VwGH 2013/22/0006

VwGH2013/22/000617.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der K, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 28. November 2012, Zl. 162.955/2-III/4/12, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
AVG §68 Abs1;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, reiste im August 2007 illegal nach Österreich ein und stellte kurz darauf einen Asylantrag. Mit im Instanzenzug ergangenem, im Dezember 2011 in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes wurde dieser Antrag abgewiesen. Unter einem wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 des Asylgesetzes 2005 nach Nigeria ausgewiesen.

Am 18. April 2012 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG). Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. Juli 2012 in erster Instanz als unzulässig zurückgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. November 2012 wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung ab. In ihrer Begründung verwies sie auf die Regelung des § 44b Abs. 1 NAG, der zufolge Anträge gemäß § 41a Abs. 9 NAG als unzulässig zurückzuweisen seien, wenn (u.a.) gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen worden sei und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkomme.

Die belangte Behörde hielt zunächst fest, dass gegen die Beschwerdeführerin eine rechtskräftige Ausweisung erlassen worden sei. Weiters verwies sie auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der erstinstanzlichen Behörde, wonach sie eine Patenschaftserklärung, Unterstützungserklärungen und ein Sprachzertifikat Deutsch (Niveau A2) vorgelegt habe und daher "sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus' vorliegen würden".

Da diesem Vorbringen - so die belangte Behörde weiter - ein maßgeblich geänderter Sachverhalt seit der rechtskräftigen Erlassung der Ausweisung bis zur Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde nicht entnommen werden könne, sei der Antrag der Beschwerdeführerin zu Recht zurückgewiesen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des NAG Bezug genommen, so handelt es sich dabei - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 29. November 2012 - um die Fassung BGBl. I Nr. 50/2012.

§ 41a Abs. 9 und § 44b Abs. 1 NAG (samt Überschrift) lauten auszugsweise:

"Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus'

§ 41a. …

(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus' zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt,

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

3. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausübt."

"§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 vor, sind

Anträge gemäß §§ 41a Abs. 9 oder 43 Abs. 3 als unzulässig

zurückzuweisen, wenn

1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung

rechtskräftig erlassen wurde, oder

2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine

Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß

§ 66 FPG jeweils auf Grund des § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß

§ 10 AsylG 2005 bloß vorübergehend unzulässig ist, oder

3. die Landespolizeidirektion nach einer Befassung

gemäß Abs. 2 in ihrer Beurteilung festgestellt hat, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig oder jeweils auf Grund des § 61 FPG bloß vorübergehend unzulässig ist,

und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt."

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, es läge kein maßgeblich geänderter Sachverhalt vor. Sie verweist diesbezüglich auf die von ihr vorgelegten Urkunden (Patenschaftserklärung, Unterstützungserklärungen sowie Sprachzertifikat Deutsch - Niveau A2), die im Asylverfahren noch nicht verfügbar gewesen seien. Diese Urkunden habe die belangte Behörde nicht erkennbar berücksichtigt. Die Beschwerde rügt diesbezüglich auch fehlende Ermittlungen bzw. eine antizipierende Beweiswürdigung. Weiters verweist die Beschwerdeführerin auf ihren Aufenthalt im Bundesgebiet seit August 2007, auf ihre Unbescholtenheit und darauf, dass sie - wie sich aus den vorgelegten Urkunden ergebe - sozial integriert und finanziell abgesichert sei. Die belangte Behörde habe dessen ungeachtet keine Interessenabwägung vorgenommen.

Die Feststellung des angefochtenen Bescheides, dass gegen die Beschwerdeführerin rechtskräftig eine Ausweisung erlassen wurde, blieb unbestritten. Somit wäre ihr Antrag nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt seit rechtkräftiger Erlassung der Ausweisung nicht hervorkommt.

Der Sache nach ist der Zurückweisungsgrund des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet. Die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, können daher auch für die Frage, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b Abs. 1 NAG vorliegt, herangezogen werden. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides (bezogen auf § 44b Abs. 1 NAG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen (vgl. zu all dem etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2012, Zl. 2012/22/0002).

Dass es sich beim Inlandsaufenthalt der Beschwerdeführerin seit August 2007 und bei ihrer Unbescholtenheit um Umstände handle, die bei Erlassung der Ausweisung noch nicht berücksichtigt worden wären, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Die Beschwerdeführerin hat aber - worauf die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch hingewiesen hat - im Verfahren vor der erstinstanzlichen Behörde neue Unterlagen (nämlich eine Patenschaftserklärung, Unterstützungserklärungen sowie ein Sprachzertifikat Deutsch - Niveau A2) vorgelegt. Zwar werden mit diesen Unterlagen Änderungen (im Vergleich zu dem der Ausweisung zugrunde gelegten Sachverhalt) dargetan. Allerdings kommt ihnen - angesichts der erst kurzen seit der Ausweisung vergangenen Zeit von etwas über einem halben Jahr und der bisherigen Gesamtdauer des Inlandsaufenthaltes der Beschwerdeführerin von etwas über fünf Jahren - kein derartiges Gewicht zu, dass die belangte Behörde fallbezogen davon hätte ausgehen müssen, die Änderungen würden zumindest potentiell eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK ermöglichen (siehe etwa zu Deutschkenntnissen und Unterstützungsschreiben das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2012, Zl. 2012/22/0202; zu einer Patenschaftserklärung das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2010/21/0073). Welche weiteren Erhebungen durchzuführen und welche Feststellungen zu treffen gewesen wären, wird in der Beschwerde nicht konkret dargelegt, weshalb es den behaupteten Verfahrensmängeln an der Relevanz fehlt.

Es ist sohin nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde davon ausging, ein maßgeblich geänderter Sachverhalt, der eine Neubeurteilung nach Art. 8 EMRK erfordert hätte, sei nicht vorgelegen.

Da die behauptete Rechtsverletzung somit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 17. April 2013

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