Normen
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer halte sich bereits seit 21 Jahren im Bundesgebiet auf. Die Gültigkeit des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels sei im Jahr 2001 abgelaufen. (Aus dem Bescheid der Behörde erster Instanz und den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass sein damals gestellter Verlängerungsantrag vom Landeshauptmann von Wien aus formellen Gründen - dem Nichtbefolgen einer Ladung - zurückgewiesen wurde.)
Der Beschwerdeführer sei seither unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er könne gemäß § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen werden.
Die Ausweisung eines Fremden stehe allerdings unter dem Vorbehalt des § 66 FPG. Nach dieser Bestimmung sei im Fall des Eingriffs in das Privat- oder Familienleben die Ausweisung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten sei. Im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG sei bei der vorliegenden Entscheidung der etwa 21 Jahre dauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, der allerdings in den die letzten neun Jahren unrechtmäßig gewesen sei, zu berücksichtigen. Er führe in Österreich kein Familienleben. Ein maßgeblicher Grad der Integration sei "nicht festzustellen bzw. nicht nachgewiesen". Seine Deutschkenntnisse seien mangelhaft. Die Absolvierung einer "Deutschprüfung (A2-Niveau)" habe er nicht nachgewiesen. Legale berufliche Bindungen in Österreich seien nicht feststellbar. Es liege beim Beschwerdeführer "strafrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit" vor. "Bindungen zum Heimatstaat" bestünden nicht mehr. Es bestehe die Gefahr, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers mangels "Beschäftigungsberechtigung" zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Er sei "der sozialschädlichen Schwarzarbeit nachgegangen".
Eine Gegenüberstellung der für und gegen die Ausweisung sprechenden Umstände ergebe ein "Übergewicht der Ersteren". Es komme nämlich der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung eines Fremdenwesens ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens sei im vorliegenden Fall von solchem Gewicht, dass die "allenfalls vorhandenen" gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise. Der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden in Österreich stelle eine starke Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, weil er dem Gesetz widerspreche.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass sich im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (25. März 2010) zur Beurteilung des gegenständlichen Falles das FPG idF des BGBl. I Nr. 135/2009 als maßgeblich darstellt.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Richtigkeit der Ausführungen der belangten Behörde, aus denen sich ergibt, dass er sich im Entscheidungszeitpunkt - bereits seit längerer Zeit - unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Vor dem Hintergrund der behördlichen Feststellungen begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, es sei der die Ausweisung ermöglichende Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt, keinen Bedenken.
Die Beschwerde richtet sich allerdings gegen die nach der von der belangten Behörde vorgenommenen Beurteilung nach § 66 FPG. Dies führt die Beschwerde zum Erfolg.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass ein über zehnjähriger, überwiegend rechtmäßiger inländischer Aufenthalt - auch dann, wenn die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auf asylrechtliche Bestimmungen zurückzuführen ist - den persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet ein großes Gewicht verleihen kann. Bei einer solchen, dermaßen langen Aufenthaltsdauer wird regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich und damit der Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung auszugehen sein. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden ausnahmsweise Ausweisungen auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 2012, Zl. 2010/22/0136, und vom 20. März 2012, Zl. 2011/18/0256, jeweils mwN; zur Rechtslage nach dem FrÄG 2011 vgl. ferner das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2012, Zl. 2012/18/0027, mwN).
Von einem Fehlen jeglicher Integration kann aber im gegenständlichen Fall schon anhand der Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht die Rede sein. Anders als die belangte Behörde meint, kann dem Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Erwerbstätigkeit zuletzt entgegen dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgeübt hat, fallbezogen bei der Beurteilung keine maßgebliche Bedeutung mehr zugemessen werden. Dass der Beschwerdeführer aber im Fall der Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts in der Lage sein wird, seinen Unterhalt aus eigenem zu bestreiten, hat ihm die belangte Behörde nicht abgesprochen. Auch wenn der belangten Behörde einzuräumen ist, dass das vom Beschwerdeführer erreichte Maß an Integration mit Blick auf die lange Dauer seines bisherigen Aufenthaltes nicht als allzu hoch anzusetzen ist, kann andererseits nicht davon gesprochen werden, dass es ihm an jeglicher Integration mangle.
Somit erweist sich im vorliegenden Fall die Ausweisung des - nach den Feststellungen unbescholtenen - Beschwerdeführers als unverhältnismäßig.
Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 12. Dezember 2012
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