VwGH 99/04/0062

VwGH99/04/006215.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde 1. des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, 2. der Gewerkschaft der Privatangestellten und

3. der Gewerkschaft Bau-Holz, alle in Wien, alle vertreten durch Dr. G u.a., Rechtsanwälte in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 23. Februar 1999, Zlen. 1. 38.590/16-III/A/5/99,

2. 38.590/4-III/A/5/99, 3. 38.590/12-III/A/5/99,

4. 38.590/5-III/A/5/99, 5. 38.590/2-III/A/5/99 und 6. 38.590/13-III/A/5/99, betreffend Verfahren gemäß § 137 WKG, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WKG 1998 §137 Abs1;
WKG 1998 §138 Abs1;
WKG 1998 §138 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WKG 1998 §137 Abs1;
WKG 1998 §138 Abs1;
WKG 1998 §138 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Mit den im Kopf dieses Beschlusses genannten sechs Bescheiden des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 23. Februar 1999 wurden die in Ansehung der Fachgruppenzugehörigkeit namentlich genannter Kammermitglieder erhobenen Anträge des Erstbeschwerdeführers auf Wahrnehmung des Aufsichtsrechtes gemäß § 68 Abs. 1 bis 3 HKG vom 21. Oktober 1997 gemäß § 137 Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG) abgewiesen. Zur Begründung führte der Bundesminister in den - abgesehen von der namentlichen Bezeichnung des jeweils betroffenen Kammermitglieds - gleich lautenden Bescheiden aus, der Erstbeschwerdeführer habe die Einberufung eines paritätischen Ausschusses bei der zuständigen Landeskammer sowie die Herbeiführung einer einvernehmlichen Regelung innerhalb von drei Monaten dahingehend beantragt, dass der verfahrensgegenständliche Betrieb der Fachgruppe Industrie innerhalb der für ihn zuständigen Wirtschaftskammer zugeordnet werde. Da weder der bei der (Landes-) Wirtschaftskammer noch in der Folge bei der Wirtschaftskammer Österreich eingerichtete paritätische Ausschuss innerhalb der gesetzlichen Frist zu einer einvernehmlichen Regelung gekommen sei, sei zunächst auf der Grundlage des § 68 Abs. 3 HKG und mit Inkrafttreten des Wirtschaftskammergesetzes 1998 nunmehr gemäß dessen § 137 Abs. 3 der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten als Aufsichtsbehörde zur Entscheidung berufen. Dabei habe von den zur Wahrnehmung ihrer Beratungsaufgaben von den paritätischen Ausschüssen eingeholten und dort von den Vertretern des Beschwerdeführers unbestritten gelassenen Unternehmensdaten ausgegangen werden können, nach denen jedes der betroffenen Kammermitglieder weniger als 250 Arbeitnehmer beschäftige. Voraussetzung für eine aufsichtsbehördliche Entscheidung sei gemäß § 137 WKG eine Aufsichtsbeschwerde in einer Arbeitnehmerinteressen berührenden Angelegenheit der Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes durch eine in Betracht kommende kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer. Da dem Erstbeschwerdeführer eine derartige Qualifikation zukomme, sei noch zu prüfen gewesen, ob die Fachgruppenzugehörigkeit des von der Beschwerde betroffenen Kammermitgliedes die Interessen der in seinem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer berühre. Der Bundesminister habe daher ein (im Detail dargestelltes) Ermittlungsverfahren eingeleitet, auf Grund dessen er zum Ergebnis gekommen sei, da der Erstbeschwerdeführer trotz der rechtlich und faktisch vorhandenen Möglichkeiten und entsprechender Aufforderung keine konkreten Benachteiligungen von Arbeitnehmern innerhalb lang bemessener Frist habe bekannt geben können, sei von der Aufsichtsbehörde als erwiesen anzunehmen, dass derartige Benachteiligungen nicht vorlägen. Somit sei bereits die Voraussetzung für eine aufsichtsbehördliche Prüfung der vorgenommenen Zuordnung, nämlich das Vorliegen einer Benachteiligung von Arbeitnehmern, nicht gegeben, weswegen Erhebungen im Hinblick auf gewerbliche bzw. industrielle Ausrichtung der unternehmerischen Tätigkeit der betroffenen Kammermitglieder nicht zu pflegen gewesen seien.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, die der Verwaltungsgerichtshof zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden hat.

Die Beschwerdeführer bezeichnen in ihren inhaltlich gleich lautenden Beschwerden den jeweiligen Beschwerdepunkt wie folgt:

"Durch den angefochtenen Bescheid verletzte die Beschwerdegegnerin das sich aus § 68 Abs. 3 HKG BGBl. 182/1946 i. d.F. BGBl. 661/1994 und seit 01.01.1999 das sich aus §§ 137, 138 Abs. 2 WKG, BGBl. I 1998/103 für den Beschwerdeführer ergebende subjektive öffentliche Recht."

In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringen die Beschwerdeführer zunächst unter Hinweis auf die Entwicklungsgeschichte der Regelung des § 137 vor, es handle sich dabei (aus näher dargestellten Gründen) trotz der gegenteiligen Bezeichnung im Gesetz tatsächlich nicht um ein "Aufsichtsverfahren". Im Weiteren führen die Beschwerdeführer aus, weshalb ihrer Meinung nach die belangte Behörde zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt sei, es lägen keine konkreten Benachteiligungen von Arbeitnehmern vor. Sie fahren sodann fort, die einzige Sachverhaltsfeststellung, die jeweils in den angefochtenen Bescheiden getroffen werde, sei jene, dass das Unternehmen des (jeweiligen) Kammermitgliedes unter 250 Arbeitnehmer aufweise. Auf welchen Zeitpunkt sich diese Anzahl beziehe, bleibe offen. Dieses Ermittlungsverfahren sei unter Verletzung des Parteiengehörs durchgeführt worden, denn es sei dem "Beschwerdegegner" sein Ergebnis nicht zur Kenntnis gebracht worden. Er habe daher keine Möglichkeit gehabt, hiezu Stellung zu nehmen oder geeignete Anträge zu dessen Unrichtigkeit zu stellen. Es handle sich hierbei um einen verfahrensrelevanten Umstand, der für die Möglichkeit der Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof entscheidend sei. Unter dem Gesichtspunkt verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Bestimmungen der §§ 137 und 138 WKG bringen sie vor, diesen Regelungen läge die Absicht zugrunde, die Arbeitnehmer vor Nachteilen auf Grund unrichtiger Kollektivvertragsanwendung zu schützen. Dieser gesetzgeberische Zweck sei durch die Gesetzesnovelle grundlegend verfehlt worden, sodass sich die Regelung in mehrfacher Hinsicht als sachwidrig erweise. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass bei Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmern deren kollektivvertragliche Interessenvertretung die in Rede stehenden Rechte gegenüber der Aufsichtsbehörde wahrnehmen könne. Nur in diesem Fall könne der Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Verwaltungsgerichtshofbeschwerde angefochten werden. Diese Einschränkung verstoße gegen Art. 129 und Art. 131 B-VG, denn grundsätzlich sei der Verwaltungsgerichtshof zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufen. Hiezu gehöre insbesondere das Recht, den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Bescheides einer Verwaltungsbehörde anzurufen. Die Konstruktion des § 138 WKG habe offenbar Art. 131 Abs. 2 B-VG zum Vorbild, wonach der einfache Gesetzgeber ermächtigt werde, Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof vorzusehen. Diese Regelung gehe davon aus, dass jeweils dem zuständigen Bundesminister untergeordnete Behörden grundsätzlich kein subjektiv-öffentliches Recht besäßen, sie betreffende Bescheide im aufsichtsbehördlichen Verfahren zu bekämpfen. Diese Rechtslage könne aber nicht einfach auf die Kollektivvertragskörperschaft der Arbeitnehmer, die keine durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten zu beaufsichtigende Behörde sei, umgelegt werden. "Der Beschwerdeführer" sei auch keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die durch Gesetz eingerichtet sei. Der Erstbeschwerdeführer habe daher nicht die Stellung einer formalen Partei. Seine Rechtsfähigkeit könne durch den Gesetzgeber nicht abweichend von anderen Rechtspersonen des Privatrechtes geregelt werden. Es handle sich um eine juristische Person des Privatrechtes, der grundsätzlich das Recht der Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zustehe. Die der Kollektivvertragskörperschaft eingeräumte Parteistellung und der damit verbundene öffentlich-rechtliche Anspruch auf eine rechtsrichtige Entscheidung über die Fachgruppenzugehörigkeit könne in Ansehung des sich daraus weiter ableitenden Rechtes auf Erhebung der Parteibeschwerde gemäß § 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nicht dadurch umgangen oder beschränkt werden, dass das vorangegangene Verwaltungsverfahren formell als aufsichtsbehördliches Verfahren konstruiert sei. Diese verfassungsrechtlich bedenkliche Norm des § 138 Abs. 2 WKG sei vorliegend anzuwenden, weil im Verwaltungsverfahren die Anzahl der Arbeitnehmer des Unternehmens des Kammermitgliedes festzustellen gewesen wäre und demnach zu beurteilen sei, ob dem Beschwerdeführer Parteistellung für eine Bescheidbeschwerde zukomme. Außerdem verfehle § 138 Abs. 2 WKG in Ansehung der betroffenen Arbeitnehmer sein Ziel, weil nur Arbeitnehmern in einem Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmern die Möglichkeit eingeräumt erhielten, über ihre Interessenvertretung die Anwendung des richtigen Kollektivvertrages durch einen Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof durchzusetzen. Die ausgeschlossenen Arbeitnehmer seien nicht nur gegenüber Arbeitnehmern in einem belegschaftsstärkeren Unternehmen benachteiligt, sondern auch gegenüber Arbeitnehmern eines ausländischen Unternehmens, das in Österreich keine Wirtschaftskammerzugehörigkeit besitze und gegenüber Arbeitnehmern eines Unternehmens, das keine Gewerbeberechtigung aufweise. In beiden Fällen hätten die betroffenen Arbeitnehmer unabhängig von einer Beschäftigtenanzahl oder einem aufsichtsbehördlichen Verfahren das Recht, mit Hilfe des Gerichtes jene Ansprüche durchzusetzen, die dem Kollektivvertrag entsprechen, der angesichts des ausgeübten Unternehmensgegenstandes anzuwenden sei. Hingegen seien die Arbeitnehmer eines der Wirtschaftskammer angehörigen Unternehmens der Entscheidung des Selbstverwaltungskörpers über die Fachgruppenzugehörigkeit weitgehend ausgeliefert. Es handle sich in Ansehung der Arbeitnehmer um eine sachwidrige und gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßende Gesetzesregelung. § 138 Abs. 2 WKG erweise sich überdies als sachwidrig und ungeeignet, das Vorhaben des Gesetzgebers zu erfüllen. Ein Unternehmen könne nämlich mehrere Betriebe und diese wieder mehrere Abteilungen aufweisen. Eine Bezugsgröße von mehr als 250 im Unternehmen tätigen Arbeitnehmern als Voraussetzung für den Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof bedeute aber, dass es nicht auf die von dem unrichtigen Kollektivvertrag betroffene Anzahl der Arbeitnehmer ankomme. Weise etwa ein Unternehmen zwei Betriebe auf, wovon einer nur fünf Arbeitnehmer beschäftige, die einer für diesen Betrieb von der Wirtschaftskammer unrichtig vorgenommenen Fachgruppenzuordnung unterlägen, könne die Kollektivvertragskörperschaft eine Bescheidbeschwerde erheben, wenn auf sämtliche anderen Arbeitnehmer der richtige Kollektivvertrag Anwendung finde. § 138 WKG weise daher eine in sich sachwidrige Regelung auf, indem der Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof nicht von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer abhängig gemacht werde, sondern von anderen Größen, die auf ein Zufallsergebnis hinausliefen. Die durch die Fachgruppenzugehörigkeit bedingte Anwendung eines bestimmten Kollektivvertrages und die sich daraus gemäß § 8 ArbVG für den Arbeitgeber und Arbeitnehmer ableitenden Kollektivvertragsansprüche seien den "civil rights" zuzuordnen. Es widerspreche den Anforderungen des Art. 6 MRK, wenn in dem gegenständlichen Verfahren dem Arbeitgeber ein volles Überprüfungsrecht mit Rechtszug an die Höchstgerichte eingeräumt werde, dem Arbeitnehmer oder dem auf betrieblicher Ebene seine Interessen vertretenden Betriebsrat hingegen keine solchen Rechte zustünden. Außerdem müsse die im § 137 Abs. 1 und § 138 WKG verwirklichte Möglichkeit der Übertragung von Privatrechten auf Kollektivvertragskörperschaften restriktiv gesehen werden. Im Grunde komme es dadurch nämlich zu einer Kollektivierung und in weiterer Folge gegen Art. 5 StGG verstoßenden Beschränkung dieser Rechte. Es bestünden zwar gegen eine Fortentwicklung der bereits vorhandenen Institutionen, wie Kollektivvertrag, Satzung, Mindestlohntarif, keine Bedenken, wohl aber gegen die Schaffung neuer solcher Rechtsinstrumente. Gerade vorliegend handle es sich bei § 137 und § 138 Abs. 2 WKG um eine atypische Neuentwicklung. Denn ohne Beachtung des Grundsatzes der Parität greife die Kollektivierung nur in die Rechtsstellung auf Seiten der Arbeitnehmer ein. §§ 137 und 138 WKG seien daher auch in der Rechtsbeziehung zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat oder/und Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichheitswidrig konstruiert, denn gerade im besonders schutzwürdigen Bereich der kollektivvertraglichen Mindestrechte gehe es nicht an, dass der anzuwendende Kollektivvertrag und sohin der Inhalt dieser Ansprüche ein von Arbeitnehmern hinzunehmendes Faktum darstelle, während der Arbeitgeber und seine Interessenvertretung darauf rechtlich abgesicherte Gestaltungsmöglichkeiten besäße. Die Verfassungswidrigkeit dieser Normen sei nicht danach zu beurteilen, ob und welchen Einfluss sie auf die Entscheidung der Aufsichtsbehörde habe. Entscheidend sei, ob die genannten Gesetzesbestimmungen Anwendung zu finden hätten. Die Überprüfungsmöglichkeit der richtigen Fachgruppenzugehörigkeit für die betroffenen Arbeitnehmer durch das Gesetz sei zu eng gefasst. Sie führe deshalb zu einer verfassungswidrigen Rechtslage, weil den Arbeitnehmern oder dem Betriebsrat kein Überprüfungsrecht eingeräumt worden sei und/oder die diesbezüglichen Verfahrensrechte für die Kollektivvertragskörperschaft der Arbeitnehmer von einer bestimmten Beschäftigtenanzahl des Unternehmens abhängig gemacht worden sei. Es werde daher angeregt, der Verwaltungsgerichtshof wolle gemäß § 140 Abs. 1 B-VG einen Antrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit an den Verfassungsgerichtshof stellen.

Die Beschwerden sind nicht zulässig.

Die §§ 137 und 138 des im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung hier anzuwendenden Wirtschaftskammergesetzes 1998 haben folgenden Wortlaut:

"§ 137. (1) Erhebt eine in Betracht kommende kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer eine Aufsichtsbeschwerde in einer Arbeitnehmerinteressen berührenden Angelegenheit der Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes, ist ein paritätischer Ausschuss gemäß § 140 einzurichten. Dieser Ausschuss besteht aus vier Mitgliedern, wobei je zwei von der antragstellenden kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitnehmer und von der zuständigen Landeskammer nominiert werden. Den Vorsitz führt in abwechselnder Reihenfolge ein Vertreter der beiden Körperschaften.

(2) Kommt der Ausschuss gemäß Abs. 1 nicht innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung zu einer einvernehmlichen Regelung, ist ein solcher paritätischer Ausschuss bei der Bundeskammer einzurichten. Je zwei Mitglieder werden vom Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Bundeskammern nominiert.

(3) Kommt der Ausschuss gemäß Abs. 2 nicht innerhalb von weiteren drei Monaten zu einer einvernehmlichen Regelung oder wird die einvernehmliche Lösung nicht vollzogen, hat die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu entscheiden.

§ 138. (1) Im aufsichtsbehördlichen Verfahren haben die nach diesem Bundesgesetz errichteten Organisationen der gewerblichen Wirtschaft einschließlich der Sektionen und Fachvertretungen sowie die betroffenen Organe und Organwalter und das betroffene Mitglied Parteistellung sowie das Recht gegen aufsichtsbehördliche Bescheide vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen.

(2) Sind in einem aufsichtsbehördlichen Verfahren über die Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes mit mehr als 250 Arbeitnehmern Arbeitnehmerinteressen berührt, gilt dies auch für die in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer. In diesen Fällen hat die Aufsichtsbehörde zu entscheiden."

Gemäß Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden, womit Rechtswidrigkeit von Bescheiden der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate behauptet wird.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle wird in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen auch in andern als den in Abs. 1 angeführten Fällen Beschwerden gegen die Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit zulässig sind.

Wie der Verwaltungsgerichtshof seit seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. N.F. Nr. 10511/A, in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren Parteistellung zustand oder nicht. Eine Beschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann daher nur unter Berufung auf eine eigene, gegen den Staat - als Träger der Hoheitsgewalt- gerichtete Interessensphäre des Beschwerdeführers erhoben werden.

Entgegen den in der Beschwerde enthaltenen Ausführungen über den Beschwerdepunkt, die allerdings außer der Nennung jener Gesetzesstellen, aus denen die Beschwerdeführer ein ihnen zustehendes subjektives-öffentliches Recht abzuleiten meinen, keine Ausführung über den Inhalt dieses subjektiven-öffentlichen Rechtes enthält, vermag der Verwaltungsgerichtshof aus den zitierten, oben wiedergegebenen Gesetzesstellen ein über das Recht der Parteistellung hinausgehendes Recht auf eine bestimmte inhaltliche Gestaltung der Entscheidung der Aufsichtsbehörde nicht zu entnehmen. Auch die Beschwerdegründe enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, welche konkreten subjektiven-öffentlichen Rechte die Beschwerdeführer bei Formulierung ihres Beschwerdepunktes im Auge hatten. Soweit die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde Bezug auf Rechte nehmen, die (von ihnen vertretenen) Arbeitnehmern zustünden, vermögen sie damit ein ihnen selbst zukommendes

subjektives öffentliches Recht schon deshalb nicht darzustellen, weil bei juristischen Personen und diesen gleichgestellten Personenverbindungen jedenfalls zwischen Rechten zu unterscheiden ist, die den einzelnen Mitgliedern dieser Personenverbindungen und solchen, die diesen selbst zustehen, zu unterscheiden ist. Aus den von den Beschwerdeführern vertretenen Arbeitnehmern zustehenden Rechten kann daher ein den Beschwerdeführern selbst zustehendes öffentliches Recht nicht abgeleitet werden.

Steht aber solcherart den Beschwerdeführern auch bei weitherzigster Interpretation der diesbezüglichen Ausführung in der Beschwerde das im Beschwerdepunkt als verletztes

subjektives öffentliches Recht bezeichnete Recht nicht zu, kann die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerden nicht auf die Bestimmung des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützt werden. Dieses Ergebnis ist unabhängig davon, ob das in den §§ 137 und 138 WKG geregelte Verfahren als aufsichtsbehördliches Verfahren verstanden wird. Es erübrigt sich daher auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde einzugehen.

Wie sich aus der oben wiedergegebenen Bestimmung des Art. 131 Abs. 2 B-VG ergibt, wären die Beschwerdeführer, da ihnen das Beschwerderecht nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nicht zusteht, zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen die angefochtenen Bescheide nur dann berechtigt, wenn im betreffenden Materiengesetz, im vorliegenden Fall also im Wirtschaftskammergesetz 1998, ein derartiges Recht ausdrücklich bestimmt wird.

Wie sich aus § 138 Abs. 2 WKG ergibt, ist in Fällen wie den vorliegenden die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitnehmer u. a. davon abhängig, dass das zugrundeliegende Verwaltungsverfahren ein Kammermitglied mit mehr als 250 Arbeitnehmern betrifft. Dass dies in den vorliegenden Fällen nicht zutrifft, hat die belangte Behörde ausdrücklich festgestellt. Die Beschwerdeführer brachten in ihren Beschwerden gegen diese Feststellung zwar vor, sie sei auf Grund eines wegen Verletzung des Parteiengehörs mangelhaften Ermittlungsverfahrens zustandegekommen. Die inhaltliche Richtigkeit dieser Feststellung wird in der Beschwerde aber nicht bekämpft. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher gegen die Richtigkeit dieser Feststellung keine Bedenken und legt sie deshalb auch seiner Entscheidung zugrunde.

Ist solcherart davon auszugehen, dass in keinem der mit den angefochtenen Bescheiden erledigten Verwaltungsverfahren ein Kammermitglied mit mehr als 250 Arbeitnehmern betroffen ist, so kommt nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des § 138 Abs. 2 WKG den Beschwerdeführern auch unter dem Gesichtspunkt des Art 131 Abs 2 B-VG gegen keinen der angefochtenen Bescheide das Recht zur Erhebung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof zu.

Die von den Beschwerdeführern aufgezeigten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung des § 138 Abs. 2 WKG vermag der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht teilen, weil Gegenstand des zugrundeliegenden Verwaltungsverfahrens die objektive Rechtmäßigkeit der Fachgruppenzugehörigkeit eines Mitgliedes der Wirtschaftskammer ist. Subjektiv-öffentliche Rechte der kollektivvertragsfähigen Körperschaften bzw. der Arbeitnehmer werden - wie bereits ausgeführt - nicht berührt, mag auch die Fachgruppenzugehörigkeit Rückwirkungen auf die Interessen der bei diesen Kammermitgliedern beschäftigten Arbeitnehmer haben. Wenn in dieser Situation der Gesetzgeber die verwaltungsgerichtliche Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit aufsichtsbehördlicher Bescheide im Wege der Amtsbeschwerde nach Art 131 Abs. 2 B-VG für die Beschwerdeführer an besondere Voraussetzungen wie hier an jene des § 138 Abs 2 WKG bindet, so ist das unter Sachlichkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Der VwGH vermag daher die Auffassung der Beschwerdeführer, die Regelung des § 138 Abs 2 verstoße gegen das verfassungsgesetzliche Gebot der Gleichbehandlung, nicht zu teilen. Er sieht sich daher auch nicht veranlasst, der Anregung der Beschwerde zu folgen und einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof nach Art. 140 Abs. 1 B-VG zu stellen.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 15. September 1999

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