VwGH 2012/12/0045

VwGH2012/12/004528.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Hinterwirth und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der Mag. H E in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 2. Februar 2012, Zl. 140.437/2-I/1/12, betreffend Versagung von Sonderurlaub nach § 74 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
BDG 1979 §64;
BDG 1979 §74;
DVG 1984 §8 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §37;
BDG 1979 §64;
BDG 1979 §74;
DVG 1984 §8 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Revierinspektorin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und an der Polizeiinspektion S in Verwendung. Seit Februar 2007 absolvierte sie das Studium der Rechtswissenschaften an der Johannes Kepler Universität in Linz.

In ihrer Eingabe vom 18. Februar 2010 ersuchte sie um Gewährung eines Sonderurlaubs für den 5. März 2010, weil sie an diesem Tag zur Fachprüfung Europarecht antreten werde. Mit Dienstrechtsmandat vom 28. Mai 2010 versagte das Landespolizeikommando Vorarlberg die Gewährung des beantragten Sonderurlaubes "aus zwingenden dienstlichen Erfordernissen", die sich im Wesentlichen aus der Personalsituation auf der Polizeiinspektion S und den "neuen Richtlinien zur Gewährung von Sonderurlaub" ergäben, wogegen die Beschwerdeführerin Vorstellung erhob.

Zur Darstellung des diesen Antrag betreffenden weiteren Verfahrens wird in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das in dieser Sache ergangene hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/12/0029, verwiesen.

In einer weiteren Eingabe vom 9. Juni 2010 ersuchte die Beschwerdeführerin um Gewährung von Sonderurlaub für den 6. Juli 2010, weil sie an diesem Tag zur mündlichen Fachprüfung aus Verwaltungsrecht antreten werde.

Mit Dienstrechtsmandat vom 9. Juli 2010 versagte das Landespolizeikommando Vorarlberg als Dienstbehörde erster Instanz den beantragten Sonderurlaub "im Rahmen der Ermessensentscheidung", wogegen die Beschwerdeführerin Vorstellung erhob.

In einer "Urlaubsmeldung" vom 25. Juni 2010 ersuchte die Beschwerdeführerin um Erholungsurlaub für den 6. Juli 2010. Die formularmäßige, von der Beschwerdeführerin unterfertigte Urlaubsanmeldung weist an ihrem Ende die handschriftliche Ergänzung "statt Sonderurlaub" mit einer unleserlichen Paraphe auf. Der "Dienstplan" der Polizeiinspektion S weist für die Beschwerdeführerin für den besagten Tag die Eintragung von Erholungsurlaub auf.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2010 gab die Dienstbehörde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 19. Juni 2010 auf Gewährung von einem Tag Sonderurlaub nicht statt. Die Ermittlungen hätten - so die Begründung dieses Bescheides - folgendes ergeben:

"Die Ermittlungen haben Folgendes ergeben:

Laut Dienstzeitmanagement 2005 (DiMa 2005) ist für jeden Bediensteten, der dem Wechsel­ oder Gruppendienstplan unterliegt, ein Monatsdienstplan zu erstellen, der bis jeweils 4 Tage vor dem Ende des Vormonates für die Bediensteten einsehbar auf der Dienststelle aufzulegen ist.

Am 25.6.2010 beantragten Sie mit der Urlaubsmeldung, gleiches Datum, 8 Stunden Urlaub für den 6.7.2010. in Ihrem Dienstplan für Juli 2010 waren für den 6.7.2010 daher 8 Stunden Urlaub eingeplant. Die Urlaubsmeldung wurde am 25.6.2010 vom Kommandanten der zuständigen Polizeiinspektion S zur Kenntnis genommen und am 29.6.2010 vom Bezirkskommando B genehmigt. Die Entscheidung über den beantragten Sonderurlaub für den 6.7.2010 konnte von der Dienstbehörde zum gegenständlichen Zeitpunkt noch nicht getroffen worden sein, da der diesbezügliche Antrag vom Bezirkspolizeikommando B dem Landespolizeikommando Vorarlberg zur Entscheidung vorgelegt wurde und erst am 30.6.2010 ho eingelangt ist. Die Vorlage und die Genehmigung des Urlaubsantrages bewirkte, dass Sie am 6.7.2010 keiner Dienstverpflichtung (Erholungsurlaub) nachzukommen hatten. Somit sind nicht alle Voraussetzungen (Dienstleistungspflicht) für die Gewährung eines Sonderurlaubes mehr gegeben. Der beantragte Sonderurlaub kann daher nicht genehmigt werden.

Ergänzend und als weiterer Sachverhalt wird festgestellt, dass bei einer Entscheidung im Ermessensbereich die Behörde eine Abwägung der Für und Wider die Gewährung des Sonderurlaubes sprechenden (privaten und öffentlichen) Interessen vorzunehmen und diese in nachvollziehbarer Weise zu begründen hat.

Ihre privaten Interessen liegen in einem positiven und raschen Abschluss des Studiums. Weiters ist es legitim die Unterstützung des Dienstgebers durch Diensterleichterungen und zur Verfügungsstellung von Dienststunden zu erwarten.

Die öffentlichen Interessen sind im Wesentlichen

  1. 1. ein Antrag des Beamten auf Gewährung von Sonderurlaub,
  2. 2. das Vorliegen eines wichtigen persönlichen oder familiären Grundes oder eines sonstigen besonderen Anlasses,
  3. 3. Nichtentgegenstehen zwingender dienstlicher Interessen,
  4. 4. kein Übersteigen der dem Anlass angemessenen Dauer und
  5. 5. keine sonstigen gesetzlichen Hindernisse wie zum

    Beispiel die fehlende Verpflichtung zur Dienstleistung für diesen Zeitraum (z.B. wegen Erholungsurlaubes, angeordneten Zeitausgleichs etc.).

    Ist auch nur eine der genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, ist Sonderurlaub nicht zu gewähren. Die Entscheidung über die Gewährung des Sonderurlaubes und bejahendenfalls über seine Dauer liegt daher erst dann im Ermessen der Dienstbehörde, wenn alle sogenannten Einstiegsvoraussetzungen vorliegen ...

    Bei einer solchen Ermessensübung ist dann nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ganz allgemein mit Rücksicht auf den Ausnahmecharakter des Sonderurlaubes ein strenger Maßstab anzulegen, weil andernfalls allzu leicht eine gleichheitswidrige Begünstigung einzelner Beamter eintreten könnte

    ...

    Abgesehen von dieser 'allgemeinen' Ermessensrichtlinie hat sich die Entscheidung über die Gewährung und die Dauer des Sonderurlaubes (im Rahmen der durch § 74 Abs. 3 BDG 1979 vorgegebenen objektiven Obergrenze) von einer Abwägung aller im Einzelfall relevanten öffentlichen (insbesondere dienstlichen) und privaten Interessen leiten zu lassen ...

    Liegt einer der in § 74 Abs. 1 BDG 1979 umschriebenen Anlassfälle vor, so setzt eine negative Ermessensentscheidung voraus, dass der Gewährung des Sonderurlaubes entsprechend gewichtige öffentliche (insbesondere dienstliche) Interessen entgegen stehen, mögen diese dienstlichen Erfordernisse auch nicht zwingend sein.

    Die entsprechenden dienstlichen Interessen sind in der Ermessensentscheidung entsprechend konkretisiert darzustellen. Bei der Beurteilung der Frage, welches Gewicht den für die Gewährung des Sonderurlaubes aus einem wichtigen persönlichen oder familiären Grund oder aus einem sonstigen besonderen Anlass sprechenden Gründen gegenüber entgegen stehenden dienstlichen Interessen zukommt, sind auch für die Gewährung des Sonderurlaubes sprechende öffentliche Interessen von Belang …

    In Ihrem Fall ist nun aber bereits strittig, ob alle der oben genannten Einstiegsvoraussetzungen des § 74 BDG gegeben sind. Die Behörde stützt sich bei der Begründung der Ablehnung des von Ihnen aus wichtigen persönlichen Gründen beantragten Sonderurlaubes auch auf das gesetzliche Hindernis einer fehlenden Verpflichtung zur Dienstleistung am 06.07.2010 (Erholungsurlaub).

    Unbestritten ist, dass Sie am 19.06.2010 einen Antrag auf Sonderurlaub für den 06.07.2010 gestellt haben. Dieser langte am 30.06.2010 beim zur Entscheidung zuständigen Landespolizeikommando ein.

    Weiters ist unbestritten, dass Sie am 25.06.2010 einen Antrag auf Erholungsurlaub, ebenfalls für den 06.07.2010 stellten, der am 29.06.2010 vom zuständigen Bezirkspolizeikommando genehmigt und im Dienstplan eingetragen wurde.

    Die weitere - und bisher von Ihnen unbestritten durchaus auch in Anspruch genommene - Möglichkeit, vor der endgültigen Erstellung des Dienstplanes und vor einer Genehmigung des Sonderurlaubes statt um Erholungsurlaub um eine entsprechende Dienstplanänderung im Sinne einer 'Freiplanung' für den Prüfungstermin zu ersuchen, wurde in diesem Fall von Ihnen nicht weiter verfolgt.

    Ihrem Argument, Sie hätten diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen, da die Vergangenheit gezeigt habe, dass Sie sich nicht darauf verlassen könnten, muss entgegengehalten werden, dass es grundsätzlich nicht ausreichend erscheint, sich auf die Gewährung von Sonderurlaub oder auf eine besondere Berücksichtigung bei der Erstellung von Dienstplänen zu verlassen, da auf beides kein absoluter Rechtsanspruch besteht.

    Zu Ihren Angaben, quasi zur Beantragung eines Erholungsurlaubes gezwungen worden zu sein, muss festgehalten werden, dass in diesem Fall wohl Aussage gegen Aussage steht und eine Ermittlung des tatsächlichen objektiven Sachverhaltes ohne das Vorliegen weiterer Hinweise, wie z.B. ein offizieller Aktenvermerk oder Änderungen am Dienstplan selbst, im Nachhinein von ho. nicht mehr möglich sein kann.

    Bei der Berufungsentscheidung musste die Behörde daher auf die hier vorliegenden nachweisbaren Fakten zurückgreifen.

    Demnach war aber zum Zeitpunkt, als das Landespolizeikommando Vorarlberg erstmals faktisch über Ihren Antrag hätte entscheiden können (Vorlage des Antrags), das heißt am 30.06.2010, Ihr am 25.06.2010 - aus welchen Gründen auch immer - beantragter Erholungsurlaub bereits genehmigt und in den Dienstplan eingetragen.

    Infolgedessen lag eine der oben angeführten 'Einstiegsvoraussetzungen', nämlich das Fehlen sonstiger gesetzlicher Hindernisse wie zum Beispiel die fehlende Verpflichtung zur Dienstleistung für diesen Zeitraum (z.B. wegen Erholungsurlaubes, angeordneten Zeitausgleichs etc.), für die Gewährung von Sonderurlaub nicht mehr vor, weshalb die Dienstbehörde Ihren Antrag auch nicht mehr genehmigen durfte.

    Aufgrund dieses Nichtvorliegens einer Einstiegsvoraussetzung blieb allerdings auch kein Raum mehr für eine Ermessensentscheidung Ihrer Dienstbehörde weshalb auf Ihre diesbezüglichen Argumentationen nicht mehr einzugehen war."

    Mit Beschluss vom 29. März 2012 stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die eingangs genannte Säumnisbeschwerde wegen Nachholung des versäumten Bescheides durch die belangte Behörde ein.

    In ihrer gegen den nachgeholten, angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sonderurlaub nach § 74 BDG 1979 verletzt; sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

    Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zur Darstellung der maßgebenden Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das eingangs zitierte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/12/0029, verwiesen.

Im nun gegenständlichen Fall sah die belangte Behörde bereits die "Einstiegsvoraussetzung" als nicht gegeben, dass die Beschwerdeführerin am besagten Tag überhaupt zur Dienstleistung verpflichtet gewesen sei, weil sie von einer Dienstleistung an diesem Tag aufgrund der Bewilligung des von ihr beantragten Erholungsurlaubes bereits entbunden gewesen sei.

Der belangten Behörde ist zunächst darin zu folgen, dass die Beschwerdeführerin für ein und denselben Tag einerseits einen Antrag auf Gewährung von Sonderurlaub, andererseits einen solchen auf Erholungsurlaub gestellt hatte. Ebenso wie die Bewilligung von Erholungsurlaub zu einer Entbindung von der Verpflichtung zur Dienstleistung führt - und damit die besagte Einstiegsvoraussetzung für die Gewährung von Sonderurlaub entfällt - führt eine Bewilligung von Sonderurlaub zu einer Entbindung von der Verpflichtung zur Dienstleistung und damit zum Entfall der Voraussetzung für die Gewährung von Erholungsurlaub.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist der Umstand, dass die vorgesetzte Dienststelle, das Bezirkspolizeikommando, den (späteren) Antrag auf Erholungsurlaub insofern einer rascheren Entscheidung zuführte, als dieser "genehmigt und im Dienstplan eingetragen wurde", für die Frage einer Reihung der einander ausschließenden Begehren der Beschwerdeführerin nicht von Belang. In Anbetracht der objektiv einander ausschließenden Begehren wäre es Sache der Dienstbehörde gewesen, die Beschwerdeführerin im Hinblick auf § 8 Abs. 1 DVG Gelegenheit zu geben, ihre einander widersprechenden Anbringen und Begehren gegebenenfalls einer Reihung zu unterziehen (zur Zulässigkeit eines Eventualantrages vgl. etwa den hg. Beschluss vom 4. Februar 2009, Zl. 2008/12/0224 = Slg. 17.619/A, mwN).

Der Umstand, dass allenfalls der nach § 2 Abs. 4 DVG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Z. 1 für die Einteilung (datumsmäßige Festlegung) des Erholungsurlaubes zuständige Dienststellenleiter - der zweifellos in Kenntnis eines im Dienstweg eingebrachten Antrages auf Sonderurlaub für den selben Tag war - eine raschere (positive) Entscheidung trifft als die Dienstbehörde erster Instanz über das Begehren auf Sonderurlaub, tut den Rechten des Beamten einschließlich jenem, seine Anträge einer Klarstellung zuzuführen, keinen Abbruch.

Im Übrigen sei auch darauf verwiesen, dass auch der Umstand, dass der Beamte den gegenständlichen Zeitraum letztlich mit Erholungsurlaub abdeckte, diesem ein rechtliches Interesse an einer Entscheidung über sein Begehren auf Sonderurlaub und letztlich über eine Beschwerde gegen die Versagung von Sonderurlaub grundsätzlich nicht nimmt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2009, Zl. 2007/12/0087, Punkt II.2. mwN).

Nach dem Gesagten belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. Jänner 2013

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