VwGH 2012/16/0136

VwGH2012/16/013629.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger, Mag. Dr. Köller, Dr. Thoma und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der A AG in W, vertreten durch die Anwaltssocietät Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner, 4020 Linz, Harrachstraße 6, Atrium City Center, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 11. Juli 2012, Zl. 100 Jv 3027/12g - 33a, BA 80/12, betreffend Gerichtsgebühren und Mutwillensstrafe, zu Recht erkannt:

Normen

GEG §7 Abs2;
GGG 1984 §20;
GGG 1984 TP2;
ZPO §40;
ZPO §64 Abs1 Z1;
ZPO §70;
GEG §7 Abs2;
GGG 1984 §20;
GGG 1984 TP2;
ZPO §40;
ZPO §64 Abs1 Z1;
ZPO §70;

 

Spruch:

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchunkt 1. (Bekämpfung des Berichtigungsantrages) als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. (Verhängung einer Mutwillensstrafe von EUR 200,--) wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin erwirkte als Klägerin in einem beim BG Fünfhaus anhängigen Zivilverfahren gegen die dort Zweitbeklagte ein Versäumungsurteil.

Zur Erhebung einer Berufung gegen dieses Versäumungsurteil wurde der Zweitbeklagten die Verfahrenshilfe, unter anderem die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Gerichtsgebühren und die Beigebung eines Rechtsanwaltes, bewilligt. Der dann gegen das Versäumungsurteil erhobenen Berufung der Zweitbeklagten hat das Landesgericht für ZRS Wien Folge gegeben, das angefochtene Versäumungsurteil aufgehoben, die Rechtsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen und unter Verweis auf § 51 Abs. 1 ZPO die Beschwerdeführerin als klagende Partei schuldig erkannt, der (zweit)beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 812,11 (darin enthalten EUR 135,35 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen. Gerichtsgebühren hat die Zweitbeklagte in der Berufung nicht verzeichnet.

Mit Zahlungsauftrag vom 30. März 2012 wurden der Beschwerdeführerin Gerichtsgebühren in der Höhe von EUR 467,-- als "sonstige Vorschreibung TP 2 GGG iVm § 20 GGG" und eine Einhebungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 GEG von EUR 8,-- zur Zahlung vorgeschrieben.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin einen Berichtigungsantrag mit der Begründung, die Zweitbeklagte habe in der Berufung im Kostenverzeichnis einen Ersatz der Pauschalgebühr nicht beansprucht. Es sei daher der zweite Satz des § 70 ZPO zu beachten, wonach das Gericht auch dann, wenn die Partei zwar obsiege, aber keinen Kostenersatz beanspruche, darüber zu entscheiden habe, ob und inwieweit der Gegner zum Ersatz der im § 64 Abs. 1 Z 1 und Z 5 ZPO genannten Beträge verpflichtet sei. Eine solche Entscheidung liege nicht vor. Sie könne auch nicht nachgeholt werden, weil darüber abschließend in der Berufungsentscheidung entschieden worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag keine Folge gegeben (Spruchunkt 1.) und über die Beschwerdeführerin eine Mutwillensstrafe von EUR 200,-- verhängt (Spruchunkt 2.).

In der Begründung wird der Verfahrensablauf geschildert und nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtslage ausgeführt, der Berufungsentscheidung sei zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen habe. Es liege also die von der Beschwerdeführerin vermisste Kostenentscheidung vor. Die Berufungswerberin habe zu Recht die Pauschalgebühr nicht in ihrer Kostennote verzeichnet, weil sie von ihr wegen der ihr bewilligten Verfahrenshilfe auch nicht getragen worden sei. Da der Berichtigungsantrag trotz der eindeutigen Sach- und Rechtslage erhoben worden sei, sei eine Mutwillensstrafe zu verhängen, die auf Grund der leichten Erkennbarkeit der Sach- und Rechtslage mit der Hälfte des Höchstbetrages auszumessen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verfahrensakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu I.:

Die Beschwerdeführerin hält auch in ihrer Beschwerde die Rechtsansicht aufrecht, eine Entscheidung über den Ersatz der Gerichtsgebühren sei vom Berufungsgericht nicht gefällt worden, weshalb ihr gemäß § 70 zweiter Satz ZPO die Gebühren für die Berufung nach TP 2 nicht hätten auferlegt werden dürfen.

Gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO kann die Verfahrenshilfe die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren umfassen.

Gemäß § 20 GGG ist in den Fällen des § 70 ZPO sowie bei persönlicher Gebührenfreiheit aus anderen Gründen (§ 10) der Gegner zur Zahlung der Gerichtsgebühren, die die gebührenbefreite Partei zu entrichten gehabt hätte, verpflichtet, soweit ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind oder soweit er die Kosten durch Vergleich übernommen hat. Im Zweifel ist die Hälfte der Gebühr einzuheben.

Nach § 70 ZPO sind die im § 64 Abs. 1 Z 1 ZPO genannten Beträge, von deren Bestreitung die Partei einstweilen befreit ist, unmittelbar beim Gegner einzuheben, soweit diesem die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind oder er sie in einem Vergleich übernommen hat. Das Gericht hat auch dann, wenn die Partei zwar obsiegt, aber keinen Kostenersatz beansprucht, darüber zu entscheiden ob und wie weit der Gegner zum Ersatz der im § 64 Abs. 1 Z 1 ZPO genannten Beträge verpflichtet ist. Ist der Gegner der Partei zum Kostenersatz verpflichtet, so ist bei der Kostenfestsetzung so vorzugehen, als wäre der Rechtsanwalt der Partei nicht vorläufig unentgeltlich beigegeben worden.

Schon aus dem Wortlaut von § 70 zweiter Satz ZPO ergibt sich, dass die dort genannte Kostenentscheidung nur für jenen Fall vorgeschrieben ist, in dem die obsiegende und gebührenbefreite Partei überhaupt keinen Kostenersatz beansprucht. Die Bestimmung ist nicht auf das Fehlen einer Antragstellung hinsichtlich der Gerichtsgebühren eingeschränkt.

Nach der Rechtsprechung stellt § 20 GGG - abgesehen vom Fall der Übernahme von Kosten durch Vergleich - ebenso wie § 70 erster Satz ZPO darauf ab, wie weit dem Gegner der von der Zahlung der Gerichtsgebühren befreiten Partei "die Kosten des Rechtsstreites auferlegt sind". Eine Auferlegung von Kosten des Rechtsstreites erfolgt im Rahmen der Kostenentscheidung des Gerichts nach den §§ 40 ff ZPO oder durch einen Abspruch nach § 70 zweiter Satz ZPO. Hat das Gericht weder über den Kostenersatzanspruch der gebührenbefreiten Partei noch über die Verpflichtung des gebührenpflichtigen Gegners zum Ersatz der im § 64 Abs. 1 Z 1 ZPO genannten Beträge nach § 70 zweiter Satz ZPO abgesprochen und hat dieser auch in einem Vergleich Kosten nicht übernommen, dann findet § 20 GGG keine Anwendung (vgl. das Erkenntnis vom 27. Jänner 2005, Zl. 2004/16/0207).

Im vorliegenden Fall liegt ein Ausspruch des Berufungsgerichtes vor, in dem der Beschwerdeführerin die Kosten des (Berufungs-)Rechtsstreits auferlegt worden sind, somit eine Kostenentscheidung des Gerichts nach den §§ 40 ff ZPO. Da die Zweitbeklagte im Berufungsverfahren auf Grund der bewilligten Verfahrenshilfe von den Gerichtsgebühren befreit war, hat sie folgerichtig im Kostenverzeichnis auch nicht den Ersatz der Gerichtsgebühr nach TP 2 GGG beantragt. Eines Ausspruches gemäß § 70 zweiter Satz ZPO nur für die Gerichtsgebühren - so aber das zentrale Beschwerdevorbringen - bedarf es bei einer Kostenentscheidung nach § 70 erster Satz ZPO nicht.

Die unmittelbare gesetzliche Folge der Auferlegung der Kosten des Rechtsstreits ist gemäß § 20 GGG bzw. § 70 ZPO die Verpflichtung des Gegners der gebührenbefreiten Partei zur Entrichtung der Gerichtsgebühren.

Die Beschwerde erweist sich daher in diesem Punkt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Zu II.:

Gemäß § 7 Abs. 2 GEG kann der über einen Berichtigungsantrag entscheidende Präsident des Gerichtshofes gegen den Zahlungspflichtigen eine Mutwillensstrafe bis zu EUR 400,-- verhängen, wenn der Berichtigungsantrag offenbar mutwillig erhoben wurde.

Nach der Rechtsprechung soll die Bestimmung des § 7 Abs. 2 GEG die bestmögliche Gewähr dafür bieten, dass die Präsidenten der Gerichtshöfe nicht mit rechtlich von Vornherein aussichtslosen - unter Umständen und zum Zwecke des Hinausschiebens der Zahlungspflicht eingebrachten - Berichtigungsanträgen in Anspruch genommen werden und dass dem Bund nicht aus auf diese Weise verzögerten Gebührenzahlungen ein finanzieller Nachteil entsteht. Die Mutwillensstrafe für solche Gebührenschuldner, die einen - auch für sie selbst - offensichtlich aussichtslosen Berichtigungsantrag einbringen, wurde durch den Gesetzgeber als das zur Erreichung dieses Zieles geeignete Instrument angesehen, weil diese Maßnahme nur den unredlich Rekurrierenden trifft und von ihr dennoch der gewünschte Steuerungseffekt zu erwarten ist. Legt das Vorbringen der Beschwerdeführerin nahe, sie würde - unabhängig vom Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - routinemäßig Anträge auf Gebührenbefreiung stellen und allenfalls Berichtigungsanträge einbringen, so ist in einem jeglichem Verzicht auf die Vornahme einer eigenen Prüfung betreffend das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine mutwillige Inanspruchnahme der Tätigkeit der Gerichte zu erblicken (vgl. in einem Fall, in dem eine Bausparkasse als Beschwerdeführerin anführte, sie wäre ihren Darlehensnehmern gegenüber jedenfalls zur Ausschöpfung des Instanzenzuges verpflichtet, das Erkenntnis vom 18. Oktober 2005, Zl. 2003/16/0499, auch unter Bezug auf die entsprechenden Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 759 BlgNR 21. GP 35 f).

In der Beschwerde vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, die Rechtsfrage sei nicht dermaßen eindeutig zu beantworten, dass die Verhängung einer Mutwillensstrafe gerechtfertigt wäre. Sie vertrete nach wie vor die Meinung in der Hauptsache, dass im Sinne des § 70 zweiter Satz ZPO für die Heranziehung zur Gebührenzahlung jedenfalls auch darüber zu entscheiden gewesen wäre, dass der Gegner zum Ersatz auch der Gerichtsgebühren zu verpflichten sei.

Der Ansicht der Beschwerdeführerin, dass die von ihr vertretene Rechtsansicht nicht in einem Maße unvertretbar ist, dass es einer Mutwilligkeit gleichkommt, deswegen ein Rechtsmittel zu erheben, ist begründet.

Zwar unterscheidet § 70 ZPO schon nach seinem Wortlaut klar zwischen dem Fall, dass die Kosten des Rechtsstreits mit Beschluss auferlegt wurden, was voraussetzt, dass Kostenersatz beansprucht wurde (Satz eins) und andererseits, dass eben keine Kosten beansprucht und zugesprochen wurden (Satz zwei). Im Beschwerdefall hat die Zweitbeklagte Kostenersatz beansprucht, sie hat obsiegt und der Beschwerdeführerin sind die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden. Es liegt demnach im Sinne des zu Punkt I. Gesagten ein Fall des § 70 Satz eins ZPO bzw. des § 20 GGG vor. Es kann der Beschwerdeführerin trotzdem nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie § 70 Satz zwei ZPO dahin verstanden hat, dass jedenfalls - auch - über den Ersatz der Gerichtsgebühren zu entscheiden ist, um sie vom Gegner der gebührenbefreiten Partei einzuheben. Eine wie im zitierten Erkenntnis vom 18. Oktober 2005 an den Tag gelegte Haltung des Verzichtes auf eine eigene Prüfung der Rechtslage bzw. eine Verpflichtung Dritten gegenüber zur Erhebung eines Berichtigungsantrages hat sich im Beschwerdefall nicht gezeigt.

In diesem Sinne erweist sich der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt II. als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 29. April 2013

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