VwGH 2010/07/0010

VwGH2010/07/001028.2.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des AE in F, vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 17. Dezember 2009, Zl. BMLFUW-UW.4.1.12/0210-I/6/2009, betreffend Einräumung von Zwangsrechten (mitbeteiligte Partei: S GmbH in G, vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16), zu Recht erkannt:

Normen

UVPG 2000 §2 Abs3;
WRG 1959 §111 Abs4;
WRG 1959 §32;
WRG 1959 §60;
WRG 1959 §63 litb;
UVPG 2000 §2 Abs3;
WRG 1959 §111 Abs4;
WRG 1959 §32;
WRG 1959 §60;
WRG 1959 §63 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Umweltsenates vom 23. Dezember 2008 wurde der mitbeteiligten Partei die Genehmigung betreffend die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens "Wasserkraftanlagen Kraftwerk G und Kraftwerk K" nach dem UVP-G 2000 erteilt. Beschwerden gegen diesen Bescheid wurden vom Verwaltungsgerichtshof zurück- bzw. abgewiesen (vgl. den hg. Beschluss vom 28. Jänner 2010, Zl. 2009/07/0042, sowie das hg. Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2009/07/0038).

Mit an den Landeshauptmann von Steiermark (LH) gerichteter Eingabe vom 17. Juli 2009 beantragte die mitbeteiligte Partei gemäß § 63 lit. b WRG 1959 die "Bestellung von Dienstbarkeiten" auf im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstücken wie folgt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die §§ 60 und 63 WRG 1959 samt Überschriften lauten auszugsweise:

"ACHTER ABSCHNITT.

Von den Zwangsrechten

Einteilung der Zwangsrechte und allgemeine Bestimmungen

§ 60. (1) Zwangsrechte im Sinne dieses Abschnittes sind:

  1. a) die Öffentlicherklärung von Privatgewässern (§ 61);
  2. b) die Verpflichtung zur Duldung von Vorarbeiten (§ 62);
  3. c) die Enteignung (§§ 63 bis 70);
  4. d) die Benutzungsbefugnisse nach den §§ 71 und 72.

(2) Diese Maßnahmen sind nur gegen angemessene Entschädigung (§ 117) und nur dann zulässig, wenn eine gütliche Übereinkunft zwischen den Beteiligten nicht erzielt werden kann.

(3) Zwangsrechte nach Abs. 1 lit. a bis c werden durch Bescheid der Wasserrechtsbehörde begründet. Sie binden den jeweiligen Eigentümer der belasteten Liegenschaft und bilden keinen Ersitzungs- oder Verjährungstitel.

Enteignung von Liegenschaften und Bauwerken

§ 63. Um die nutzbringende Verwendung der Gewässer zu fördern, um ihren schädlichen Wirkungen zu begegnen, zur geordneten Beseitigung von Abwässern und zum Schutz der Gewässer kann die Wasserrechtsbehörde in dem Maße als erforderlich

b) für Wasserbauvorhaben, deren Errichtung, Erhaltung oder Betrieb im Vergleich zu den Nachteilen von Zwangsrechten überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten lässt, die notwendigen Dienstbarkeiten einräumen oder entgegenstehende dingliche Rechte einschließlich Nutzungsrechte im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, einschränken oder aufheben, damit die genehmigte Anlage mit den zu ihr gehörigen Werken und Vorrichtungen hergestellt, betrieben und erhalten sowie der Vorschreibung sonstiger Maßnahmen entsprochen werden kann;"

Nach § 2 Abs. 3 UVP-G 2000 gelten als Genehmigungen im Sinne dieses Gesetzes die in den einzelnen Verwaltungsvorschriften für die Zulässigkeit der Ausführung eines Vorhabens vorgeschriebenen behördlichen Akte oder Unterlassungen, wie insbesondere Genehmigungen, Bewilligungen oder Feststellungen. Davon ist auch die Einräumung von Dienstbarkeiten nach § 111 Abs. 4 erster Satz des Wasserrechtsgesetzes 1959, nicht jedoch die Einräumung sonstiger Zwangsrechte erfasst.

Damit ist klargestellt, dass die Einräumung von Zwangsrechten nicht Gegenstand der UVP-Genehmigung und damit nicht Gegenstand des UVP-Genehmigungsverfahrens ist. Die Einräumung von Zwangsrechten nach § 63 lit. b WRG 1959 ist aus dem UVP-Verfahren ausgenommen. In seiner Berufung an die belangte Behörde beantragte der Beschwerdeführer die ersatzlose Behebung des LH-Bescheides vom 6. Oktober 2009 "mit Ausnahme des Spruches III-(Kosten)".

Somit richtete sich die Berufung an die belangte Behörde auch gegen den Abspruch über die Entschädigung gemäß § 117 Abs. 1 WRG 1959 in Spruchpunkt II des LH-Bescheides vom 6. Oktober 2009.

Berufungen, die sich gegen einen Ausspruch der Wasserrechtsbehörde erster Instanz nach § 117 Abs. 1 WRG 1959 richten, sind von der Berufungsbehörde zurückzuweisen. Zu einer inhaltlichen Entscheidung zu einer solchen Berufung fehlt ihr die Zuständigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1993, Zl. 92/07/0217).

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Aus der Begründung ergibt sich aber eindeutig, dass die belangte Behörde inhaltlich über die Frage, ob dem Beschwerdeführer eine Entschädigung gebührt oder nicht, keine Entscheidung getroffen hat, weil ihr dazu die Zuständigkeit fehlte. So zitiert die belangte Behörde am Beginn des angefochtenen Bescheides Spruchpunkt I des LH-Bescheides vom 6. Oktober 2009, der allein die Zwangsrechtseinräumung betrifft. Auch die weiteren Begründungsausführungen befassen sich lediglich mit diesem Spruchpunkt des LH-Bescheides. Die "Abweisung" der Berufung des Beschwerdeführers zur Gänze stellt daher ein Vergreifen im Ausdruck dar, welches nicht zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. April 1997, Zl. 96/07/0206).

2. Liegt ein Bedarf ("erforderlich") im Sinne des § 63 lit. b WRG 1959 vor, dann hat jemand, zu dessen Lasten ein Zwangsrecht gemäß den §§ 60 ff WRG 1959 eingeräumt werden soll, ein Recht darauf, dass dieses nicht ohne eine diese Maßnahme rechtfertigende Interessenabwägung im Sinne des § 63 lit. b leg. cit. begründet wird. Es ist daher festzustellen, ob und in welchem Ausmaß mit einem Wasserbauvorhaben, für das Zwangsrechte einräumt werden sollen, Vorteile im allgemeinen (= öffentlichen) Interesse verbunden sind und ob diese Vorteile die Nachteile der Zwangsrechtseinräumung überwiegen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2012, Zl. 2009/07/0084, mwN). Der Bestand überwiegender Vorteile im allgemeinen Interesse muss sorgfältig geprüft werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1995, Zl. 94/07/0062).

Ein Zwangsrecht nach § 60 WRG 1959 muss zur Erreichung des im öffentlichen Interesses gelegenen Ziels geeignet (adäquat) sein, darf nach Art und Umfang nicht unverhältnismäßig sein und das angestrebte Ziel darf nicht durch andere - gelindere - Maßnahmen bzw. Rechte zu erreichen sein (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2002, Zl. 2001/07/0168).

3. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die belangte Behörde den Umfang der Inanspruchnahme im Wesentlichen auf den Genehmigungsbescheid der UVP-Behörde zur Errichtung und zum Betrieb der gegenständlichen Wasserkraftanlagen stütze. Dabei lasse die belangte Behörde außer Acht, dass im UVP-Verfahren gerade nicht geprüft worden sei, in welchem Ausmaß Grund und Boden des Beschwerdeführers durch das Projekt tatsächlich in Anspruch genommen werde.

Allein der Verweis auf den Genehmigungsbescheid im UVP-Verfahren könne somit nicht die ausreichende Grundlage für das gegenständliche Zwangsrechtseinräumungsverfahren sein. Die belangte Behörde habe es im gegenständlichen Verfahren unterlassen, die notwendigen Erhebungen zu tätigen und Feststellungen zu treffen, in welchem Umfang tatsächlich - allenfalls abweichend vom Antrag bzw. Vorbringen der mitbeteiligten Partei - Grund und Boden des Beschwerdeführers in Anspruch genommen würde.

Diesem Beschwerdevorbringen kommt keine Berechtigung zu.

So führte der wasserbautechnische Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem LH am 25. September 2009 aus, dass die Errichtung der verfahrensgegenständlichen Kraftwerksanlagen, auf die sich der Zwangsrechtsantrag der mitbeteiligten Partei beziehe, die Inanspruchnahme der Grst. Nrn. 620/27 und 584, beide KG W., und des Grst. Nr. 1401/27, KG L., erforderlich mache. Im Projekt sei vorgesehen, die gegenständlichen Grundstücke durch eine Aufweitung der M, die Errichtung eines Begleitgerinnes samt Höherdotierung des O und zusätzlicher technischer Bauwerke in Anspruch zu nehmen.

Die belangte Behörde stellte weiters im angefochtenen Bescheid fest, dass für die Umsetzung des Kraftwerkprojektes tatsächlich eine Inanspruchnahme der Grundstücke des Beschwerdeführers im beantragten Ausmaß erforderlich sei. Sie stützte sich dabei auf die Einreichunterlagen der mitbeteiligten Partei im UVP-Verfahren. Im Besonderen führt sie die bezughabenden Seiten der maßgebenden Einlagen der technischen Planung an.

Diesen Feststellungen hielt der Beschwerdeführer im gesamten zum angefochtenen Bescheid führenden Verfahren kein substantiiertes Vorbringen entgegen, wonach eine der beantragten Grundinanspruchnahmen tatsächlich nicht erforderlich sei. Für die belangte Behörde bestand somit kein Grund zur Annahme, dass der Antrag der mitbeteiligten Partei und die vom LH antragsgemäß ausgesprochene Zwangsrechtseinräumung über das zur Umsetzung des Vorhabens "Wasserkraftanlagen Kraftwerk G und Kraftwerk K" erforderliche Ausmaß hinausgehe.

4. Der Beschwerdeführer behauptet, aus der von ihm vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme von Univ.- Prof. Dipl. Ing. Dr. HM. ergebe sich, dass durch das Projekt Grundflächen, die in seinem Eigentum stünden, regelmäßig durch Überflutungen in Anspruch genommen würden und dass es zu Änderungen der Grundwasserverhältnisse komme. Diese (Mehr-)Inanspruchnahme seines Grundes sei im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend berücksichtigt worden.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die belangte Behörde mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid eine Zwangsrechtseinräumung in Entsprechung des Antrages der mitbeteiligten Partei vom 17. Juli 2009 vorgenommen hat.

Es ist nicht nachvollziehbar, in welchen Rechten der Beschwerdeführer dadurch verletzt sein sollte, dass die Wasserrechtsbehörden nicht über eine weitergehende Inanspruchnahme seiner Grundstücke abgesprochen haben.

Wie die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt, wäre selbst dann, wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers fachlich zutreffe, kein rechtlicher Mangel erkennbar, der sich daraus ergebe, dass die belangte Behörde nicht - in Worten des Beschwerdeführers - "ein anderes Ausmaß der Zwangsmittel" gewählt habe.

Sollte das Beschwerdevorbringen indessen so verstanden werden, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen des Zwangsrechtes weiter reichten als im verwaltungsbehördlichen Verfahren angenommen, wären damit Fragen der Entschädigungsbemessung angesprochen, die - wie sich aus dem Vorgesagten ergibt - nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind.

5. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, Ermittlungen betreffend die Notwendigkeit genau der beantragten Maßnahmen und ihres Umfanges durchzuführen; dies wirke sich auch auf die durchgeführte Interessenabwägung aus.

Hierzu genügt es, auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen. Die Erforderlichkeit der beantragten Zwangsrechte wurde bereits durch den wasserbautechnischen Amtssachverständigen in der Verhandlung am 25. September 2009 bestätigt. Diesen sachverständigen Feststellungen und den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen die Einreichunterlagen der mitbeteiligten Partei im UVP-Verfahren zugrunde liegen, ist der Beschwerdeführer nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten.

Damit liegt aber auch die vom Beschwerdeführer behauptete "unterlassene Interessenabwägung" nicht vor.

6. Schließlich thematisiert die Beschwerde erneut die "gutachterliche Stellungnahme aus wasserbautechnischer Sicht" von Univ.-Prof. Dipl. Ing. Dr. HM. vom März 2008. Demnach wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, von Amts wegen festzustellen, ob "die Grundstücke bzw. die verbleibenden Grundstücksflächen nach Einräumung der Zwangsrechte zweckmäßig nutzbar" seien. Bei ordnungsgemäßer Feststellung der Entscheidungsgrundlagen wäre die belangte Behörde zum Schluss gekommen, dass nach Einräumung der Zwangsrechte, die dem Beschwerdeführer verbleibenden (Rest-)Flächen einer wirtschaftlichen Nutzung nicht mehr zugänglich seien.

Mit diesem Vorbringen lässt der Beschwerdeführer deutlich erkennen, dass er sich damit auf die Bemessung der Entschädigung nach § 117 Abs. 1 WRG 1959 bezieht. Diese Frage kann jedoch - wie bereits ausgeführt - nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides sein.

7. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich - für die belangte Behörde im begehrten Ausmaß - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. Februar 2013

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