einkünften über der maßgeblichen Versicherungsgrenze liege. Daher sei "bei uns Pflichtversicherung § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG festgestellt" worden. Aus der Wiedergabe dieser telefonischen Auskunft durch die belangte Behörde geht nicht hervor, ob es sich bei der genannten Feststellung der Sozialversicherungsanstalt um einen Bescheid gehandelt hat.
Daran anschließend führt die belangte Behörde aus:
"Im Jahr 2008, 2009 und 2010 waren Sie vom 1.1.2008 bis 31.12.2010 als Sprachtrainierin selbständig erwerbstätig.
Die Berufungsbehörde geht von einer durchgehenden selbständigen Erwerbstätigkeit aus, da aus Ihren vorgelegten Unterlagen ersichtlich ist, dass neben Ihrer wiederkehrenden Tätigkeit beim WIFI auch bei anderen Instituten als Sprachtrainerin für Englisch tätig waren, so z.B.: für m & m jeweils in den Monaten April, Mai, Juni, Juli, Oktober und November und Dezember 2008, für A... D... im Februar 2008 und für M. im Dezember 2008.
Tätigkeiten 2009:
m & m: Jänner, Februar, März, April, Mai, Juni, Oktober und November und Dezember 2009
M.: Februar und Juni 2009
Tätigkeiten 2010:
m. & m.: Jänner bis November 2010
(...)
Aufgrund dieser oben dargelegter Gründe geht die Berufungsbehörde jedenfalls von der Regelmäßigkeit der Selbständigen Erwerbstätigkeit aus, die auf Erwerbsabsicht gerichtet ist und somit von einer durchgehenden selbständigen Erwerbstätigkeit von 1.1.2008 bis 31.12.2010."
2.2. In gleicher Weise hat die belangte Behörde den zur hg. Zl. Ro 2014/08/0057 angefochtenen, 76 Seiten umfassenden Bescheid begründet. Bis zur S. 63 dieses Bescheides wird das Verwaltungsgeschehen wiedergegeben. In der rechtlichen Beurteilung verweist die belangte Behörde auf die bereits erwähnte telefonische Auskunft der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und im Übrigen werden die oben wiedergegebenen Feststellungen getroffen.
3. Gegen diese Bescheide richten sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Revisionen mit den Begehren, die angefochtenen Bescheide kostenpflichtig aufzuheben. Das in das Verfahren eingetretene Bundesverwaltungsgericht hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Revisionen als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revisionen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges wegen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Die Revisionswerberin bringt vor, sie habe während der relevanten Rückforderungszeiträume keinerlei Leistungen an die von der belangten Behörde genannten Auftraggeber erbracht. Eine selbständige Erwerbstätigkeit sei nicht vorgelegen. Die Leistungen an das WIFI seien im Rahmen eines Dienstverhältnisses erbracht worden und könnten nicht zur Begründung einer andauernden selbständigen Erwerbstätigkeit herangezogen werden. Die belangte Behörde habe sich mit ihrem Vorbringen, dass sie ihre Leistungen am Markt nicht anbiete und aus gesundheitlichen Gründen auch nicht anbieten könne, nicht auseinander gesetzt und weitere Erhebungen unterlassen. Die Kontakte zu den Firmen hätten sich zufälligerweise ergeben. Die Revisionswerberin habe in den Jahren 2008 bis 2010 über mehrere Monate hinweg keine Leistungen erbracht. Die Annahme der belangten Behörde, die Revisionswerberin hätte am 17. Juli 2008, sohin nach Antragstellung, einen Kurs abgehalten, sei unrichtig, weil dieser geplant gewesene Kurs nicht stattgefunden habe. Bestritten werde, dass die Revisionswerberin bei M. von Jänner bis November 2010 durchgehend Leistungen erbracht hätte. Tatsächlich seien im Februar sowie in den Monaten Juli bis September 2010 keinerlei Leistungen erbracht worden. (Ein entsprechendes Vorbringen hat die Revisionswerberin auch im Verwaltungsverfahren erstattet.)
2. Gemäß § 60 AVG (iVm § 24 VStG), der gemäß § 67 AVG auch für Berufungsbescheide gilt, sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (§§ 37 ff AVG), die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente eines ordnungsgemäß begründeten Bescheides bestehen sohin erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung. Die bloße Zitierung von Beweisergebnissen wie z.B. von Zeugenaussagen ist weder erforderlich noch hinreichend, eine Aufzählung aufgenommener Beweise mag zweckmäßig sein.
Lässt ein Bescheid die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides schon aus diesem Grund (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 2013, Zl. 2013/08/0113).
Die vorliegenden Bescheide lassen eine Trennung in die drei genannten Begründungselemente vermissen. Sie unterschreiten insbesondere dadurch, dass das extensiv wiedergegebene Verwaltungsgeschehen zur Feststellung eines Sachverhalts erhoben wird und der Inhalt des Textes durch gedanklich nicht aufbereitete, dafür aber uferlose Wiedergabe verschiedenster Äußerungen maßgeblich verdunkelt wird, die dargestellten Qualitätserfordernisse eines rechtsstaatlichen Bescheides und beeinträchtigen die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof in einem nicht mehr zu tolerierenden Ausmaß.
Die belangte Behörde hat die aus § 63 Abs. 1 VwGG abzuleitende Bindung an die im Vorerkenntnis dargelegte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes missachtet. Die nach dem Vorerkenntnis erforderlichen Feststellungen wurden nicht in der erforderlichen Klarheit und Nachvollziehbarkeit getroffen und begründet. Eine rechtliche Beurteilung betreffend das Vorliegens der Pflichtversicherung in den gegenständlichen Zeiträumen wurde nicht vorgenommen.
3. Die angefochtenen Bescheide waren gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der gemäß §§ 3 und 4 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf "Übergangsfälle" weiter anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 26. Mai 2014
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