VwGH 2011/22/0013

VwGH2011/22/001329.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der J, vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 29. November 2010, Zl. 157.241/2-III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
MRK Art8;
NAG 2005 §44 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin, einer georgischen Staatsangehörigen, gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 13. September 2010, mit dem ihr am 11. August 2009 gestellter Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "beschränkt" als unzulässig zurückgewiesen worden war, gemäß § 44 Abs. 3 und § 44b Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) keine Folge.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei am 15. Juni 2004 in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag eingebracht. Dieser sei vom Asylgerichtshof "am 28.05.2009 rechtskräftig negativ entschieden" und gleichzeitig eine Ausweisung erlassen worden. Die Behandlung der gegen die Entscheidung des Asylgerichtshofes an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde sei mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 3. September 2009 abgelehnt worden.

Am 11. August 2010 (gemeint: 2009) habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 3 NAG eingebracht. Diesen habe sie damit begründet, dass sie bereits seit Juni 2004 in Österreich lebe. Ihren Lebensgefährten kenne sie seit August 2008; er würde zeitweise bei ihr wohnen. Sie hätte auch eine Arbeit gefunden, hätte diese aber mangels Arbeitsbewilligung nicht annehmen können. Sie werde zurzeit von verschiedenen Freunden und Bekannten finanziell unterstützt. Sie könne sich gut auf Deutsch verständigen und werde demnächst einen Deutschkurs besuchen. Mit dem Ergebnis der von der erstinstanzlichen Behörde eingeholten begründeten Stellungnahme der Sicherheitsdirektion Steiermark vom 10. August 2010, wonach aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen die Beschwerdeführerin zulässig seien, und weder besonders berücksichtigungswürdige Aspekte noch eine "vollständige wirtschaftliche Integration" der Beschwerdeführerin vorlägen, konfrontiert, habe die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 6. September 2010 darauf hingewiesen, dass sie beabsichtige, ihren Verlobten demnächst zu heiraten und daher einen Antrag auf Familienzusammenführung stelle. Ihr Verlobter befinde sich seit 2006 in Österreich und verfüge über eine gültige Aufenthaltsgenehmigung. Ferner habe sie eine Einstellzusage eines Gastronomiebetriebes.

Durch die rechtskräftige Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofes "vom 16. Juni 2009" - so die belangte Behörde weiter - sei aber bereits eine Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK durchgeführt worden, an die die "NAG-Behörden" gebunden seien. In ihrer Berufung habe die Beschwerdeführerin angegeben, dass sie mit ihrem Verlobten in einer Lebensgemeinschaft wohne und diese daher dem Schutz des Art. 8 EMRK unterliege.

Die von der erstinstanzlichen Behörde ausgesprochene Zurückweisung des Antrages sei jedoch zu Recht erfolgt: Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Gründe - wirtschaftliche und persönliche Integration - seien bereits im Rahmen des Asylverfahrens berücksichtigt und dennoch sei ihre Ausweisung für zulässig erachtet worden. Das Berufungsvorbringen sei lediglich allgemeiner Natur und könne nicht das Vorliegen eines maßgeblich geänderten Sachverhaltes in Bezug auf den Zeitpunkt der Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK im Rahmen der Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofes konkretisieren. Auch die Sicherheitsdirektion halte eine Ausweisung in ihrem Fall für zulässig. Umstände, die nach Erlassung des erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheides eingetreten seien, hätten keinen Einfluss auf die Beurteilung, ob die auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gegründete Entscheidung zu Recht ergangen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerin gegen die Ansicht der belangten Behörde wendet, dass seit der Ausweisungsentscheidung des Asylgerichtshofes keine maßgebliche Änderung des zu beurteilenden Sachverhalts stattgefunden habe: sie habe nämlich erst nach diesem Zeitpunkt eine Deutschprüfung (Niveau A2) abgelegt, welche sie bereits der erstinstanzlichen Behörde vorgelegt habe, und eine Einstellzusage erhalten; dadurch würde sie auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung-unbeschränkt" erfüllen und hätte Zugang zum Arbeitsmarkt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides im Dezember 2010 das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009 anzuwenden ist.

Mit einer Antragszurückweisung gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG darf nach Erlassung einer Ausweisung nur dann vorgegangen werden, wenn im Hinblick auf das Antragsvorbringen eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht erforderlich ist (vgl. zu den diesbezüglichen Voraussetzungen ausführlich das hg. Erkenntnis vom 13. September 2011, Zlen. 2011/22/0035 bis 0039, auf das insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).

Die Beschwerdeführerin rügt zwar zutreffend, dass die erstinstanzliche Behörde einerseits nicht die von ihr am 3. Oktober 2009 abgelegte Deutschprüfung (Niveau A2) berücksichtigt hat und andererseits nicht erkannt hat, dass auch eine Lebensgemeinschaft vom Schutzbereich des Art. 8 EMRK erfasst sein kann. Dennoch führt dies nicht zur Aufhebung des die erstinstanzliche Zurückweisung bestätigenden angefochtenen Bescheides, weil die erstinstanzliche Behörde im Ergebnis zu Recht angenommen hat, dass die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten, nach der Ausweisungsentscheidung eingetretenen Umstände - die Einstellzusage und der Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse - für sich genommen keine solche maßgebliche Änderung der Sachlage seit der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung darstellen, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK erfordert hätte.

Was wiederum die Lebensgemeinschaft der Beschwerdeführerin mit einem subsidiär Schutzberechtigten in Österreich anlangt, so wurde diese nach den unbestrittenen Angaben der Beschwerdeführerin seit August 2008 bestehende Verbindung bereits im Rahmen der für die asylrechtliche Ausweisungsentscheidung gemäß Art. 8 EMRK vorzunehmenden Abwägung berücksichtigt; die seit diesem Zeitpunkt bis zur erstinstanzlichen Zurückweisung des Niederlassungsantrags verstrichene Zeitspanne (13 ½ Monate) bewirkt auch nicht eine solche Sachverhaltsänderung, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätte (vgl. zu einem Fall, in dem seit der rechtskräftigen Ausweisung zwei Jahre vergangen waren, das hg. Erkenntnis vom 22. Juli 2011, Zlen. 2011/22/0138 bis 0141).

Der belangten Behörde kann somit im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass keine maßgebliche Sachverhaltsänderung vorgelegen ist, die geeignet wäre, im Hinblick auf die nach Art. 8 EMRK vorzunehmende Beurteilung zu einem anderen Ergebnis zu führen. Vor diesem Hintergrund begegnet die Auffassung der belangten Behörde, der von der Beschwerdeführerin gestellte Antrag sei gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG zurückzuweisen, keinen Bedenken.

Soweit schließlich in der Beschwerde vorgebracht wird, die Beschwerdeführerin erfülle sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gemäß § 43 Abs. 2 NAG, ist diesem Vorbringen schon deswegen der Boden entzogen, weil im Beschwerdefall ein von der Beschwerdeführerin gestellter Antrag nach § 44 Abs. 3 NAG zu beurteilen war, nicht jedoch ein solcher nach § 43 Abs. 2 NAG. Sachverhaltsmäßig bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, einen Antrag nach § 44 Abs. 3 NAG eingebracht zu haben.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 29. Mai 2013

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