VwGH 2009/08/0288

VwGH2009/08/028821.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des GW in G, vertreten durch Dr. Reinhard Selendi, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Freiung 14, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 28. Oktober 2009, Zl. BMASK-421655/0001-II/A/3/2009, betreffend Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Normen

GSVG 1978 §2 Abs1 Z4 idF 1998/I/139;
HGB §164;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4 idF 1998/I/139;
HGB §164;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember 2006 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterlegen sei.

In der Begründung stellte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und neben Zitierung der maßgeblichen Bestimmungen fest, dass der Beschwerdeführer und seine Frau JW am 18. Jänner 2005 einen Gesellschaftsvertrag zur Errichtung einer Kommanditgesellschaft zwecks Fortführung des bisher vom Beschwerdeführer als Einzelunternehmer geführten Hotelbetriebes und Taxigewerbes X abgeschlossen haben. Im Gesellschaftsvertrag sei vereinbart worden, dass JW ihre Arbeitsleistungen und in einem gesondert abzuschließenden Zusammenschlussvertrag der Beschwerdeführer seinen Hotelbetrieb H sowie eine Pflichteinlage von EUR 7.500,-- einbringen (Punkt III). Die Komplementärin JW sei gemäß Punkt IV alleine zur geschäftsführenden Vertretung nach außen berechtigt und verpflichtet gewesen. Der Beschwerdeführer sei als Kommanditist mit 90 % am Gewinn und Verlust sowie ausschließlich an den stillen Reserven sowie am Firmenwert beteiligt. JW erhalte für ihre Arbeitsleistung sowie für die Übernahme der persönlichen Haftung eine monatliche Vergütung von EUR 1.000,--; darüber hinaus sei JW am Gewinn und Verlust mit 10 % beteiligt (Punkt V). Das Finanzamt G habe mit Bescheid vom 6. November 2007 für das Bemessungsjahr 2006 festgestellt, dass der Beschwerdeführer ein Einkommen aus Gewerbebetrieb in der Höhe von EUR 17.372,90 bezogen habe. Im Zeitraum vom 1. Jänner bis 31. Dezember 2006 habe der Beschwerdeführer eine Pension von der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt erhalten.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde zur im Beschwerdefall relevanten Frage der Versicherungspflicht des Beschwerdeführers gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG im Wesentlichen aus, es liege auf Grund des Umstandes, dass dem Beschwerdeführer 90 % des Gewinnes zugewiesen werde, während seiner Gattin als Komplementärin bei Übernahme der vollen Haftung und der Geschäftsführung eine monatliche Vergütung in der Höhe von EUR 1.000,-- (zuzüglich einer 10 %igen Beteiligung) zukomme, eine atypische Konstruktion einer Kommanditgesellschaft vor. Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom 13. Mai 2009, Zl. 2006/08/0341, kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass bei (weiterer) Berücksichtigung der zwischen dem Beschwerdeführer und der KG vereinbarten dauerhaften Nutzungsüberlassung des Betriebsvermögens (wobei es sich um den vormals vom Beschwerdeführer geführten Einzelbetrieb handle) gegenüber der Gesellschaft nur davon ausgegangen werden könne, dass der Beschwerdeführer nicht "nur sein Kapital" arbeiten habe lassen, sondern dass ihm diese Betriebsmittel - ohne welche der Betrieb der KG nicht geführt werden könne - eine wesentliche Einflussnahme auf die Geschäftsführung der KG ermöglichen würden. Auch wenn dem Beschwerdeführer im Rahmen des Gesellschaftsvertrages bei der Geschäftsführung nicht ausdrücklich ein bestimmender Einfluss eingeräumt worden sei, so habe er "faktisch" gesehen "die Geschicke der KG immer nach seinem Willen beeinflussen können". Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum seien die Einkünfte des Beschwerdeführers über der maßgeblichen Versicherungsgrenze des § 4 Abs. 1 Z. 6 GSVG gelegen (Wert 2006 EUR 3.997,92) und er sei für seine Tätigkeit als Kommanditist keiner Pflichtversicherung nach einem anderen Bundesgesetz (bzw. einer anderen Bestimmung des GSVG) unterlegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde und Erstattung der Gegenschrift durch die mitbeteiligte Partei erwogen:

1. § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 139/1998 lautet wie folgt:

"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

4. Selbständig erwerbstätigte Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z. 5 oder Z. 6) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Einritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 11. September 2008, Zl. 2006/08/0041, mit der Pflichtversicherung von Kommanditisten nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG in der hier ebenfalls maßgebenden Fassung der 23. GSVG-Novelle, BGBl. I Nr. 139/1998, auseinandergesetzt. Er hat dabei ausgesprochen, dass Kommanditisten einer KG nach Maßgabe einer "aktiven Betätigung" im Unternehmen, die auf Einkünfte gerichtet ist, pflichtversichert sein sollen, nicht aber Kommanditisten, die nur "ihr Kapital arbeiten lassen", d.h. sich im Wesentlichen auf die gesetzliche Stellung eines Kommanditisten beschränken. Die Beantwortung der Frage, ob sich der Kommanditist in einer für § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG relevanten Weise "aktiv" im Unternehmen betätigt, kann in rechtlicher Hinsicht nur vom Umfang seiner Geschäftsführungsbefugnisse und zwar auf Grund rechtlicher - und nicht bloß faktischer - Gegebenheiten abhängen. Kommanditisten, die nur "ihr Kapital arbeiten lassen", und die daher nicht nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG pflichtversichert sein sollen, sind jedenfalls jene, deren Rechtsstellung über die gesetzlich vorgesehenen Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung nicht hinausgeht. Wurden dem Kommanditisten entsprechende Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt, welche über die Mitwirkung an außergewöhnlichen Geschäften hinausgehen, oder steht ihm ein derartiger rechtlicher Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens zu, dann ist es unerheblich, in welcher Häufigkeit von diesen Befugnissen tatsächlich Gebrauch gemacht wird, sowie ob und in welcher Form sich der Kommanditist am "operativen Geschäft" beteiligt oder im Unternehmen anwesend ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2011, Zl. 2007/08/0099).

2. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Feststellung, dass er im gegenständlichen Zeitraum nicht der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterliege, verletzt. In der Beschwerde wird zusammengefasst eingewendet, dass der Beschwerdeführer keine Geschäftsführungsbefugnisse habe, sondern ihm lediglich die Mitwirkungsrechte eines Kommanditisten gemäß den §§ 161 ff HGB zustehen würden und er auch kraft seiner sonstigen Rechtsstellung im Unternehmen keinen Einfluss auf die laufende Geschäftsführung gehabt habe. Weder habe er faktisch Handlungen gesetzt, die auf eine Einflussnahme auf die laufende Geschäftsführung der Komplementärin schließen hätten lassen, noch habe er "einen Widerspruch zur Geschäftsführung der Komplementärin gesetzt". Diesbezüglich seien auch keinerlei gegenteilige Feststellungen getroffen worden. Allein in der Zurverfügungstellung des Gasthausbetriebes sowie der Betriebsliegenschaft könne keine Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Komplementärin erblickt werden.

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu:

Soweit sich die belangte Behörde zur Stützung ihrer Rechtsansicht auf das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 2009, Zl. 2006/08/0341, beruft, übersieht sie, dass diesem - wie die Beschwerde auch zutreffend aufzeigt - ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde lag: In jenem Fall erfolgte in der Konstellation einer GesmbH & Co KG nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung und Vertretung der KG durch die Komplementär - GmbH bzw. durch deren Geschäftsführer. Für die (beschwerdeführende) Kommanditistin der GmbH & Co KG wurde auf Grund des Umstandes, dass sie an der Komplementär - GmbH über einen Kapitalanteil von 75%, damit auch über die für Beschlüsse der Generalversammlung nach dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Mehrheit allein verfügt hat und somit bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführung der GmbH und mittelbar der GmbH & Co KG nehmen konnte, das Vorliegen einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG bejaht.

Dagegen können im vorliegenden Fall einer ausschließlich aus natürlichen Personen bestehenden Kommanditgesellschaft alleine aus den (unstrittigen) Feststellungen zu den Regelungen im Gesellschaftsvertrag bzw. der zwischen dem Beschwerdeführer und der KG vereinbarten (und umgesetzten) Nutzungsüberlassung (insbesondere zur Kapital- und Betriebsmitteleinbringung des Kommanditisten und seiner Gewinn- und Verlustbeteiligung) keine über die in den §§ 161 ff HGB (nunmehr UGB) geregelten Befugnisse eines Kommanditisten hinausgehenden Einflussmöglichkeiten auf den (gewöhnlichen) Geschäftsbetrieb abgeleitet werden (die Risikotragung des Beschwerdeführers war somit durch § 167 Abs. 3 leg. cit. idF vor dem Handelsrechts-Änderungsgesetz, BGBl. I Nr. 120/2005, beschränkt). Weitere Feststellungen oder eine nähere Begründung dafür, aus welchen zusätzlichen Anhaltspunkten zu schließen sei, dass der Beschwerdeführer "faktisch die Geschicke der KG immer nach seinem Willen beeinflussen könne", lässt die belangte Behörde aber vermissen.

3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 21. Dezember 2011

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