VwGH 2010/05/0208

VwGH2010/05/020827.2.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des Dr. A S in Wien, vertreten durch die Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Fleischmarkt 1,

3. Stock, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 12. April 2010, Zl. BOB-770/09, betreffend Rückübereignung und Aufhebung eines Bescheides (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §287;
AVG §8;
BauO Wr §17 Abs1;
BauO Wr §17;
StGG Art5;
VwRallg;
ABGB §287;
AVG §8;
BauO Wr §17 Abs1;
BauO Wr §17;
StGG Art5;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer von Grundstücken im 19. Bezirk in Wien, die in der Natur an den U-Weg grenzen. Mit dem an den Beschwerdeführer gerichteten Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung (MA) 64, vom 24. Februar 1998, wurde die Abteilung dreier Grundstücke nach dem Teilungsplan des DI Dr. M. vom 30. Juli 1997, GZ 12581b, auf eine Verkehrsfläche, provisorisches Grundstück (656/30), und auf die Restflächen provisorische Grundstücke (656/3) und (656/11) einschließlich der im Teilungsplan mit dieser Abteilung vorgesehenen Ab- und Zuschreibungen gemäß § 13 Abs. 2 lit. c der Bauordnung für Wien (BO) genehmigt.

Dazu wurde vorgeschrieben (dieser Bescheidteil ist nun verfahrensgegenständlich), dass die Teilstücke rot 1 und rot 3 gemäß § 17 Abs. 1 und 4 lit. a BO und im Sinne eines mit einem näher bezeichneten Beschluss des Wiener Gemeinderates vom 5. Oktober 1995 genehmigten Übereinkommens gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung dieser Abteilung unentgeltlich und lastenfrei zum Zwecke der Vereinigung mit dem Grundstück Nr. 656/30 des öffentlichen Gutes abzuschreiben seien.

Dieser Bescheid erwuchs nach der Aktenlage unbekämpft in Rechtskraft.

Mit dem bei der MA 64 am 1. Oktober 2009 eingelangten Antrag vom 28. September 2009 brachte der Beschwerdeführer vor, er sei mit dem zuvor genannten Spruchpunkt des Bescheides vom 24. Februar 1998 verpflichtet worden, die näher bezeichneten Teilstücke unentgeltlich und lastenfrei zum Zwecke der Vereinigung mit dem Grundstück Nr. 656/30 des öffentlichen Gutes gemäß § 17 Abs. 1 und 4 BO abzuschreiben. Er sei somit hinsichtlich dieser Grundstücksteile enteignet worden. Im Lichte des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 2004, Zl. 2003/05/0194, sei dieser Spruchpunkt jedoch verfassungswidrig, weil die betroffenen Teilstücke bereits dem öffentlichen Gut angehörten. Die Enteignung habe daher ihren Zweck verfehlt und sei daher rückgängig zu machen (Hinweis auf Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes). Beantragt werde daher, den betreffenden (wörtlich wiedergegebenen) Spruchpunkt des Bescheides vom 24. Februar 1998 zu "beseitigen". Der Antrag gründe sich auf § 68 Abs. 2 AVG iVm Art. 5 StGG.

Zur näheren Begründung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe mit Kaufvertrag vom 30. November 1992 sowie einem Nachtrag vom 28. Februar 1995 "außerbücherlich" Eigentum an zwei näher bezeichneten Grundstücken erworben. Diese Grundstücke lägen beide direkt am U-Weg, der bereits seit Jahrzehnten vollständig ausgebaut sei und dem öffentlichen Gut zugehöre. Die grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrages sei erst nach Durchführung des Abteilungsverfahrens durch seine Rechtsvorgängerin im Eigentum, die X-GmbH, möglich gewesen. Die Abschreibung der beiden Grundstücke vom bisherigen Gutsbestand und deren Übertragung in den Gutsbestand einer neu zu eröffnenden bzw. bereits bestehenden Einlage desselben Grundbuches seien mit Bescheid der MA 64 vom 27. April 1994 genehmigt worden.

Die Stadt Wien habe der X-GmbH mit Bescheid vom 2. Februar 1993 vorgeschrieben, eine darin näher bestimmte Verkehrsfläche in dem nach § 17 Abs. 1 BO für Wien bestimmten Ausmaß in das öffentliche Gut zu übertragen. Diese Fläche sei aber der bereits voll ausgebaute, im öffentlichen Eigentum der Stadt Wien stehende und dem Gemeingebrauch gewidmete U-Weg, hinsichtlich dessen eine Übertragung ins öffentliche Gut gar nicht mehr möglich gewesen sei. Die X-GmbH habe diese Fläche dennoch von der Stadt Wien zurückkaufen und dann wiederum unentgeltlich in das Eigentum der Stadt Wien zurückübertragen sollen. In Entsprechung dieser "angeblichen Verpflichtung" sei am 30. September 1993 ein Vertrag zwischen der X-GmbH und der Stadt Wien abgeschlossen worden, wonach sich die X-GmbH verpflichtet hatte, für die Straßengrundabtretung S 2,281.500,-- zu zahlen. Diese Verpflichtungen zum Ankauf und zur unentgeltlichen Rückübertragung seien vom Beschwerdeführer übernommen worden (der MA 69 am 16. Mai 1995 angezeigt), der auch den Vertrag durch Zahlung des genannten Betrages, das seien EUR 165.769,34, erfüllt habe.

Diese Verpflichtung habe jedoch nicht zu Recht bestanden: Der Verwaltungsgerichtshof habe mit dem zuvor genannten Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2003/05/0194, erkannt, dass Liegenschaften, die nicht als öffentliches Gut ausgewiesen seien, an denen jedoch Gemeingebrauch bestehe und die daher zum öffentlichen Gut zählten, nicht in das öffentliche Gut im Sinne des § 17 BO übertragen werden müssten. Eine Übertragung sei hinsichtlich dieser Grundstücke rechtlich auch gar nicht möglich. Eine diesbezügliche Verpflichtung wäre daher rechtswidrig.

Das Erkenntnis habe ein Nachbargrundstück der Liegenschaften des Beschwerdeführers gerade am U-Weg betroffen. In dem der Aufhebung des (damals angefochtenen) Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof nachfolgenden Verfahren vor der Bauoberbehörde für Wien habe der Magistrat der Stadt Wien mit Schreiben vom 31. Oktober 2005 selbst bekannt gegeben, dass an den verfahrensgegenständlichen Teilflächen der näher bezeichneten Liegenschaft zumindest seit dem Jahr 1938 ein Interessentenweg bestanden habe und dass diese (Flächen) bereits vor Einleitung des Verfahrens zur Abtretung in das öffentliche Gut im Eigentum der öffentlichen Hand gestanden seien. Damit sei ersichtlich, dass auch im Beschwerdefall bereits vor Einleitung des Verfahrens zur Abtretung in das öffentliche Gut Gemeingebrauch an sämtlichen Grundstücken des U-Weges bestanden habe (gemeint: an allen Flächen, aus denen der U-Weg bestehe) und diese auch zum öffentlichen Gut zu zählen gewesen seien. Ob der U-Weg nun, wie es im Schreiben vom 31. August 2005 heiße, hauptsächlich der "internen Erreichbarkeit der angrenzenden Grundstücke" (im Original unter Anführungszeichen) gedient habe oder nicht, sei dabei nicht von Bedeutung. Entscheidend für den Gemeingebrauch und damit für die Qualifikation als öffentliches Gut sei die Möglichkeit für jedermann unter denselben Bedingungen, den Weg zu benützen.

Da somit eine Übertragung von "Grundstücken des U-Weges" in das öffentliche Gut rechtens gar nicht mehr möglich gewesen sei, sei die dem Beschwerdeführer auferlegte Verpflichtung zur Übertragung in das öffentliche Gut gesetzwidrig.

Zugleich sei die nun antragsgegenständliche Vorschreibung (im Bescheid vom 24. Februar 1998) auch ein verfassungswidriger Eigentumseingriff, weil der Beschwerdeführer Eigentum von der Stadt Wien erwerben und sein Eigentum danach unentgeltlich an die Stadt Wien habe übertragen müssen. Gemäß Art. 5 StGG sei der Eigentumseingriff daher im Lichte der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (beispielsweise Hinweise) nachträglich aufzuheben und es habe eine Rückübereignung der vom Eigentümer bezahlten Beträge durch die Stadt Wien zu erfolgen.

Der "angefochtene Spruchpunkt" des Bescheides vom 24. Februar 1998 sei daher rechtswidrig und sei aus verfassungsrechtlichen Gründen gemäß § 68 Abs. 2 AVG iVm § 5 StGG wegen zweckverfehlter Enteignung nachträglich jedenfalls zu beseitigen. Zudem werde der auf Grund dieser Verpflichtung geschlossene Vertrag ex tunc rückabzuwickeln sein.

Die MA 64 hielt dem Beschwerdeführer mit Erledigung vom 5. Oktober 2009 vor, die Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 AVG lägen nicht vor. Denn es treffe nicht zu, dass aus dem angesprochenen Bescheid niemandem ein Recht erwachsen sei. Davon abgesehen, sei ein Antrag nach § 68 Abs. 2 AVG auf Teilaufhebung eines Bescheides nicht zulässig, weil diese Bestimmung ein amtswegiges Vorgehen der Behörde vorsehe. Es bestehe daher auch kein Anlass für eine Rückabwicklung der mit der Stadt Wien abgeschlossenen Transaktion.

Der Beschwerdeführer äußerte sich in einem Schriftsatz vom 22. Oktober 2009 ablehnend. Die Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG erscheine durchaus möglich (wurde näher ausgeführt). Darüber hinaus könne man nicht bei den einfach-gesetzlichen Rechtsvorschriften stehen bleiben. Der Verfassungsgerichtshof judiziere in ständiger Rechtsprechung, dass Rückübereignungsansprüche bei verfassungswidriger Enteignung schon aus Gründen der verfassungskonformen Interpretation aus den einzelnen Gesetzen abzuleiten seien und einfach-gesetzliche Vorschriften so zu verstehen seien, dass sie einen Rückübereignungsanspruch enthielten. Genau eine solche verfassungswidrige Enteignung sei im Beschwerdefall vorgenommen worden. Schon deshalb sei auf Grund verfassungskonformer Interpretation der Vorschriften der Wiener Bauordnung dem Antrag stattzugeben.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 12. November 2009 wies der Magistrat der Stadt Wien, MA 64, den Antrag vom 28. September 2009 "auf Aufhebung eines Spruchpunktes des Bescheides" vom 24. Februar 1998 gemäß § 68 Abs. 2 AVG zurück, was damit begründet wurde, dass ein Antrag nach § 68 Abs. 2 AVG auf Teilaufhebung eines Bescheides nicht zulässig sei, weil diese Bestimmung (gemeint: nur) ein amtswegiges Vorgehen der Behörde vorsehe und dass auch sonst die Voraussetzungen für eine Vorgangsweise nach § 68 Abs. 2 AVG deshalb nicht vorlägen, weil der Stadt Wien aus der Verpflichtung zur Grundabtretung ein Rechtsanspruch erwachsen sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er seinen bisherigen Standpunkt bekräftigte und auch vorbrachte, dass eine Aufhebung der bezogenen Bescheidteile auf Grund verfassungsrechtlicher Vorgaben ohne Rücksichtnahme auf einfachgesetzliche Einschränkungen zu erfolgen habe; er verwies weiters auf eine Verpflichtung der Behörde, Bescheide für nichtig zu erklären.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen und den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass sich dieser im Spruch auf § 68 Abs. 1 AVG stütze. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und von gesetzlichen Bestimmungen heißt es zur Begründung (zusammengefasst), der Grundabteilungsbescheid vom 24. Februar 1998 sei unbestritten in Rechtskraft erwachsen. Die bewilligte Grundabteilung sei mit Beschluss des Bezirksgerichtes D vom 23. September 1998 verbüchert worden. Mit Grundbuchsbeschluss vom selben Tag sei die Löschung näher bezeichneter, im A-Blatt ersichtlich gemachter Bauverbote angeordnet worden. Daraus folge, wie die Behörde erster Instanz in der Begründung des bekämpften Bescheides bereits dargelegt habe, dass aus dem Grundabteilungsbescheid vom 24. Februar 1998 sowohl Rechte für den Beschwerdeführer durch die Löschung des auf seiner Liegenschaft lastenden Bauverbotes, als auch Rechte für die Stadt Wien durch die unentgeltliche Abtretung von Grundflächen ins öffentliche Gut erwachsen seien. Eine Möglichkeit zur Aufhebung oder Abänderung des rechtskräftigen Bescheides vom 24. September 1998, wie dies im Antrag vom 28. September 2009 ausdrücklich begehrt worden sei, habe daher nach dem eindeutigen Wortlaut des § 68 Abs. 2 AVG, wonach nur Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen sei, aufgehoben oder abgeändert werden dürften, nicht bestanden.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach ein Rückübereignungsanspruch an den abgeschriebenen Grundflächen bestehen würde, sei entgegenzuhalten, dass die in der Bauordnung für Wien festgesetzten unentgeltlichen Abtretungsverpflichtungen dazu dienten, die Erschließung von Bauplätzen zu gewährleisten, und daraus das Recht zur Bebauung und zu entsprechenden Nutzungen von Bauplätzen für den Bauplatzeigentümer auf Grund der gegebenen Anbaureife entstehe. Stünden diese dem Bauplatz vorgelagerten Flächen nicht im Eigentum des Bauplatzeigentümers, sondern Dritter, wäre es eine ungerechtfertigte Bevorzugung, müsste dieser die vorgelagerten Fläche nicht erwerben und abtreten oder einen entsprechenden Wertersatz leisten. Der vom Beschwerdeführer behauptete Rückübereignungsanspruch könne daher von der belangten Behörde nicht erkannt werden.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sei der Sachverhalt im Beschwerdefall nicht mit jenem vergleichbar, der dem genannten hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004 zugrunde gelegen sei. Die (damalige) Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof sei deshalb erfolgt, weil die Abweisung der Berufung des damaligen Beschwerdeführers mangels Eingehens auf das Berufungsvorbringen bezüglich des gesondert nicht bekämpfbaren Bescheides zur Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen, der dem Grundabteilungsansuchen zugrunde gelegt worden sei, erfolgt sei. Die Behebung bzw. Nichtigerklärung des dem mit dem Grundabteilungsbescheid vom 24. Februar 1998 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren zugrundeliegenden Bescheides zur Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen sei aber vom Beschwerdeführer nicht begehrt worden.

Die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung lägen im Beschwerdefall (auch) nicht vor, weil mit dem Bescheid vom 24. Februar 1998 dem damals gegenständlichen Antrag vollinhaltlich entsprochen und die Verpflichtung gemäß § 17 BO zur Abtretung der vor der Baulinie der im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Bauplätze gelegenen Grundflächen in das öffentliche Gut dadurch erfüllt worden sei.

Da die belangte Behörde keinen Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG finde, sei daher das gegenständliche Ansuchen wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.

Es sei daher die Berufung abzuweisen und der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid mit dieser Maßgabe zu bestätigen gewesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 20. September 2010, B 762/10-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie mit weiterem Beschluss vom 28. Oktober 2010 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes verbesserten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Beschwerdeführer hat repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die nun verfahrensgegenständliche Abtretungsverpflichtung im Abteilungsbewilligungsbescheid vom 24. Februar 1998 wurde auf § 17 Abs. 1 und 4 BO gestützt. § 17 BO galt damals in der Fassung gemäß LGBl. Nr. 18/1976 und lautete auszugsweise:

"§ 17. (1) Bei Abteilung einer Grundfläche auf Bauplätze, Baulose oder Teilen von solchen (§ 13 Abs. 2 lit. a und b) sind die nach Maßgabe der Baulinien zu den Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen bei beiderseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur Achse der Verkehrsfläche, bei einseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche, in beiden Fällen aber nur bis zu 20 m, senkrecht zur Baulinie und von dieser aus gemessen, gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung satz- und lastenfrei in das öffentliche Gut zu übertragen. Bei Bruchpunkten und bei Eckbildungen erstrecken sich diese Verpflichtungen auch auf die zwischen den Senkrechten gelegenen Grundflächen. Sind in den in das öffentliche Gut zu übertragenden Grundflächen Versorgungs- oder Entsorgungsleitungen für benachbarte Liegenschaften verlegt, hindern diese, sofern nicht öffentliche Interessen entgegenstehen, die Übertragung der Grundflächen in das öffentliche Gut nicht und können bis zur Herstellung der öffentlichen Versorgungs- oder Entsorgungsleitungen belassen werden. Über Auftrag der Behörde ist der jeweilige Eigentümer (Miteigentümer) des anliegenden Bauplatzes oder Bauloses oder von Teilen eines solchen weiters verpflichtet, diese Grundflächen lastenfrei und geräumt der Stadt Wien zu übergeben; bis zur Übergabe steht dem jeweiligen Eigentümer (Miteigentümer) des mit der Übergabeverpflichtung belasteten Bauplatzes oder Bauloses oder von Teilen eines solchen das Nutzungsrecht zu. Grundflächen, die bereits bebaut sind, dürfen nicht ins öffentliche Gut übertragen werden.

(2) …

(3) …

(4) Soweit die Verpflichtung zur Übertragung in das öffentliche Gut gemäß Abs. 1 besteht, sind hiebei entlang der Baulinien unbeschadet des Abs. 5 unentgeltlich abzutreten:

a) alle zu den neuen Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen, wobei als neue Verkehrsflächen solche anzusehen sind, an die nach Maßgabe des festgesetzten Bebauungsplanes erstmals angebaut werden soll,

b) die zur Verbreiterung bestehender Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen bei Abteilung einer Grundfläche, die bisher unbebaut war und als Bauplatz beziehungsweise als Baulos noch nicht behördlich genehmigt worden ist.

(5) Für alle übrigen abzutretenden Grundflächen ist eine Entschädigung zu leisten. (…)

(6) …"

§ 68 AVG lautet:

"Abänderung und Behebung von Amts wegen

§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

(3) Andere Bescheide kann in Wahrung des öffentlichen Wohles die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, dieser, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.

(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid

1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,

  1. 2. einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
  2. 3. tatsächlich undurchführbar ist oder
  3. 4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.

(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.

(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden."

Bei einer Grundabtretung gemäß § 17 Abs. 1 BO handelt es sich um eine Enteignung (siehe dazu auch Moritz, BauO Wien4, S 86 (Anmerkung zu § 17 BO)).

Davon und von der weiteren Auffassung ausgehend, es habe sich im Beschwerdefall um eine (wie im Antrag näher umschrieben) verfehlte Enteignung gehandelt, hat der Beschwerdeführer folgerichtig einen Rückübereignungsantrag gestellt, und sich dabei ua. auf das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2003/05/0194 (betreffend den U-Weg), gestützt.

Darin hat der Verwaltungsgerichtshof ua. ausgeführt:

"Die Begründung des Gemeingebrauchs, die einer im Eigentum einer Gebietskörperschaft stehenden Liegenschaft die Qualifikation eines öffentlichen Gutes verleiht, bedarf eines besonderen Widmungsaktes. Die nötige Widmung kann durch Gesetz, durch Erklärung der zuständigen Verwaltungsbehörde, aber auch durch eine der Ersitzung entsprechende langandauernde Übung erfolgen. Es ist also möglich, dass an einer im Grundbuch nicht als öffentliches Gut ausgewiesenen Liegenschaft Gemeingebrauch besteht und die Liegenschaft daher zum öffentlichen Gut zählt (vgl. z.B. den Beschluss des OGH vom 31. März 2003, 5 Ob 44/03m, und die bei Dittrich/Tades, ABGB I, 36. Auflage, S. 447 f unter E 23a ff zitierte Rechtsprechung; ferner Spielbüchler in Rummel, ABGB I3, Rz 4 zu § 287 ABGB; Klang in Klang II2, zu §§ 287 f ABGB; vgl. auch bereits das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1926, Slg.Nr. 14.482/A). Sollte jedoch - wenn auch nicht intabuliert - öffentliches Gut mit Nutzungen im Sinne des Bebauungsplanes schon rechtswirksam bestehen, käme eine Verpflichtung zur 'Übertragung' in das öffentliche Gut im Sinne des § 17 BO nicht (mehr) in Frage."

Der Beschwerdeführer hat sich im Verwaltungsverfahren auf Art. 5 StGG (und auf hiezu ergangene Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) gestützt.

Gemäß Art. 5 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867, ist das Eigentum unverletzlich und darf eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt.

Nach der vom Beschwerdeführer bezogenen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (zurückgehend auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1980, B 206/75, VfSlg 8991) ist dem durch Art. 5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsschutz zwar von vornherein die Einschränkung immanent, dass eine Enteignung zu einem vom Gesetz bestimmten öffentlichen Zweck unter den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Voraussetzungen zulässig ist, diese Einschränkung ist aber ihrer Natur nach an die Voraussetzung geknüpft, dass der vom Gesetz bestimmte Zweck verwirklicht wird. Wird dieser Zweck nach Ausspruch einer Enteignung nicht verwirklicht oder wird die enteignete Sache zu seiner Verwirklichung nicht benötigt, so fehlt die innere Rechtfertigung für die Aufrechterhaltung der Enteignung und es wird der verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsschutz uneingeschränkt voll wirksam. In der Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG ist somit auch die Rückgängigmachung der Enteignung für den Fall grundgelegt, dass die enteignete Sache dem vom Gesetz als Enteignungsgrund genannten öffentlichen Zweck nicht zugeführt wird, sei es, weil dieser Zweck überhaupt nicht, sei es, weil er nicht in dem ursprünglich beabsichtigten Umfang verwirklicht wird. Der Eigentumsschutz des Art. 5 StGG kann sich jedoch nur insolange auswirken, als die enteignete Sache dem Enteignungszweck noch nicht zugeführt worden ist; ist der Zweck unter Verwendung der enteigneten Sache einmal verwirklicht, so ist die Enteignung unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG irreversibel, selbst wenn der Zweck in späterer Folge aufgegeben wird (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 31. März 2009, Zl. 2006/06/0074, oder auch vom 19. September 2006, Zl. 2002/06/0120, mwN auf Judikatur des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes). Im Falle der Nichtverwirklichung des als Enteignungsgrund normierten Zweckes muss - bei Fehlen besonderer Regelungen - die Verfügung der Enteignung in der Weise rückgängig gemacht werden, dass der Enteignungsbescheid aufgehoben wird. Soweit einfachgesetzliche Enteignungsregelungen eine solche Rückübereignung bei zweckverfehlender Enteignung nicht ermöglichen sollten, sind diese verfassungskonform dahin auszulegen, dass sie die Rückübereignung nicht umfassend regeln. Daher gebietet der - mangels weiterer einfachgesetzlicher Regelung der Rückübereignung - unmittelbar anwendbare Art 5 StGG die rückwirkende Beseitigung des Enteignungsbescheides (siehe dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 12. September 2006, Zl. 2003/03/0179, mwN).

Der Rückübereignungsantrag des Beschwerdeführers ist vor dem Hintergrund dieser Judikatur zu sehen (auf die er sich, wie schon gesagt, auch im Zuge des Verfahrens berufen hat). Er hat daher nicht schlechthin die Aufhebung des betreffenden Bescheidteiles gemäß § 68 Abs. 2 AVG begehrt (also nicht etwa eine Vorgangsweise der Behörde begehrt, auf die gemäß § 68 Abs. 7 AVG kein Anspruch besteht), sondern vielmehr eine Rückübereignung. Dass er sich dabei auch auf § 68 Abs. 2 AVG gestützt hat, kann ihm (deshalb) nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden. Die Vorgangsweise der Behörde erster Instanz, das Begehren allein aus dem Gesichtspunkt des § 68 Abs. 2 AVG zurückzuweisen, war daher verfehlt. Es wäre die Behörde erster Instanz vielmehr verpflichtet gewesen, sich inhaltlich mit dem Rückübereignungsbegehren auseinanderzusetzen, was sie aber in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat; sie hätte zu prüfen gehabt, ob ein Rückübereignungsanspruch aus Bestimmungen der BO, oder, mangels solcher, unmittelbar aus Art. 5 StGG ableitbar ist, und gegebenenfalls, ob der behauptete Anspruch zu Recht besteht oder nicht (oder allenfalls aus anderen Gründen zurückzuweisen ist).

"Sache" des Berufungsverfahrens vor der belangten Behörde war (demnach) die Frage, ob die Behörde erster Instanz das Begehren zu Recht zurückgewiesen hat, weil kein Anspruch auf eine Vorgangsweise nach § 68 AVG bestehe, nicht aber eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Rückübereignungsbegehren. Daher hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof beim gegebenen Verfahrensstand insbesondere mit der Frage, ob ein Rückübereignungsanspruch auch bei einer, wie behauptet, von vornherein ("ab ovo") verfehlten Enteignung besteht, nicht auseinander zu setzen. Soweit sich die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf beruft, sie hätte im angefochtenen Bescheid auch ausgeführt, ein Rückübereignungsanspruch sei sachlich nicht berechtigt, verkannte sie die "Sache" des Berufungsverfahrens. Außerdem könnten diese allgemeinen, eher rechtspolitischen Überlegungen nicht als gehörige, ausreichende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Rückübereignungsbegehren des Beschwerdeführers qualifiziert werden.

Da dies die belangte Behörde verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die zuvor angeführte hg. Judikatur unterbleiben, zumal der Verhandlungsantrag verspätet gestellt wurde, nämlich erst im Verbesserungsschriftsatz (siehe § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG bzw. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2005, Zl. 2005/06/0162).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 27. Februar 2013

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