VwGH 2006/06/0074

VwGH2006/06/007431.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der T GmbH in X, vertreten durch Weidacher, Imre & Schaffer, Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in 8200 Gleisdorf, Ludersdorf 201, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 18. Jänner 2006, Zl. 015405/2005-9, betreffend eine Rückübereignung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
BauG Stmk 1995 §14;
BauO Stmk 1968 §3 Abs2;
BauO Stmk 1968 §6;
StGG Art5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der an die Landeshauptstadt Graz gerichteten Eingabe vom 13. Jänner 2005 brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei grundbücherliche Alleineigentümerin des Grundstückes Nr. .60/1 einer näher bezeichneten Liegenschaft, die sie vom Steiermärkischen Landwirteverband im Jahre 1995 angekauft habe. Von diesem Grundstück Nr. .60/1 sei auf Grund eines näher bezeichneten Teilungsplanes aus dem Jahre 1985 eine Teilfläche im Ausmaß von 94 m2 abgetrennt, daraus das neu gebildete Grundstück Nr. 725 geschaffen und dieses als Wegfläche in das öffentliche Gut abgetreten worden, wobei diese Fläche nun dem öffentlichen Gut der Landeshauptstadt Graz zugeschrieben sei. Es sei daher seinerzeit eine "Abtretung bzw. Enteignung" erfolgt. Tatsächlich stelle diese Wegfläche jedoch keine Straßenanlage dar, sondern sei in der Natur derart eingefriedet, dass sie als dem Grundstück Nr. .60/1 zugehörig anzusehen sei.

Behördeninterne Erhebungen ergaben, dass diese Fläche auf Grund eines rechtskräftigen (Widmungsbewilligungs‑)Bescheides vom 31. Jänner 1979 vom damaligen Eigentümer für die Verbreiterung bzw. für den Ausbau der Verkehrsfläche unentgeltlich abgetreten und diese Verpflichtung in der Folge in einem Teilungsplan vom 5. November 1985 umgesetzt wurde.

Mit Erledigung vom 26. August 2005 teilte die Behörde erster Instanz der Beschwerdeführerin mit, es habe sich ergeben, dass die fragliche Fläche seinerzeit vom Steiermärkischen Landwirteverband in das öffentliche Gut abgetreten worden sei. Nach der "ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes" besäße lediglich jener Eigentümer, der einst Grund an das öffentliche Gut abgetreten habe, bzw. sein Universalrechtsnachfolger einen Rückübereignungsanspruch im Falle einer "zweckverfehlten Enteignung" bzw. einer "Enteignung auf Vorrat". Da die Beschwerdeführerin ganz offenbar nicht Universalrechtsnachfolger der seinerzeitigen Eigentümerin sei, könne dem Rückübereignungsbegehren kein Erfolg beschieden sein. Sie erhalte daher Gelegenheit, sich hiezu zu äußern (eine solche Äußerung erfolgte nicht).

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Stadtsenates vom 24. Oktober 2005 wurde der Antrag mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass die "ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Hinweis auf VfGH 26.2.1998, B 886/97 und (richtig wohl:) B 887/97) mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit klarstellt", ein Rückübereignungsanspruch stehe nur demjenigen zu, in dessen Eigentum durch den seinerzeitigen Enteignungsbescheid eingegriffen worden sei, bzw. seinem Gesamtrechtsnachfolger, nicht aber einem Einzelrechtsnachfolger, wie hier die Beschwerdeführerin.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

Zusammengefasst schloss sich die belangte Behörde der Beurteilung der Behörde erster Instanz an.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Aktenlage kann davon ausgegangen werden (wenngleich die Behörden des Verwaltungsverfahren dazu keine näheren Feststellungen getroffen haben), dass dem geltend gemachten Rückübereignungsanspruch eine Grundabtretungsverpflichtung zugrunde liegt, die mit Bescheid vom 31. Jänner 1979 ausgesprochen (und sodann effektuiert) wurde. Damals galt die Steiermärkische Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 (BO), in der Fassung LGBl. Nr. 55/1977.

§ 3 BO traf nähere Bestimmungen zur Widmungsverhandlung und zum Inhalt der (Widmungs‑)Bewilligung. Gemäß § 3 Abs. 2 BO (damals in der Stammfassung) war in der Widmungsbewilligung unter anderem auch die Grundabtretung für Verkehrsflächen gemäß § 6 BO festzusetzen, nach Abs. 3 leg. cit. konnten in der Widmungsbewilligung auch bestimmte Auflagen erteilt werden.

§ 6 BO lautete (damals Stammfassung):

"§ 6

Grundabtretung für Verkehrsflächen

Anläßlich einer Widmung hat der Grundeigentümer einmalig die Grundfläche, die zur Herstellung von Verkehrsflächen auf dem zu widmenden Grund erforderlich ist, bis zu einer Breite von 16 m höchstens aber 20% der zu widmenden Grundfläche unentgeltlich und lastenfrei an die Gemeinde in das öffentliche Gut abzutreten. Die Gemeinde hat die abzutretende Grundfläche innerhalb von fünf Jahren in das öffentliche Gut zu übernehmen, sofern die Bedingungen und Auflagen gemäß § 3 Abs. 2 und 3 erfüllt sind."

In weiterer Folge kam es mit der Novelle LGBl. Nr. 12/1985 zu einer Änderung des § 3 BO und zur Einfügung eines Absatzes, die Anpassung des Verweises in § 6 BO erfolgte (erst) mit der Novelle LGBl. Nr. 14/1989. Eine weitere Änderung des § 6 BO erfolgte bis zum Außerkrafttreten der BO (durch das Inkrafttreten des Steiermärkischen Baugesetzes 1995) nicht.

Das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59, trat am 1. September 1995 in Kraft. § 14 leg. cit. lautet (diese Bestimmung wurde seit dem Inkrafttreten des Gesetzes nicht geändert):

"§ 14

Grundabtretung für Verkehrsflächen

(1) Anläßlich der Erteilung der Baubewilligung oder der Genehmigung der Baufreistellung zur Errichtung von Gebäuden auf unbebauten Grundstücken kann die Gemeinde den Grundeigentümer verpflichten, die zur Herstellung von öffentlichen Verkehrsflächen erforderlichen Grundstücksteile bis zu einer Breite von 6,0 m, höchstens aber 10 Prozent der Grundstücksfläche, unentgeltlich und lastenfrei an die Gemeinde in das öffentliche Gut abzutreten.

(2) Die für die Abtretung und Übernahme in das öffentliche Gut entstehenden Kosten (z.B. für den Teilungsplan, für die Vermessung u.dgl.) sind von der Gemeinde zu tragen.

(3) Die Gemeinde hat den abzutretenden Grund innerhalb von fünf Jahren ab Rechtskraft des Verpflichtungsbescheides in das öffentliche Gut zu übernehmen, andernfalls die Abtretungsverpflichtung außer Kraft tritt."

Es trifft zu, dass die im Jahr 1975 ausgesprochene entschädigungslose Grundabtretungsverpflichtung als Enteignung zu qualifizieren ist und für die angestrebte Rückübereignung die Zuständigkeit der Baubehörden gegeben ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. April 1992, Zl. 92/06/0024). Die Ausgangslage des Beschwerdefalles entspricht jener des Falles, der dem hg. Erkenntnis vom 9. September 2008, Zl. 2008/06/0076, zugrunde lag.

Der im Beschwerdefall maßgebliche § 14 Stmk. BauG trifft keine näheren Bestimmungen zu einer Rückübereignung, wie sie hier in Frage steht (was im Übrigen gleichermaßen auf den früheren § 6 BO zutrifft).

Nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist dem durch Art. 5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsschutz zwar von Vornherein die Einschränkung immanent, dass eine Enteignung zu einem vom Gesetz bestimmten öffentlichen Zweck unter den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Voraussetzungen zulässig ist, diese Einschränkung ist aber ihrer Natur nach an die Voraussetzung geknüpft, dass der vom Gesetz bestimmte Zweck verwirklicht wird. Wird dieser Zweck nach Ausspruch einer Enteignung nicht verwirklicht oder wird die enteignete Sache zu seiner Verwirklichung nicht benötigt, so fehlt die innere Rechtfertigung für die Aufrechterhaltung der Enteignung und es wird der verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsschutz uneingeschränkt voll wirksam. In der Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG ist somit auch die Rückgängigmachung der Enteignung für den Fall grundgelegt, dass die enteignete Sache dem im Bescheid als Enteignungsgrund genannten öffentlichen Zweck nicht zugeführt wird, sei es, weil dieser Zweck überhaupt nicht, sei es, weil er nicht in dem ursprünglich beabsichtigten Umfang verwirklicht wird. Der Eigentumsschutz des Art. 5 StGG kann sich jedoch nur insolange auswirken, als die enteignete Sache dem Enteignungszweck noch nicht zugeführt worden ist; ist der Zweck unter Verwendung der enteigneten Sache einmal verwirklicht, so ist die Enteignung unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie des Art. 5 StGG irreversibel, selbst wenn der Zweck in späterer Folge aufgegeben wird (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 19. September 2006, Zl. 2002/06/0120, mwN auf Judikatur des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes).

Die belangte Behörde hat den geltend gemachten Anspruch lediglich aus dem Gesichtspunkt der Aktivlegitimation der Beschwerdeführerin geprüft (und diese verneint), insbesondere auch nicht festgestellt, dass die abgetretene Grundfläche dem "Enteignungszweck" zugeführt wurde (dieser verwirklicht wurde); diese inhaltlich von der Beschwerdeführerin verneinte Frage ist im Beschwerdefall vielmehr offen.

Die Auffassung der Behörden des Verwaltungsverfahrens, ein Rückübereignungsanspruch, wie er hier in Frage steht, könne nur (ausschließlich) dem seinerzeit von der Grundabtretung betroffenen Eigentümer oder seinem Gesamtrechtsnachfolger zustehen, trifft nicht zu. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem von den Behörden des Verwaltungsverfahrens bezogenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 1998, B 886/97, B 887/97, VfSlg. 15096. Der Verfassungsgerichtshof hat darin ausgeführt:

"(IV.)1. Der Verfassungsgerichtshof hat den unmittelbar aufgrund der Verfassung bestehenden Rückübereignungsanspruch mit der Argumentation begründet, daß dem Rechtsinstitut der Enteignung die Rückgängigmachung bei Nichtverwirklichung des als Enteignungsgrund normierten öffentlichen Zweckes immanent sei (vgl. VfSlg. 8981/1980, 11828/1988). Daraus folgt aber, daß ein subjektives öffentliches Recht auf rückwirkende Aufhebung des Enteignungsbescheides im Falle einer zweckverfehlenden Enteignung nur demjenigen zusteht, in dessen Eigentum durch den seinerzeitigen Enteignungsbescheid eingegriffen wurde.

2. Die Beschwerdeführer zu B 886/97 sind nicht etwa Rechtsnachfolger der Abteilungswerber im Eigentum an dem auf Bauplätze abgeteilten Grundstück, sondern haben von einer Einzelrechtsnachfolgerin der seinerzeitigen Abteilungswerber einen durch die Grundabteilung geschaffenen Bauplatz erworben. Die Rechtsnachfolge im Eigentum betrifft daher ein Grundstück, auf das sich die seinerzeitige öffentlich-rechtliche Abtretungsverpflichtung nicht bezieht. Daher steht den Beschwerdeführern zu B 886/97 ein subjektives öffentliches Recht auf rückwirkende Aufhebung des Enteignungsbescheides nicht zu."

Daraus und auch sonst aus der Rechtsordnung ist nicht ersichtlich, dass ein Rückübereignungsanspruch, wie er hier in Frage steht, höchstpersönlich wäre (was auch nicht behauptet wird) oder aber nicht verkehrsfähig in dem Sinne wäre, dass er nicht auf einen Einzelrechtsnachfolger übergehen könnte. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Rückübereignungsanspruch gleichsam zwingend mit dem Eigentum an "Restgrundstück" (an dem Grundstück für das die Widmungsbewilligung erteilt wurde, nach erfolgter Grundabtretung) verbunden wäre und allein deshalb ebenfalls gleichsam zwingend auf den Erwerber dieses "Restgrundstückes" überginge, hier demnach auf die Beschwerdeführerin. Vielmehr kommt es darauf an, ob es hinsichtlich dieses Anspruches zu einer Rechtsnachfolge kam. Diesbezüglich könnte im Beschwerdefall sinngemäß das gelten, was im hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1993, Zl. 92/06/0144, zu einem Rückübereignungsanspruch gemäß § 20a des Bundesstraßengesetzes 1971 ausgeführt wurde (ergänzende Vertragsauslegung zur Frage, ob der Rückübereignungsanspruch dem Veräußerer oder dem Erwerber zukommen solle).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 31. März 2009

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