VwGH 2012/04/0161

VwGH2012/04/016117.6.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, in der Beschwerdesache des H P in N, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Brixner Straße 2, gegen den Beschluss des Vorstandes des Tourismusverbandes Stubai Tirol vom 5. November 2012 (ohne GZ), betreffend Abberufung eines Geschäftsführers nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006, den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art131 Abs1 Z1;
TourismusG Tir 2006 §1 Abs2;
TourismusG Tir 2006 §15 Abs1;
TourismusG Tir 2006 §17;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
TourismusG Tir 2006 §1 Abs2;
TourismusG Tir 2006 §15 Abs1;
TourismusG Tir 2006 §17;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Tourismusverband Stubai Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Der Tourismusverband St T (im Folgenden: Tourismusverband) ist eine nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006, LGBl. Nr. 19/2006, eingerichtete Körperschaft öffentlichen Rechts. Der Beschwerdeführer war seit dem Jahr 2007 Geschäftsführer des Tourismusverbandes.

Mit Beschluss vom 20. Juli 2012 sprach der belangte Vorstand des Tourismusverbandes im Rahmen einer Vorstandssitzung die Kündigung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer zum 31. Juli 2012 aus.

Am 5. November 2012 fand eine weitere Vorstandssitzung des Tourismusverbandes statt. In dem bezughabenden Sitzungsprotokoll ist festgehalten, der Vorstand erörtere, es sei bereits am 20. Juli 2012 die Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer Pf und dessen Kündigung beschlossen worden und diese Kündigung dem Geschäftsführer gegenüber auch ausgesprochen worden. Das Sitzungsprotokoll dokumentiert folgende Beschlussfassung durch den belangten Vorstand (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"(...)

Präzisierend wird daher einstimmig beschlossen und damit der Beschluss vom 20. 7. 2012 bekräftigt:

a. Der Beschluss vom 20. 7. 2012 war darauf gerichtet, jegliches der Geschäftsführerposition von Herrn Pf zugrunde liegende Rechtsverhältnis zu beenden, also diesen als Geschäftsführer abzuberufen und das Dienstverhältnis zum Tourismusverband St T zu beenden.

b. Herr Pf wird als Geschäftsführer des TVB St T per 31. 10. 2012 abberufen (vgl. dazu auch den Umlaufbeschluss vom 31. 10. 2012)

c. Das zwischen dem TVB St T und Herrn Pf bestehende Dienstverhältnis wird beendet, wobei die Kündigung bereits ausgesprochen wurde."

2. Gegen diesen Beschluss vom 5. November 2012 richtet sich die gegenständliche Beschwerde mit dem Antrag, die als Bescheid qualifizierte Erledigung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der belangte Vorstand legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in seiner Gegenschrift die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde, in eventu deren Abweisung.

3. Die Beschwerde ist nicht zulässig:

3.1. Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

3.2. Gemäß § 1 Abs. 2 Tiroler Tourismusgesetz 2006, LGBl. Nr. 19/2006 (Stammfassung), sind die Tourismusverbände Körperschaften des öffentlichen Rechts. Als Organe fungieren nach § 6 Abs. 1 leg. cit. die Vollversammlung, der Aufsichtsrat, der Vorstand, der Obmann und der Geschäftsführer.

Dem Vorstand obliegt gemäß § 15 Abs. 1 leg. cit. neben den ihm in diesem Gesetz sonst noch zugewiesenen Aufgaben die Besorgung aller Angelegenheiten, die nicht der Vollversammlung, dem Aufsichtsrat, dem Obmann oder dem Geschäftsführer vorbehalten sind.

Hinsichtlich des Geschäftsführers normiert § 17 leg. cit. wie

folgt:

"§ 17 Geschäftsführer

(1) Der Geschäftsführer ist vom Vorstand auf Vorschlag des Obmanns zu bestellen. Er hat seine Tätigkeit hauptberuflich auszuüben und darf einer erwerbswirtschaftlichen Nebenbeschäftigung nur mit Zustimmung des Vorstandes nachgehen. Der Dienstvertrag des Geschäftsführers ist vom Vorstand zu genehmigen und dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates zur Kenntnis zu bringen. Die Funktion des Geschäftsführers ist mit der eines Mitgliedes des Aufsichtsrates oder des Vorstandes unvereinbar.

(2) Dem Geschäftsführer obliegen folgende Aufgaben:

a) die Leitung der Geschäftsstelle des Tourismusverbandes sowie die Dienstaufsicht über die Bediensteten,

b) die Besorgung aller zur laufenden Geschäftsführung gehörenden Angelegenheiten,

c) die Mitwirkung an der Erarbeitung tourismusstrategischer Grundsätze und die Durchführung von touristischen Marketingmaßnahmen,

d) die Vorbereitung der Sitzungen der Vollversammlung, des Aufsichtsrates und des Vorstandes sowie die Erstellung von Niederschriften über den Verlauf der Sitzungen nach Abs. 4.

(3) Der Geschäftsführer ist berechtigt und auf Verlangen des jeweiligen Vorsitzenden verpflichtet, an der Vollversammlung und an den Sitzungen des Aufsichtsrates und des Vorstandes mit beratender Stimme teilzunehmen.

(4) Der Geschäftsführer hat dafür zu sorgen, dass über jede Sitzung der Vollversammlung, des Aufsichtsrates und des Vorstandes eine Niederschrift verfasst wird. (...)"

3.3. Zur Zulässigkeit der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, es liege ein letztinstanzlicher Bescheid vor, da es sich beim Rechtsträger des belangten Vorstands um eine Körperschaft öffentlichen Rechts im Bereich der Selbstverwaltung handle und weder ein Instanzenzug noch die Möglichkeit einer Vorstellung an die Aufsichtsbehörde eingerichtet sei. Die gegenständliche Erledigung regle normativ eine Verwaltungsangelegenheit gegenüber einer individuell bestimmten Person in einer der Rechtskraft fähigen Weise. Der angefochtene Beschluss des belangten Vorstands stelle einen hoheitlichen Akt dar, der auf die Beendigung der öffentlichrechtlichen Organstellung des Beschwerdeführers gerichtet sei, womit ein Eingriff in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers erfolge. Der Beschwerdeführer erachte sich in seinem subjektiven öffentlichen Recht auf Ausübung der Organfunktion des Geschäftsführers eines Tourismusverbandes als Körperschaft öffentlichen Rechts sowie auf Unterbleiben der Abberufung von dieser Organfunktion - ohne Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abberufung - verletzt. Mit der Ausübung der Organfunktion des Geschäftsführers seien subjektive Rechte des Beschwerdeführers verbunden, da die Tätigkeit des Geschäftsführers nach § 17 leg. cit. hauptberuflich auszuüben sei und dieser einer nebenerwerbswirtschaftlichen Beschäftigung nur mit Zustimmung des Vorstandes nachgehen dürfe. Aus dieser Bestimmung ergebe sich ein mit der Organstellung verbundener Rechtsanspruch auf ein Gehalt, sodass die Ausübung der Organstellung für den Geschäftsführer wirtschaftliche Rechte mit sich bringe. Der Entgeltanspruch des Beschwerdeführers sei bereits im Bestellungsbeschluss festgehalten worden. Der Verlust der Organstellung stelle somit jedenfalls einen Eingriff in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers dar, weshalb eine Abberufung mit Bescheid zu erfolgen habe.

3.4. Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 51/2012 kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Die Behauptung der Verletzung eines eigenen subjektiven Rechts im Sinn des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG begründet die Prozesslegitimation nach dieser Bestimmung nur dann, wenn eine solche Verletzung möglich ist (vgl. den hg. Beschluss vom 28. Jänner 2013, Zl. 2012/04/0092). Die Zulässigkeit (Berechtigung zur Erhebung) einer Beschwerde setzt sohin die Möglichkeit einer Verletzung in dem vom Beschwerdeführer als Beschwerdepunkt formulierten Recht voraus. Eine solche Rechtsverletzungsmöglichkeit fehlt dann, wenn das als Beschwerdepunkt formulierte subjektive Recht überhaupt nicht besteht (vgl. den hg. Beschluss vom 16. September 2013, Zl. 2012/12/0150). Ob das behauptete subjektive Recht besteht, ist nach den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zu beurteilen (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 18. Oktober 2012, Zl. 2012/04/0092, sowie vom 22. April 2008, Zl. 2007/18/0403).

3.4.1. Im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei in seinem subjektiven öffentlichen Recht auf Ausübung der Organfunktion als Geschäftsführer eines Tourismusverbandes nach dem Tiroler Tourismusgesetz (bzw. auf Unterbleiben der Abberufung) verletzt worden, ist auf die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 2007, Zl. KI- 1/07, dargestellte Rechtslage zu verweisen:

"Vorschriften, die nur die Ausübung staatlicher Funktionen zum Gegenstand haben, berühren nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Organwalter zwar grundsätzlich nicht, soweit sich aus den in Betracht zu ziehenden Regelungen (verfassungsgesetzlicher oder einfachgesetzlicher Art) nicht etwas anderes ergibt (VfSlg. 8187/1977, 8210/1977, 8385/1978, 8774/1980, 10.571/1985, 10.621/1985, 11.750/1988, 13.939/1994, 17.178/2004). Wenn aber die Ausübung einer bestimmten staatlichen Funktion gleichzeitig Rechte vermittelt (so etwa bei einem Beamten die Dienstrechtssphäre berührt - vgl. zB VfSlg. 8187/1977, 8774/1980), wird die Rechtssphäre der Person (die in anderer Beziehung Organwalter ist) betroffen (vgl. zB VfSlg. 5433/1966); in dieser Hinsicht geht es nicht um die Wahrung der Vollzugskompetenz eines Organwalters (die grundsätzlich die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Person nicht berührt), sondern um die Wahrung von Rechten als Rechtsperson (VfSlg. 10.621/1985). Eine solche Rechtssphäre hat der Verfassungsgerichtshof in jenen Fällen angenommen, in denen der Gesetzgeber den jeweiligen Organwalter entweder durch Einräumung von bestimmten Verfahrensrechten im Verfahren der Enthebung von der staatlichen Funktion (zuletzt VfSlg. 17.023/2003 zum Mitglied des Verwaltungsrates des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherung) oder durch Einräumung von bestimmten - an die Organfunktion angeknüpften - wirtschaftlichen Vorteilen (VfSlg. 12.331/1990 zum gesetzlich eingeräumten Recht des Fleischuntersuchungstierarztes auf Entlohnung), mit subjektiven öffentlichen Rechten ausgestattet hat (VfSlg. 17.427/2004). Auch der Verwaltungsgerichtshof nimmt die (die Beschwerdelegitimation begründende) Verletzung eines Organwalters in subjektiven Rechten an, wenn mit seiner Abberufung ein Einkommensentgang verbunden ist (VwGH 28.9.1990, 89/17/0041)".

Unter Bezugnahme auf die soeben wiedergegebenen Rechtsgrundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein individuell-normativer Abberufungsakt (in jenem Fall eines Universitätsrektors) als Eingriff in die Rechtssphäre des Organwalters zu qualifizieren ist, wenn die Abberufung an das Vorliegen gesetzlich normierter Abberufungsgründe geknüpft ist, zur Beschlussfassung eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist und durch die Abberufung das mit der Organfunktion verbundene Arbeitsverhältnis ex lege mit der Konsequenz eines Einkommensentgangs beendet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2009, Zl. 2008/10/0252).

3.4.2. Das Tiroler Tourismusgesetz 2006 enthält - im Gegensatz zu den relevanten gesetzlichen Bestimmungen in den den oben zitierten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde liegenden Fällen - keine Regelungen zur Abberufung des Geschäftsführers. Insbesondere sind in § 17 leg. cit. weder besondere Beschlusserfordernisse für die Abberufung des Geschäftsführers noch diesbezügliche Verfahrensrechte für den Funktionsinhaber normiert.

Ebenso wenig lässt sich - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - dem Gesetz die Notwendigkeit des Vorliegens bestimmter (allenfalls schwerwiegender) Gründe für eine Abberufung des Geschäftsführers entnehmen.

Anders als im dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 2007, Zl. KI-1/07, zugrunde liegenden Fall normiert das Tiroler Tourismusgesetz 2006 selbst keinen Entgeltanspruch. Vielmehr ist die Regelung dieser Ansprüche gemäß § 17 leg. cit. einem - gesondert abzuschließenden - Dienstvertrag vorbehalten. Von der Beendigung der Organfunktion zu unterscheiden ist die Auflösung dieses vertraglichen (privatrechtlichen) Dienstverhältnisses, welches getrennt von der Organfunktion besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 2010, Zl. 2010/06/0180). Auch wenn - so das Vorbringen des Beschwerdeführers - im Geschäftsführerbestellungsbeschluss bereits auf den Entgeltanspruch verwiesen worden sein mag, stellt der Entgeltanspruch keine unmittelbare Folge der Bestellung dar, sondern gründet ausschließlich auf das privatrechtlich ausgestaltete Vertragsverhältnis, weshalb die Abberufung des Geschäftsführers von seiner Organfunktion dessen Ansprüche aus dem Dienstverhältnis nicht berührt.

3.4.3. Unter Heranziehung der unter Punkt 3.4.1. dargestellten Grundsätze gewähren die hier relevanten-öffentlichrechtlichen Bestimmungen dem Geschäftsführer im Zusammenhang mit der Organfunktion kein subjektives Recht, sodass die Möglichkeit einer die Beschwerdelegitimation im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG begründenden Rechtsverletzung nicht besteht. Vor diesem rechtlichen Hintergrund finden sich ferner keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vorstand des belangten Verbandes hier eine Entscheidung im Rahmen der Hoheitsverwaltung getroffen hätte. Die Auffassung des Beschwerdeführers, seine Abberufung sei als öffentlich-rechtlicher Akt anzusehen und der angefochtene Vorstandsbeschluss stelle einen Bescheid dar, ist daher nicht zutreffend.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen mangelnder Berechtigung zu ihrer Erhebung durch einen nach § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a VwGG gebildeten Senat in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Der gemäß den §§ 47 ff VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gebührende Schriftsatzaufwand steht nur einmal zu, wobei der Pauschalbetrag auch die Umsatzsteuer enthält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 2008, Zl. 2005/12/0068).

Wien, am 17. Juni 2014

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