VwGH 2012/04/0092

VwGH2012/04/009218.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, in der Beschwerdesache 1. des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und 2. der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier, beide in Wien, beide vertreten durch die Freimüller/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1080 Wien, Alser Straße 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 21. Mai 2012, Zl. BMWFJ-38.500/0156-I/3/2011, betreffend aufsichtsbehördliches Verfahren gemäß § 137 WKG, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art135 Abs4;
B-VG Art7 Abs1;
B-VG Art89 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
WKG 1998 §137 Abs3;
WKG 1998 §137;
WKG 1998 §138 Abs1;
WKG 1998 §138 Abs2;
WKG 1998 §138;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art135 Abs4;
B-VG Art7 Abs1;
B-VG Art89 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
WKG 1998 §137 Abs3;
WKG 1998 §137;
WKG 1998 §138 Abs1;
WKG 1998 §138 Abs2;
WKG 1998 §138;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 21. Mai 2012 wurde ein mittels Aufsichtsbeschwerde nach § 137 Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG) erhobener Antrag der beschwerdeführenden Parteien vom 25. September 2009, das Wirtschaftskammermitglied A. Druckerei GmbH möge der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer Niederösterreich und innerhalb dieser dem Fachverband der papierverarbeitenden Industrie zugeordnet werden, als unbegründet abgewiesen.

2. Dagegen richtet sich die am 10. Juli 2012 eingebrachte Beschwerde, welche sich zur Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Parteien auf § 138 WKG stützte und dazu weiters vorbrachte, die beschwerdeführenden Parteien seien kollektivvertragliche Körperschaften der Arbeitnehmer. Da die

A. Druckerei GmbH zu Unrecht der Sparte Gewerbe und Handwerk der Wirtschaftskammer Niederösterreich und nicht der Sparte Industrie der Wirtschaftskammer Niederösterreich zugeordnet worden sei, komme es wegen des anzuwendenden Kollektivvertrages zu einer wesentlich ungünstigeren Entgeltgestaltung für die Arbeitnehmer dieses Unternehmens.

Aufgrund eines hg. Verbesserungsauftrages teilten die beschwerdeführenden Parteien mit Schriftsatz vom 28. September 2012 ergänzend mit, die A. Druckerei GmbH beschäftige insgesamt 79 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und unterbreitete weiteres Vorbringen, weshalb den beschwerdeführenden Parteien dennoch das Recht auf Erhebung der gegenständlichen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zukomme.

3. Gemäß Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden, womit Rechtswidrigkeit von Bescheiden der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate behauptet wird.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG wird in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen auch in anderen als den in Art. 131 Abs. 1 B-VG angeführten Fällen Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit zulässig sind.

Das Wirtschaftskammergesetz 1998 - WKG, BGBl. I Nr. 103 idF BGBl. I Nr. 3/2012, hat auszugsweise den folgenden Wortlaut:

"Aufsichtsbehördliche Fachgruppenzuordnung

§ 137. (1) Erhebt eine in Betracht kommende kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer eine Aufsichtsbeschwerde in einer Arbeitnehmerinteressen berührenden Angelegenheit der Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes, ist ein paritätischer Ausschuss gemäß § 140 einzurichten. Dieser Ausschuss besteht aus vier Mitgliedern, wobei je zwei von der antragstellenden kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitnehmer und von der zuständigen Landeskammer nominiert werden. Den Vorsitz führt in abwechselnder Reihenfolge ein Vertreter der beiden Körperschaften.

(2) Kommt der Ausschuss gemäß Abs. 1 nicht innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung zu einer einvernehmlichen Regelung, ist ein solcher paritätischer Ausschuss bei der Bundeskammer einzurichten. Je zwei Mitglieder werden vom Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Bundeskammer nominiert.

(3) Kommt der Ausschuss gemäß Abs. 2 nicht innerhalb von weiteren drei Monaten zu einer einvernehmlichen Regelung oder wird die einvernehmliche Lösung nicht vollzogen, hat die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu entscheiden.

Parteistellung

§ 138. (1) Im aufsichtsbehördlichen Verfahren haben die nach diesem Bundesgesetz errichteten Organisationen der gewerblichen Wirtschaft einschließlich der Sparten und Fachvertretungen sowie die betroffenen Organe und Organwalter und das betroffene Mitglied Parteistellung sowie das Recht, gegen aufsichtsbehördliche Bescheide vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen.

(2) Sind in einem aufsichtsbehördlichen Verfahren über die Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes mit mehr als 250 Arbeitnehmern Arbeitnehmerinteressen berührt, gilt dies auch für die in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer."

4. Die vorliegende Beschwerde ist nicht zulässig:

4.1. Art. 131 Abs. 2 B-VG ermächtigt den Materiengesetzgeber (über die in Art. 131 Abs. 1 Z. 2 und 3 B-VG vorgesehenen Amtsbeschwerden hinaus) weitere Fälle von Beschwerden wegen objektiver Rechtsverletzung vorzusehen (Mayer, B-VG4, Anm. III zu Art. 131, mwN).

Von dieser Ermächtigung hat der Bundesgesetzgeber u.a. durch Normierung des § 138 Abs. 2 WKG, welcher (auch) die Befugnis von kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer zur Erhebung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof regelt, Gebrauch gemacht.

Nach dieser Bestimmung ist allerdings die vorliegende Beschwerde nicht zulässig, weil das von dem nach § 137 Abs. 3 WKG erlassenen angefochtenen Bescheid betroffene Kammermitglied nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien selbst nicht "mehr als 250 Arbeitnehmer" hat.

4.2. Soweit die beschwerdeführenden Parteien ausführen, die Zulässigkeit ihrer Beschwerde könne auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützt werden, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, wonach die Behauptung der Verletzung eines eigenen subjektiven Rechts im Sinn dieser Bestimmung die Prozesslegitimation nach dieser Bestimmung nur dann begründet, wenn eine solche Verletzung möglich ist. Ob das behauptete subjektive Recht des Beschwerdeführers überhaupt besteht, ist nach den maßgeblichen Vorschriften - hier nach den Bestimmungen des WKG - zu beurteilen. Mit der Parteibeschwerde kann nur eine eigene, gegen den Staat als Träger der Hoheitsgewalt gerichtete Interessensphäre geltend gemacht werden (vgl. die Judikaturnachweise bei Mayer, a.a.O., Anm. II.1. und II.2.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass den wiedergegebenen Bestimmungen des § 138 WKG Rechte der dort genannten Organisationen bzw. Körperschaften auf eine bestimmte inhaltliche Gestaltung der Entscheidung der Aufsichtsbehörde nicht zu entnehmen sind. Soweit die vorliegende Beschwerde Bezug auf Rechte der von den beschwerdeführenden Parteien vertretenen Arbeitnehmer nimmt, kann sie auch damit ein den beschwerdeführenden Parteien selbst zukommendes subjektives öffentliches Recht nicht darstellen, weil aus den diesen Arbeitnehmern zustehenden Rechten ein den beschwerdeführenden Parteien selbst zustehendes öffentliches Recht nicht abgeleitet werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom 15. September 1999, Zl. 99/04/0062).

4.3. Entgegen den im ergänzenden Schriftsatz vom 28. September 2012 unterbreiteten weiteren Ausführungen hegt der Verwaltungsgerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 138 WKG, sodass er sich auch nicht zu einem Antrag nach Art. 140 Abs. 1 B-VG veranlasst sieht (vgl. auch dazu den hg. Beschluss vom 15. September 1999).

Soweit die beschwerdeführenden Parteien in diesem Zusammenhang die unterschiedliche Reichweite der Parteistellung und des Rechtes zur Erhebung von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bei "Organisationen der gewerblichen Wirtschaft" nach § 138 Abs. 1 WKG einerseits und "kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer" nach § 138 Abs. 2 WKG andererseits als gleichheitswidrig problematisieren, sei ergänzend darauf hingewiesen, dass die hier interessierenden Bestimmungen des 5. Hauptstückes des WKG gerade die Aufsicht (nunmehr) des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend über die Wirtschaftskammern und deren Fachorganisationen - somit gerade über die gesetzlich eingerichteten "Organisationen der gewerblichen Wirtschaft" - betreffen.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, diesen Organisationen der gewerblichen Wirtschaft daher weiter reichende Rechte im aufsichtsbehördlichen Verfahren sowie zur Erhebung von Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof und an den Verfassungsgerichtshof einzuräumen als den kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer, erscheint daher dem Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Beurteilung nach Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 B-VG nicht als verfassungsrechtlich bedenklich.

5. Aus diesen Gründen war die Beschwerde wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 18. Oktober 2012

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