VwGH 2013/09/0194

VwGH2013/09/019419.5.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Revision des D W in F, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Bahnhofstraße 21, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 19. November 2013, Zl. 6/24-DOK/13, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung (weitere Partei: Bundeskanzler, Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1 idF 2008/I/147;
BDG 1979 §93 idF 2008/I/147;
BDG 1979 §95 Abs2;
StGB §32;
StGB §33;
VwRallg;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1 idF 2008/I/147;
BDG 1979 §93 idF 2008/I/147;
BDG 1979 §95 Abs2;
StGB §32;
StGB §33;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber stand bis zu seiner Entlassung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Der Verwaltungsgerichtshof verweist zur Vorgeschichte gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 5. September 2013, Zl. 2013/09/0114, mit dem der eine Geldstrafe verhängende Bescheid der belangten Behörde vom 29. April 2013 auf Grund einer Beschwerde des Disziplinaranwaltes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden war.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz‑)Bescheid der belangten Behörde wurde der Berufung des Disziplinaranwaltes Folge gegeben und die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt. Die belangte Behörde begründete dies folgendermaßen:

"Fest steht, dass der (Beschwerdeführer) mit rechtskräftigem Urteil des LG X vom 26. September 2012, AZ ..., wegen des Verbrechens nach § 3g Verbotsgesetz und des Vergehens nach § 283 Abs. 2 StGB schuldig gesprochen und über ihn die gesetzliche Mindeststrafe einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verhängt wurde, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, und dass dieses Fehlverhalten - ebenso wie sein Fehlverhalten gemäß Spruchpunkt 2) - mit - mangels Berufung - rechtskräftigem Schuldspruch als gravierende Dienstpflichtverletzung gemäß §§ 43 Abs. 2, 79d und § 48 Abs. 1 BDG ersehen wurde. An der objektiven Tatbestandsverwirklichung sowie am schuldhaften Fehlverhalten des (Beschwerdeführers) bestehen betreffend Schuldspruch 1) infolge Bindungswirkung (§ 95 Abs. 2 BDG), die sich auch auf die subjektive Tatseite bezieht, keine Zweifel, weshalb sein Vorbringen betreffend eingeschränkte Schuldfähigkeit ins Leere geht.

Gemäß § 3g Verbotsgesetz wird, wer sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung strenger strafbar ist, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu 20 Jahren bestraft.

Gemäß § 283 Abs. 2 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen, wer für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar gegen eine in Abs. 1 leg. cit. bezeichnete Gruppe (nach den Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe) hetzt oder sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und dadurch verächtlich zu machen sucht.

Für dieses gravierende schuldhafte Fehlverhalten wurde über den (Beschwerdeführer) mit erstinstanzlichem Disziplinarerkenntnis vom 30. Jänner 2013, GZ ..., die Disziplinarstrafe der Geldstrafe iHv EUR 10.000,-- ausgesprochen, wogegen der stellvertretende Disziplinaranwalt Strafberufung erhoben hat mit dem Begehren, über den (Beschwerdeführer) die Disziplinarstrafe der Entlassung auszusprechen; vom (Beschwerdeführer) wurde nicht Berufung erhoben, weshalb beide Schuldsprüche dem Grunde nach in Rechtskraft erwachsen sind.

In seinem Erkenntnis vom 18. September 2008, 2007/09/0320, hat der VwGH ausgeführt, dass das Erkenntnis des verstärkten Senates vom 14. November 2007, 2005/09/0115 (in concreto: die dortige Bezugnahme auf spezialpräventive Gründe), nicht ausschließt, schon nach der ersten Dienstpflichtverletzung die Disziplinarstrafe der Entlassung auszusprechen, 'wenn diese

Dienstpflichtverletzung ... sehr schwer ist'. Dass im

vorliegenden Fall von einem sehr hohen disziplinären Unrechtsgehalt der Taten auszugehen ist, steht unbestritten fest. Dies hat der VwGH in seinem unter V. zitierten Erkenntnis auch klar zum Ausdruck gebracht, sodass eine nähere Begründung hierzu entbehrlich ist; auf die Ausführungen des VwGH wird verwiesen.

Die Schwere der Taten betreffend handelt es sich hier um einen jener (seltenen) Fälle, in denen auch unter Bedachtnahme auf spezialpräventive Gründe schon nach den ersten Dienstpflichtverletzungen die Disziplinarstrafe der Entlassung auszusprechen ist; auf die Ausführungen des VwGH zur Schwere der Taten wird verwiesen. Bei einer derart außergewöhnlichen Schwere der Taten, ihrem überaus hohen objektiven und auch subjektiven Unrechtsgehalt und ihrem ebenso hohen disziplinären Überhang kommt den vom (Beschwerdeführer) vorgebrachten Milderungsgründen nur mehr untergeordnete Bedeutung zu. Angesichts der klaren Ausführungen des VwGH weisen die Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen kein hinreichendes Gewicht auf, um deshalb von der Disziplinarstrafe der Entlassung gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 BDG abzusehen.

In diesem Zusammenhang ist auf die nunmehr gestiegene Bedeutung generalpräventiver Erwägungen hinzuweisen. Wie der VwGH in seinem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 15.12.2011, 2011/09/0105, zum Verhältnis von Spezial- zu Generalprävention ausführt, ist

'durch die Dienstrechts-Novelle 2008 (...) im zweiten Satz des § 93 Abs. 1 BDG die Zielsetzung 'der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken', als zusätzliches Strafbemessungskriterium in das Gesetz eingefügt (worden). Nach der nunmehr geltenden Rechtslage kommt der spezialpräventiven Erforderlichkeit der Strafe bei der Bemessung daher nicht mehr eine derart wesentliche Bedeutung wie bisher zu und sind Gründe der Generalprävention wie solche der Spezialprävention für die Bemessung der Strafe gleichrangig zu berücksichtigen. Ist eine Disziplinarstrafe in einem bestimmten Ausmaß geboten, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken, dann haben gegebenenfalls spezialpräventive Überlegungen, die eine solche Disziplinarstrafe nicht als erforderlich erscheinen lassen würden, demgegenüber zurückzutreten.'

Die Einführung von generalpräventiven Strafbemessungsgründen in § 93 Abs. 1 BDG hat ab dem 1. Jänner 2009 zur Konsequenz, dass dann, wenn aus generalpräventiven Gründen eine höhere Disziplinarstrafe als auf Grund spezialpräventiver Erwägungen erforderlich ist, diese (höhere) Disziplinarstrafe auszusprechen ist.

In Übereinstimmung mit dieser Judikatur des VwGH kann eine niedrigere als die Disziplinarstrafe der Entlassung auch auf Grund generalpräventiver Erwägungen nicht als adäquat erachtet werden. Denn würde bei einem derartigen Fehlverhalten mit einer geringeren Sanktion (einer Geldstrafe) vorgegangen werden, dann könnte nicht davon ausgegangen werden, dass damit der Begehung solcher eine äußerst negative Vorbildwirkung entfaltender Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte/innen ausreichend entgegengewirkt wird. Niemand aus dem Vorgesetzten- und Kollegenkreis, aber auch die Allgemeinheit nicht, würde es verstehen, wenn bei derart massiven Dienstpflichtverletzungen eine andere Disziplinarstrafe als die Entlassung verhängt würde; nach den Erfahrungen des täglichen Lebens könnte dies vielmehr dazu führen, dass daraus ein 'Freibrief' für die Begehung von schweren Dienstpflichtverletzungen abgeleitet würde. Es bedarf daher der höchstmöglichen Disziplinarstrafe, um deutlich zu machen, dass ein derart massives Fehlverhalten nicht toleriert wird. Diesem generalpräventiven Erfordernis wird nur durch den Ausspruch der Disziplinarstrafe der Entlassung Genüge getan."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften

geltend machende Beschwerde, die gemäß § 4 Abs. 1 letzter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz als Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z. 1 B-VG gilt.

Das an die Stelle der belangten Behörde getretene Verwaltungsgericht legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Revision, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Revisionswerber wendet zusammengefasst ein, er habe nach Ende des gerichtlichen Strafverfahrens und nach Erlassung des (aufgehobenen) Bescheides der belangten Behörde vom 29. April 2013 bekannt gegeben, dass er - wie in einem "Attest" des Landeskrankenhauses R vom 30. April 2013 festgestellt worden sei - unter einer sogenannten "autistischen Trias" ("Asperger Syndrom") leide. Es sei vom Bundessozialamt ein Grad der Behinderung mit 50 v.H. angenommen worden. Er gelte im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes als begünstigter Behinderter.

Es habe daher zum Zeitpunkt der Taten eine "eingeschränkte Schuldfähigkeit" bestanden, die belangte Behörde habe sich damit nicht befasst.

Der Revisionswerber verneint zu dieser Frage eine Bindungswirkung der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung.

1) Soweit in der Revision auf die nunmehr festgestellte "eingeschränkte Schuldfähigkeit" hingewiesen wird, ist dem entgegenzuhalten, dass die Disziplinarbehörden gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 an das in Rechtskraft erwachsene Strafurteil gebunden sind, wenn ein Beamter wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurde. Die Bindung umfasst dabei auch die dem Strafurteil zu Grunde liegenden Annahmen zur inneren Tatseite (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. Oktober 2013, Zl. 2013/09/0080, mwN). Die belangte Behörde ging im vorliegenden Fall daher zu Recht von einer Bindung an die subjektive Tatseite der Straftaten des Revisionswerbers aus.

Der Revisionswerber wurde der Begehung von Vorsatztaten strafrechtlich schuldig gesprochen. Im Schuldspruch wird von einer tatsächlich vorhandenen (uneingeschränkten) Schuldfähigkeit ausgegangen. An diese Feststellungen war somit auch die belangte Behörde gebunden.

2) Durch die mit der Dienstrechts-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 147/2008, erfolgte Novellierung des § 93 BDG 1979 wurde im zweiten Satz des § 93 Abs. 1 BDG 1979 die Zielsetzung "der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken", als zusätzliches Strafbemessungskriterium in das Gesetz eingefügt. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage kommt der spezialpräventiven Erforderlichkeit der Strafe bei der Bemessung daher nicht mehr eine derart wesentliche Bedeutung wie bisher zu und sind Gründe der Generalprävention wie solche der Spezialprävention für die Bemessung der Strafe gleichrangig zu berücksichtigen. Ist eine Disziplinarstrafe in einem bestimmten Ausmaß geboten, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken, dann haben gegebenenfalls spezialpräventive Überlegungen, die eine solche Disziplinarstrafe nicht als erforderlich erscheinen lassen würden, demgegenüber zurückzutreten. Dementsprechend enthalten die Gesetzeserläuterungen zu dieser Bestimmung die Aussage, es solle nach der Novelle möglich sein, dass "bei besonders schweren Dienstpflichtverletzungen allein schon aus generalpräventiven Gründen eine Entlassung auszusprechen" sein werde (vgl. das Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2011/09/0105).

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung bereits mit der besonderen Schwere der Taten begründet, die aus generalpräventiven Erwägungen zur Entlassung führten. Dies ist nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Dass die gegenständlichen Dienstpflichtverletzungen von einer derartigen besonderen Schwere sind, dass bereits aus diesem Grund die Disziplinarstrafe der Entlassung in Betracht kommen kann, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im eingangs genannten Vorerkenntnis vom 5. September 2013 erkannt.

Das Vorbringen des Revisionswerbers beträfe aber nicht diese - die Abweisung der gegenständlichen Revision bereits tragenden - Entscheidungsgründe zur Generalprävention, sondern hätte allenfalls Auswirkung auf die im angefochtenen Bescheid des Weiteren auch erwähnten spezialpräventiven Erwägungen der belangten Behörde. Die geltend gemachte "eingeschränkte Schuldfähigkeit" wäre daher auch aus diesem Grund nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen.

Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 19. Mai 2014

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