Normen
62011CJ0256 Dereci VORAB;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §47 Abs2;
62011CJ0256 Dereci VORAB;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §47 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (im Folgenden kurz als "Behörde" bezeichnet) den Antrag des Beschwerdeführers, eines mazedonischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 und § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.
Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und auch die gemeinsame Tochter österreichische Staatsbürgerin sei.
Die am 16. August 1992 geborene Ehefrau des Beschwerdeführers habe zum Zeitpunkt der Antragstellung das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt. Der Beschwerdeführer sei somit kein "Familienangehöriger" im Sinn des NAG.
Bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung sei auf eine allfällige Verletzung im Recht nach Art. 8 EMRK nicht Bedacht zu nehmen.
Infolge des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 15. November 2011 in der Rechtssache C-256/11 , "Dereci u.a.", sei zu berücksichtigen, ob eine österreichische Ankerperson eines drittstaatszugehörigen Antragstellers bei Nichtgewährung des Aufenthaltstitels de facto gezwungen wäre, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Lediglich in Ausnahmesituationen sei von einer Gefahr der Beeinträchtigung des Kernbestands der Unionsbürgerrechte auszugehen. Wenn dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel erteilt werde, bedeutete dies nicht, dass seine österreichische Ehefrau de facto gezwungen wäre, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Diese befinde sich nicht in einer Ausnahmesituation. Weder der bloße Wunsch nach einem Zusammenleben in Österreich noch wirtschaftliche Überlegungen rechtfertigten für sich genommen die Annahme eines Zwanges im genannten Sinn. Weitere besondere Umstände, die auf eine Ausnahmesituation schließen lassen könnten, seien nicht vorgebracht worden und würden sich nicht aus dem Akteninhalt ergeben.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluss vom 21. Februar 2013, B 1328/12-3, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der nach Aktenvorlage über die ergänzte Beschwerde erwogen hat:
Gemäß § 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, hat der Verwaltungsgerichtshof in Beschwerdeverfahren, in denen der Verfassungsgerichtshof bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG in der bis 31. Dezember 2013 geltenden Fassung dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des B-VG und des VwGG weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Im Blick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides im Oktober 2012 sind die Bestimmungen des NAG idF BGBl. I Nr. 50/2012 maßgebend.
§ 2 Abs. 1 Z 9 NAG definiert den Familienangehörigen folgendermaßen:
"Familienangehöriger: wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels;"
Im vorliegenden Fall hatte die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Antragstellung das 21. Lebensjahr nicht vollendet gehabt. Da sie auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Oktober 2012 noch nicht 21 Jahre alt war, liegt kein Fall im Sinn des hg. Beschlusses vom 29. Mai 2013, EU 2013/0002-1 (2011/22/0175), vor, mit dem ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt wurde, ob Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, dass er einer Regelung entgegensteht, derzufolge Ehegatten und eingetragene Partner das 21. Lebensjahr bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung vollendet haben müssen, um als nachzugsberechtigte Familienangehörige gelten zu können.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die zitierte Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG bestehen nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 2011, 2011/22/0215, unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 2011, B 711/10).
Zutreffend verneinte somit die Behörde das Vorliegen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung für den begehrten Familiennachzug.
Da aus dem Akteninhalt (vgl. etwa das Aufforderungsschreiben der erstinstanzlichen Behörde vom 3. Mai 2011 und die Stellungnahme des Vertreters des Beschwerdeführers vom 9. Mai 2012) abzuleiten ist, dass sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhält, liegt keine Konstellation im Sinn des hg. Erkenntnisses vom 17. November 2011, 2010/21/0494, vor, in der der Begriff "Familienangehöriger" von der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abgekoppelt werden müsste (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 13. November 2012, 2011/22/0074).
Art. 8 EMRK ist fallbezogen daher nicht relevant.
Letztlich ging die Behörde zutreffend davon aus, dass gemäß dem zitierten Urteil des EuGH einem drittstaatszugehörigen Familienangehörigen eines Österreichers der Aufenthalt nicht verwehrt werden darf, wenn die österreichische Ankerperson im Fall der Verweigerung des begehrten Aufenthaltstitels de facto gezwungen wäre, sowohl Österreich als auch das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Entgegen der Beschwerdeansicht ist der Behörde zuzustimmen, dass allein aus der Verweigerung eines Aufenthaltstitels für den Beschwerdeführer nicht abgeleitet werden kann, dass die österreichische Ehefrau mit ihrem Kind gezwungen wäre, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben in Österreich begründet noch keine Ausnahmesituation im Sinn der Ausführungen des EuGH.
Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 19. Februar 2014
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