VwGH 2013/12/0153

VwGH2013/12/015329.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des W H in L, vertreten durch die Rechtsanwälte Denkmayr & Partner OG in 4950 Altheim, Stadtplatz 12, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 10. Juli 2013, Zl. 108.754/3-I/1/e/13, betreffend Aufhebung eines Feststellungsbescheides i.A. Nebengebühren, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
GehG 1956 §15 Abs5 Z2;
AVG §56;
GehG 1956 §15 Abs5 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Gruppeninspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und bei der Polizeiinspektion F, in Verwendung.

In seiner Eingabe vom 10. November 2012, betreffend "Dienstrechtsangelegenheiten Ersuchen um Qualifizierung eines Unfalles als Dienstunfall" ersuchte er gemäß § 15 Abs. 5 GehG um Qualifizierung eines Unfalles als Dienstunfall. Er habe sich am 11. November 2004 in Ausübung des Dienstes einen Schaden an der Lendenwirbelsäule zugezogen, der in weiterer Folge einen operativen Eingriff erforderlich gemacht habe. Aufgrund dieser Vorschädigung seien im Jahr 2011 exakt in jenem Bereich der Lendenwirbelsäule erhebliche Beschwerden aufgetreten, weshalb er sich erneut einer Operation habe unterziehen müssen. Wie aus einem Gutachten der Versicherungsanstalt Öffentlich Bediensteter hervorgehe, sei die unmittelbare Kausalität zwischen dem Ereignis vom 11. November 2004 und dem erlittenen Bandscheibenvorfall nicht gegeben. Nach einer mit 1. Jänner 2012 in Kraft getretenen Novellierung des Gehaltsgesetzes bestehe nun in Ausnahmefällen die Möglichkeit, dass die Dienstbehörde abweichend von der "BVA-Entscheidung" eine Qualifikation eines Unfalles als Dienstunfall vornehmen könne. Der Beschwerdeführer habe aber durch seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen in den vergangenen Jahren nicht nur körperlichen Schaden, sondern auch erhebliche finanzielle Benachteiligungen erlitten. Er ersuche die Dienstbehörde um Prüfung und Feststellung, ob ihm die Qualifizierung des Ereignisses vom 11. November 2004 als Dienstunfall zustehe.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2013 wies die Landespolizeidirektion Oberösterreich als Dienstbehörde erster Instanz gemäß § 15 Abs. 5 GehG iVm § 90 B-KUVG den Antrag auf Qualifizierung des erlittenen Unfalles vom 11. November 2004 als Dienstunfall ab. Begründend führte sie im Kern aus, gemäß § 90 Abs. 1 B-KUVG seien Dienstunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder mit der die Versicherung begründenden Funktion ereigneten. Gemäß § 15 Abs. 4 GehG komme es während eines auf einen Dienstunfall zurückzuführenden Krankenstandes zu keinem Ruhen pauschalierter Nebengebühren. Bei der Beurteilung durch die Dienstbehörde sei der Maßstab des § 90 B-KUVG anzulegen, wobei die Qualifikation der "BVA" der Beurteilung durch die Dienstbehörde zugrunde gelegt werden könne. Die Dienstbehörde erster Instanz schließe sich hinsichtlich der Qualifizierung des Ereignisses vom 11. November 2004 den begutachtenden Fachärzten an und qualifiziere das Unfallereignis als Gelegenheitsursache, die die vorschädigte Wirbelsäule betroffen habe. Im Rahmen der dienstbehördlichen Beurteilungsbefugnis werde die in Rede stehende Verletzung nicht als Dienstunfall qualifiziert, da das Unfallgeschehen nicht ursächlich und in direkter Kausalität mit speziell aus dem Exekutivdienst resultierenden Belastungen entstehe.

In seiner dagegen erhobenen Berufung wandte sich der - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer im Wesentlichen gegen die Qualifikation des Geschehens vom 11. November 2004 durch die Dienstbehörde erster Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung insofern statt, als sie den Bescheid vom 13. Februar 2013 wegen Unzuständigkeit der Dienstbehörde erster Instanz ersatzlos behob. Für die belangte Behörde als zur Entscheidung in der Sache zuständig seien - so die wesentliche Begründung - nachstehende Erwägungen maßgeblich:

"Einleitend ist festzuhalten, dass Sie mit Ihrem Antrag vom 10.11.2012 ausdrücklich die Qualifizierung Ihres im Dienst erlittenen Unfalles vom 11.11.2004 als Dienstunfall begehren.

Für die weiteren Überlegungen ist zunächst davon auszugehen, dass der Qualifizierung eines Unfalles als Dienstunfall aus dem Blickwinkel der der Dienstbehörde des Aktivstandes eines Beamten zukommenden Zuständigkeiten in erster Linie im Zusammenhang mit einer Reihe von dienst- oder besoldungsrechtlichen Ansprüchen Bedeutung zukommt.

So tritt etwa gemäß § 15 Abs. 5 GehG das Ruhen pauschalierter Nebengebühren infolge mehr als einmonatiger krankheitsbedingter Abwesenheit vom Dienst dann nicht ein, wenn der Krankenstand auf einen Dienstunfall zurückzuführen ist. Auch die in den §§ 13c, 81 Abs. 1 Z. 2 oder 82 Abs. 6a GehG sowie etwa § 72 Abs. 1 Z. 2 BDG normierten Rechtsfolgen bzw. Ansprüche knüpfen an das Tatbestandselement eines Dienstunfalles an.

Da in den in den Vollziehungsbereich der Dienstbehörden des Aktivstandes fallenden dienst- und besoldungsrechtlichen Vorschriften keine Definition des Begriffes 'Dienstunfall' enthalten ist und der Dienstbehörde keine Zuständigkeit zukommt, diese Frage losgelöst von allfälligen konkreten Besoldungsansprüchen als Hauptfrage zum Gegenstand einer eigenständigen Entscheidung zu machen, kann der Qualifikation eines Unfalles als Dienstunfall allenfalls die Bedeutung einer Vorfrage im Sinne des § 38 AVG iVm § 8 DVG zukommen. Dies bedeutet, dass eine selbstständige Beurteilung dieser Frage durch die Aktiv-Dienstbehörde nur im Zuge eines Verfahrens zulässig ist, in dem konkrete dienst- oder besoldungsrechtliche Ansprüche vom Vorliegen eines Dienstunfalles abhängen.

Unter dem Aspekt der in den dienstbehördlichen Zuständigkeitsbereich fallenden Agenden kommt der Frage der Qualifikation eines Unfalles als Dienstunfall losgelöst von allfälligen dienst- und besoldungsrechtlichen Ansprüchen somit keine selbstständige Bedeutung zu. Das heißt, dass eine ausschließlich die Frage des Vorliegens eines Dienstunfalles zum Gegenstand habende Entscheidung der Dienstbehörde außerhalb eines sich auf konkrete Dienst- oder Besoldungsansprüche beziehenden Verfahrens nicht vorgesehen ist. Eine bescheidmäßige Entscheidung der Dienstbehörde darüber, inwieweit ein Unfall als Dienstunfall zu qualifizieren ist, außerhalb eines sich auf konkrete Dienst- oder Besoldungsansprüche beziehenden Verfahrens ist somit nicht zulässig.

Nachdem der verfahrensgegenständliche Bescheid der LPD Oberösterreich ausschließlich die Frage der Qualifikation Ihres Unfalles vom 11.11.2004 als Dienstunfall zum Gegenstand hat, hat die Behörde im Lichte der dargestellten Überlegungen damit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zukommt. Die Zuständigkeit zu einer ausschließlich die Qualifikation eines Unfalles als Dienstunfall betreffenden Entscheidung liegt vielmehr bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter. Der Bescheid musste vor diesem Hintergrund mangels Zuständigkeit der Behörde daher ersatzlos behoben werden."

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Sachentscheidung über seine Berufung verletzt; er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 122/2013 sind auf das mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf dieses Tages geltenden Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 weiter anzuwenden.

Die Beschwerde sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, gemäß § 15 Abs. 5 GehG komme es während eines auf einen Dienstunfall zurückzuführenden Krankenstandes zu keinem Ruhen pauschalierter Nebengebühren.

§ 90 B-KUVG gebe eine Legaldefinition des Dienstunfalles. § 15 Abs. 5 Z. 2 GehG knüpfe ebenfalls an einen Dienstunfall an. Die Beurteilung, ob ein Dienstunfall im Sinne des § 15 Abs. 5 Z. 2 GehG vorliege oder nicht, sei von derjenigen Behörde durchzuführen, die für die Vollziehung des Gehaltsgesetzes zuständig sei, dies sei die Dienstbehörde, nicht eine Versicherungsanstalt. Die belangte Behörde bringe rechtsirrig zum Ausdruck, es müssten quasi zunächst dienst- und besoldungsrechtliche Ansprüche erhoben werden, um dann die Frage des Dienstunfalles zu qualifizieren. Eine derartige Bestimmung lasse sich aus dem Gesetz nicht ableiten; es sei wohl auch zulässig, zunächst die Qualifikation als Dienstunfall feststellen zu lassen, um dann die entsprechenden Ansprüche, insbesondere nach § 15 Abs. 5 GehG zu stellen. Eine Überschreitung der Zuständigkeit der Dienstbehörde (erster Instanz) sei mithin keinesfalls gegeben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat überdies wiederholt ausgeführt, dass ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf jedenfalls dann nicht zulässig ist, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann. Die bescheidförmige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen ist überdies nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zulässig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2009, Zl. 2008/12/0209, mwN).

Wenn die Höhe der dem Beamten gebührenden Bezüge oder sonstiger besoldungsrechtlicher Ansprüche strittig ist, so kann zulässigerweise ihre Bemessung durch einen entsprechenden Feststellungsbescheid der Dienstbehörde verlangt werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bescheidmäßige Feststellung der Gebührlichkeit eines strittigen Bezugs(- bestandteiles) oder eines sonstigen strittigen besoldungsrechtlichen Anspruches jedenfalls zulässig. Dagegen ist ein Feststellungsbescheid über einzelne Berechnungselemente eines strittigen Bezugs(-bestandteiles) oder eines sonstigen strittigen besoldungsrechtlichen Anspruches unzulässig, weil die strittige Frage der Berechnung des Anspruches in besoldungsrechtlichen Verfahren betreffend die Feststellung der Gebührlichkeit des Anspruches geklärt werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2008, Zl. 2007/12/0201, mwN).

Das Begehr des Beschwerdeführers zielt offenbar darauf ab, für die Frage der Gebührlichkeit pauschalierter Nebengebühren die Vorfrage des Vorliegens eines Dienstunfalles im Sinn des § 15 Abs. 5 Z. 2 GehG durch einen Feststellungsbescheid abzuklären.

Die gesonderte bescheidförmige Feststellung eines Dienstunfalles im Sinn des § 15 Abs. 5 Z. 2 GehG durch die Dienstbehörde ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die strittige Frage der Gebührlichkeit pauschalierter Nebengebühren ist im Rahmen des besoldungsrechtlichen Verfahrens und durch einen Feststellungsbescheid über die Gebührlichkeit konkreter (allenfalls pauschalierter) Nebengebühren zu klären. Damit erweist sich die im Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz vom 13. Februar 2013 zum Ausdruck gelangte Feststellung, dass im Ereignis vom 11. November 2004 kein Dienstunfall im Sinn des § 15 Abs. 5 Z. 2 GehG vorliege, als unzulässig. Unabhängig davon, ob die belangte Behörde zu Recht mit einer ersatzlosen Aufhebung vorgegangen ist oder aber den unzulässigen Antrag hätte zurückweisen müssen, ist der Beschwerdeführer in seinem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht auf eine Entscheidung in der Sache selbst nicht verletzt worden.

Die dagegen gerichtete Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung in Verbindung mit § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, angefügt durch die Änderung dieser Verordnung durch die Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 29. Jänner 2014

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte