VwGH 2012/08/0110

VwGH2012/08/011017.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des GW in G, vertreten durch Mag. Klaus Fuchs und Mag. Gernot Weiß, Rechtsanwälte in 4040 Linz, Parzhofstraße 1, gegen den Ersatzbescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 6. April 2012, Zl. BMASK-421655/0002-II/A/3/2012, betreffend Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Normen

GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
UGB §161;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
UGB §161;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, Zl. 2009/08/0288, verwiesen.

Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 28. Oktober 2009 (mit dem gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember 2006 in der Kranken- und Pensionsversicherung festgestellt worden war) mit der Begründung aufgehoben, dass bei der aus natürlichen Personen bestehenden Kommanditgesellschaft aus dem Gesellschaftsvertrag bzw. aus der vereinbarten Kapital- und Betriebsmitteleinbringung des Kommanditisten sowie aus seiner Gewinn- und Verlustbeteiligung keine über die Befugnisse eines Kommanditisten (§§ 161 ff UGB) hinausgehenden Einflussmöglichkeiten auf den (gewöhnlichen) Geschäftsbetrieb der KG abgeleitet werden könnten. Weitere Feststellungen oder eine nähere Begründung dafür, aus welchen zusätzlichen Anhaltspunkten zu schließen sei, dass der Beschwerdeführer "faktisch die Geschicke der KG immer nach seinem Willen beeinflussen könne", lägen nicht vor.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Ersatzbescheid hat die belangte Behörde wiederum festgestellt, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember 2006 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterlegen sei.

Der Beschwerdeführer und seine Frau JW hätten am 18. Jänner 2005 einen Gesellschaftsvertrag zur Errichtung einer Kommanditgesellschaft zwecks Fortführung des bisher vom Beschwerdeführer als Einzelunternehmer geführten Hotelbetriebes und Taxigewerbes X abgeschlossen. Im Gesellschaftsvertrag sei vereinbart worden, dass JW ihre Arbeitsleistungen und in einem gesondert abzuschließenden Zusammenschlussvertrag der Beschwerdeführer seinen Hotelbetrieb H sowie eine Pflichteinlage von EUR 7.500,-- einbringen (Punkt III). Die Komplementärin JW sei gemäß Punkt IV alleine zur geschäftsführenden Vertretung nach außen berechtigt und verpflichtet gewesen.

Der Beschwerdeführer sei als Kommanditist mit 90 % am Gewinn und Verlust sowie ausschließlich an den stillen Reserven sowie am Firmenwert beteiligt. JW erhalte für ihre Arbeitsleistung sowie für die Übernahme der persönlichen Haftung eine monatliche Vergütung von EUR 1.000,--; darüber hinaus sei JW am Gewinn und Verlust mit 10 % beteiligt (Punkt V).

In Punkt VI des Gesellschaftsvertrages werde statuiert, dass die Gesellschaft mit dem Kündigungstermin aufgelöst sei, sofern sich nicht der am Vermögen ausschließlich beteiligte Kommanditist (der Beschwerdeführer) dazu entschließe, die Firma mit einem anderen Gesellschafter fortzuführen. Sei die Gesellschaft durch Kündigung aufgelöst, gingen sämtliche Aktiva und Passiva auf den Kommanditisten über, der das Unternehmen in Gesamtrechtsnachfolge fortführe. JW erhalte lediglich den Stand des buchmäßigen Kapitalkontos.

Die Firma "Hotel G. KG" sei am 7. Mai 2008 gelöscht worden. Ab diesem Tag führe der Beschwerdeführer das Hotel G. als Einzelunternehmen weiter. Aus dem Auszug aus dem zentralen Gewerberegister vom 10. September 2008 ergebe sich, dass der Beschwerdeführer ab dem 7. Mai 2008 das Taxigewerbe und das Gastgewerbe in der Betriebsart Hotel angemeldet habe. Mit 1. Oktober 2009 seien diese Gewerbeberechtigungen gelöscht worden.

Das Finanzamt G habe mit Bescheid vom 6. November 2007 für das Bemessungsjahr 2006 festgestellt, dass der Beschwerdeführer Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe von EUR 17.372,90 bezogen habe.

Im Zeitraum vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember 2006 habe der Beschwerdeführer eine Pension von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt bezogen. Die Einkünfte des Beschwerdeführers aus Gewerbebetrieb im Jahr 2006 würden die maßgebliche Versicherungsgrenze des § 4 Abs. 1 Z 6 GSVG (EUR 3.997,92) übersteigen. Der Beschwerdeführer sei auf Grund seiner Tätigkeit als Kommanditist keiner Pflichtversicherung nach einem anderen Bundesgesetz unterlegen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, Komplementär und Kommanditist wären grundsätzlich Mitunternehmer des von der KG betriebenen gewerblichen Unternehmens. Dies ergebe sich daraus, dass § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG auf § 23 EStG verweise. Diese Mitunternehmerschaft könnte nur dann verneint werden, wenn die Gesellschafter "ausnahmsweise" keine Unternehmerinitiative entfalten könnten und kein Unternehmerrisiko tragen würden.

Der Beschwerdeführer habe den Betrieb vor 2005 als Einzelunternehmen geführt. Anfang 2005 sei eine Kommanditgesellschaft gegründet worden, in welche der Beschwerdeführer das gesamte Unternehmen eingebracht habe. Eine Aufgabe der betrieblichen unternehmerischen Tätigkeit des Beschwerdeführers habe nicht stattgefunden. Es läge keine "reine Kapitalbeteiligung" des Beschwerdeführers vor. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer - wie davor und danach als Einzelunternehmer - als "Herr des Unternehmens" verhalten habe. Es sei nicht glaubwürdig, dass ein Kommanditist, welcher als Einzelunternehmer ein Unternehmen aufbaue und hohe Investitionen tätige, diesen Vermögenswert in eine KG einbringe und mit "sofortiger Wirkung" nur sein Kapital arbeiten lasse. Ein Kommanditist in dieser Konstellation werde sehr wohl auf die Wertsteigerung seiner Vermögenseinlage, mit welcher die Gesellschaft tatsächlich stehe und falle, Acht geben. Er werde "naturgemäß Unternehmerinitiative entfalten", um seine Investitionen wieder "hereinzuholen". Der Beschwerdeführer habe "durch Branchenkenntnisse" maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens ausüben können.

Dass die Kommanditgesellschaft vom Beschwerdeführer abhängig gewesen sei, zeige auch Punkt VI des Gesellschaftsvertrages. Auch diese Bestimmung deute darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer ein Anliegen gewesen sei, dass der Betrieb erhalten bleibe und er ihn fortführen könne. Die Mitunternehmerschaft des Beschwerdeführers liege nicht nur "auf Grund von faktischen Gegebenheiten" vor, sondern ergebe sich auch "auf Grund der Gesetze". Der Beschwerdeführer sei auch aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht "aktiv tätig". In solch einer Konstellation könne von einem "reinen Kapitalgeberkommanditisten" keine Rede sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde bringt vor, der dem Vorerkenntnis Zl. 2009/08/0288 zu Grunde liegende Sachverhalt sei dem hier angefochtenen Bescheid unverändert zu Grunde gelegt worden. Der Beschwerdeführer habe sein Kapital zur Verfügung gestellt. Eine darüber hinausgehende aktive betriebliche Tätigkeit sei von ihm nicht ausgeübt worden. Dies sei auch im Verwaltungsverfahren nie in Zweifel gezogen worden. Die Komplementärin habe jahrelang leitend im gastronomischen Betrieb erfolgreich gearbeitet. Ihr habe die Führung des Betriebes alleine überlassen werden können. Die Feststellung, der Beschwerdeführer habe auf Grund seiner Branchenkenntnisse maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens ausüben können, sei nicht richtig, weil es ihm als Kommanditist verwehrt gewesen sei, maßgeblichen Einfluss auf das laufende Geschäft auszuüben. Aus den Regelungen des Punktes VI des Gesellschaftsvertrages betreffend die Kündigung der Gesellschaft könnten keine über die in den §§ 161 ff UGB geregelten Befugnisse hinausgehenden Einflussmöglichkeiten abgeleitet werden. Die belangte Behörde habe den Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes in ihrem Ersatzbescheid keine Beachtung geschenkt.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Vorerkenntnis Zl. 2009/08/0288 ausgesprochen, dass die Beantwortung der Frage, ob sich der Kommanditist in einer für § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG relevanten Weise "aktiv" im Unternehmen betätige, vom Umfang seiner Geschäftsführungsbefugnisse, und zwar auf Grund rechtlicher und nicht bloß faktischer Gegebenheiten, abhänge. Kommanditisten, die nur "ihr Kapital arbeiten lassen" und die daher nicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG pflichtversichert sein sollen, seien jedenfalls jene, deren Rechtsstellung über die gesetzlich vorgesehenen Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung der KG nicht hinausgingen.

Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren nicht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer auf rechtlicher Ebene Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt worden wären, die über die Mitwirkungsrechte eines Kommanditisten iSd §§ 161 ff UGB hinausgehen. Aus ihren - in beweiswürdigender Hinsicht problematischen und zudem völlig unsubstantiierten - Feststellungen, der Beschwerdeführer habe weiterhin eine "betriebliche unternehmerische Tätigkeit" ausgeübt, er habe sich als "Herr des Unternehmens" verhalten, er würde "naturgemäß Unternehmerinitiative entfalten", um seine Investitionen "hereinzuholen", und er würde "durch Branchenkenntnisse ... maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens" ausüben, kann nicht der rechtliche Schluss gezogen werden, dass sich der Umfang der Geschäftsführungsbefugnisse des Beschwerdeführers in rechtlicher Hinsicht erweitert hätte bzw. dass eine (konkludente) Änderung des zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau bestehenden Gesellschaftsvertrages vorgenommen worden wäre, was allein Grundlage dafür sein könnte, dem Beschwerdeführer in rechtlicher Hinsicht (erweiterte) Geschäftsführungsbefugnisse zuzuordnen (vgl. zur Notwendigkeit einer zumindest konkludenten Änderung des Gesellschaftsvertrages durch entsprechende konkrete Mitwirkungshandlungen des Kommanditisten die hg. Erkenntnisse vom 11. September 2008, Zl. 2006/08/0041, und vom 2. Mai 2012, Zl. 2009/08/0182). Dass eine "Mitunternehmerschaft" des Beschwerdeführers als Kommanditist "bereits auf Grund der Gesetze" vorläge, widerspricht der der belangten Behörde durch das genannte Erkenntnis Zl. 2009/08/0288 überbundenen Rechtsansicht (§ 63 Abs. 1 VwGG).

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. Oktober 2012

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