VwGH 2010/22/0136

VwGH2010/22/013618.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Z, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 12. Juli 2010, Zl. E1/2826/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen chinesischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 3. Juli 1996 illegal nach Österreich gelangt und habe erst am 29. Mai 2000 einen Asylantrag gestellt, über den letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19. August 2009 negativ entschieden worden sei. Sohin halte sich der Beschwerdeführer seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens am 20. August 2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG jedenfalls zulässig sei.

Im Rahmen der gemäß § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den vierzehnjährigen Aufenthalt in Österreich Bedacht genommen worden, doch habe der Beschwerdeführer erst knapp vier Jahre nach seiner Einreise einen Asylantrag gestellt. Die Zeit des legalen Aufenthaltes während des Asylverfahrens sei angesichts des letztlich nicht zuerkannten Asyls als nicht wirklich relevant anzusehen. Der Beschwerdeführer habe keine besonderen Aspekte einer Integration aufzuweisen. Er sei nicht in der Lage sich auf Deutsch zu verständigen und er habe sich nicht um eine sprachliche Integration bemüht. Soziale Kontakte des Beschwerdeführers in Österreich hätten nicht festgestellt werden können und seine seit 1. Jänner 2005 gemeldete Tätigkeit als Koch sei von einem häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes geprägt. Ferner sei der Beschwerdeführer mit 41 Jahren nach Österreich gekommen, habe in China eine Ehefrau, zwei Kinder sowie weitere Verwandtschaft und sei dort seit seinem sechzehnten Lebensjahr berufstätig gewesen. Es sei daher davon auszugehen, dass er im Fall der Rückkehr nach China über ein soziales Auffangnetz verfüge. Schließlich sei er strafgerichtlich unbescholten, doch sei die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens von solchem Gewicht, dass die allenfalls vorhandenen gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass sein Asylantrag rechtskräftig abgewiesen wurde und er bringt auch nicht vor, über eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich zu verfügen. Im Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG in der Stammfassung erfüllt sei, keinen Bedenken.

Die Beschwerde wendet sich jedoch gegen das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung und ist damit im Recht.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach bereits wiederholt aus, dass ein über zehnjähriger, überwiegend rechtmäßiger inländischer Aufenthalt - mag dieser auch auf asylrechtliche Bestimmungen zurückzuführen sein - den persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet ein großes Gewicht verleihen kann. Bei einer solchen, dermaßen langen Aufenthaltsdauer wird regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich und damit der Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung auszugehen sein. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hatte, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden ausnahmsweise Ausweisungen auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (so etwa in dem dem hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2011, Zl. 2011/18/0100, zugrunde liegenden Fall, vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 20. März 2012, Zl. 2011/18/0256, mwN).

Von einem Fehlen jeglicher Integration kann aber im gegenständlichen Beschwerdefall nicht die Rede sein. Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer zumindest seit 1. Jänner 2005 einer meldepflichtigen Erwerbstätigkeit als Koch in Chinarestaurants nachgehe, doch ging sie von einem häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes und von keiner Verlängerung seines Befreiungsscheines aus. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass der eingeholte Versicherungsdatenauszug nur den Zeitraum ab 1. Jänner 2005 umfasst. Somit wird die in der Berufung vorgebrachte Integration am Arbeitsmarkt "in der langen Zeit seines Aufenthaltes" nicht widerlegt. Darüber hinaus ergeben sich bereits aus dem vorhandenen Versicherungsdatenauszug längerfristige durchgehende Beschäftigungen des Beschwerdeführers von zweieinhalb Jahren, rund 19 Monaten und die letzte noch aufrechte Beschäftigung von über einem Jahr. Lediglich ein Dienstverhältnis dauerte nicht einmal zwei Wochen. Die Ankündigung des Arbeitsmarktservice, dem Beschwerdeführer keinen Befreiungsschein mehr auszustellen, beruht nach dem im Verwaltungsakt enthaltenen E-Mail vom 24. März 2010 auf der erst kürzlich erhaltenen Information über den rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens und schließt eine Legalisierung seiner Beschäftigung noch nicht zwingend aus.

Es kann daher von einer nicht unbedeutenden beruflichen Integration des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Dies bezog die belangte Behörde nicht ausreichend in ihre Überlegungen im Rahmen der Interessenabwägung ein.

Angesichts dieser Umstände erweist sich daher die Ausweisung des Beschwerdeführers als unverhältnismäßig.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. Oktober 2012

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