VwGH 2012/08/0193

VwGH2012/08/019314.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des R F in Wien, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 76/2/23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. Juli 2012, Zl. UVS-07/A/25/2079/2012-30, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §111 Abs1 Z1;
ASVG §33 Abs1;
VStG §51g Abs1;
VStG §51g Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ASVG §111 Abs1 Z1;
ASVG §33 Abs1;
VStG §51g Abs1;
VStG §51g Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen Berufener der B. T. GmbH mit Sitz in Wien zu verantworten, dass es diese Gesellschaft als Dienstgeberin unterlassen habe, den von dieser am 10. September 2010 beschäftigten, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherten G H. vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Er habe dadurch § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG verletzt und werde mit einer Geldstrafe von EUR 770,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage und 2 Stunden) bestraft.

Begründend wiederholte die belangte Behörde den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und fasste das Berufungsvorbringen zusammen. Die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides besteht in der wörtlichen Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers und des Finanzamtes S sowie der Aussagen der Zeugen M F., R G. und des Meldungslegers F H. in "der mündlichen Berufungsverhandlung". Die Tatsachenfeststellung besteht - abgesehen von der Wiederholung des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses - darin, dass G H. als Kraftfahrzeuglenker bei der B. T. GmbH beschäftigt gewesen sei. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der objektive Unrechtsgehalt der angelasteten Tat könne nicht als gering gewertet werden,

"da die illegale Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften auf gesamtwirtschaftlicher Ebene zur volkswirtschaftlichen Schäden und - zusätzlich - zu einer Wettbewerbsverzerrung"

führe. Der Unrechtsgehalt der Tat sei selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen beträchtlich. Das Verschulden des Beschwerdeführers könne nicht als geringfügig angesehen werden. Erschwerend sei kein Umstand gewesen. Mildernd könne kein Umstand berücksichtigt werden, weil dem Beschwerdeführer insbesondere der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht zu Gute komme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, zu welcher sich der Beschwerdeführer geäußert hat, erwogen hat:

Als Verfahrensmangel macht die Beschwerde insbesondere geltend, dass G H. von der belangten Behörde nicht als Zeuge vernommen wurde. Die belangte Behörde hätte den nicht erschienen Zeugen neuerlich laden bzw. vorführen lassen müssen. Eine Einvernahme wäre allein schon deshalb erforderlich gewesen, um zu klären, für welche Firma G H. nun tatsächlich zum Vorfallszeitpunkt tätig gewesen sei (B. T. GmbH oder B. S. GmbH).

Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde gegen diesen mangelhaft begründeten Bescheid zum Erfolg:

Aus dem vorgelegten erstinstanzlichen Strafakt ergibt sich, dass das Finanzamt S./Kiab am 10. September 2010 eine Niederschrift aufgenommen hat, in der G H. u.a. angab, für die B. S. GmbH tätig gewesen zu sein. Einer vom Finanzamt S./Kiab für den Kontrollort erstellten Arbeitnehmerliste ist hingegen zu entnehmen, dass G H. am 10. September 2010 bei der B. T. GmbH als Aushilfe beschäftigt gewesen sei.

Der Verhandlungsschrift über die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2012 ist zu entnehmen, dass die Zustellung an den Zeugen G H. ausgewiesen, dieser jedoch unentschuldigt nicht erschienen sei. Der Vertreter des Finanzamts brachte vor, dass G H. "seine Arbeitsleistungen am Sitz des Unternehmens in der P. Straße 15 erbracht hat und dies auch mit einem Fahrzeug der (B. S. GmbH) erbracht hat". Der Vertreter des Beschwerdeführers wies darauf hin, dass die Aussagen des G H. in sich widersprüchlich seien und dass es um die Glaubwürdigkeit (dieses Zeugen) ginge.

Nachdem die Vertreter des Beschwerdeführers und des Finanzamtes auf die Einvernahme des G H. verzichtet hatten, wurden in der genannten Berufungsverhandlung folgende Erklärungen abgegeben:

"Seitens des FA (Finanzamt) wird der Verlesung der Niederschrift vom 10.9.2010 über die Einvernahme des Herrn G H. zugestimmt, wonach der Vertreter des FA meint, die Zustimmung sei gar nicht erforderlich, wenn es dem UVS nicht möglich ist, den Zeugen H. zur Verhandlung stellig zu machen.

Seitens des (Vertreters des Beschwerdeführers) wird einer Verlesung der genannten Niederschrift nicht zugestimmt. Dies wird damit begründet, dass die Angaben des Herrn H. in dieser Niederschrift widersprüchlich sind."

Hierauf vertagte die belangte Behörde die Verhandlung auf unbestimmte Zeit insbesondere zur Einvernahme des ausgebliebenen Zeugen G H.

G H. wurde von der belangten Behörde (neuerlich) als Zeuge zur mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2012 geladen. Er teilte am 26. Juni 2012 mit, dass er nicht erscheinen könne, weil er krank sei. In der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2012 stellte die belanget Behörde fest, "G H., Zustellung ausgewiesen, nicht entschuldigt (ohne Beleg laut eigenen Angaben erkrankt)". Im Protokoll über die mündliche Verhandlung findet sich die Feststellung "auf die Verlesung des Akteninhalts wird verzichtet". Die Vertreterin des Finanzamts stellte einen "Antrag auf Einvernahme des Herrn H. mittels Zwangsvorführung, da der Verdacht nahe liegt, dass die angegebene Krankheit nicht der Wahrheit entspricht". Der Vertreter des Beschwerdeführers wies zu diesem Antrag darauf hin, dass G H. in seiner Niederschrift selbst angegeben habe, dass er bei der B. S. GmbH beschäftigt sei. Eine Zuordnung zur B. T. GmbH stünde im Widerspruch zu diesen niederschriftlichen Angaben. Die Vertreterin des Finanzamtes führte dazu aus,

"dass das von Herrn H. benützte Fahrzeug auf die (B. S. GmbH) zugelassen ist und ich den Firmennamen vom Zulassungsschein abgeschrieben habe. Am Kontrollblatt hingegen sieht man, dass Herr H. angegeben hat, für die (B. T. GmbH) zu arbeiten".

Ohne weitere Beweise aufzunehmen hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid verkündet.

In Anbetracht dieses Verfahrensstandes, insbesondere der einander widersprechenden Beweisergebnisse, konnte es nicht zweifelhaft sein, dass die Vernehmung des G H. für die Entscheidung der Sache erforderlich und dieser Beweis daher gemäß § 51g Abs. 1 VStG aufzunehmen war, zumal die Voraussetzungen für eine Verlesung der diesbezüglichen Niederschrift vom 10. September 2010 iSd § 51g Abs. 3 VStG nicht vorgelegen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2009/09/0088) und die belangte Behörde die Niederschrift demgemäß auch gar nicht verlesen hat. Vor diesem Hintergrund kann es nicht als Akt schlüssiger Beweiswürdigung in einem mängelfreien Verfahren gewertet werden, wenn die belangte Behörde ihre Feststellung, dass G H. bei der B. T. GmbH beschäftigt gewesen wäre, ausschließlich darauf stützt, dass diese in der genannten Arbeitnehmerliste vom 10. September 2010 (Blatt 30 des erstinstanzlichen Aktes) als Arbeitgeber verzeichnet war, wozu noch kommt, dass der Vertreter des Finanzamtes in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2012 angab, dass G H. seine Arbeitsleistungen mit einem Fahrzeug der B. S. GmbH erbracht haben soll. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, näher auf die vom Beschwerdeführer ebenfalls bekämpfte Strafbemessung und den Umstand einzugehen, dass die belangte Behörde zum angeblich nicht vorliegenden "Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit" ebenfalls keine Feststellungen getroffen hat.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Zuerkennung von Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 14. November 2012

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