VwGH 2012/08/0013

VwGH2012/08/00132.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des JP in T, vertreten durch Mag. Peter Breiteneder, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 12, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservices Oberösterreich vom 14. September 2011, Zl. LGSOÖ/Abt.4/2011-0566-4-000663-0, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1 idF 2007/I/104;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §9 Abs7 idF 2007/I/104;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1 idF 2007/I/104;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §9 Abs7 idF 2007/I/104;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice T vom 15. August 2011, mit dem der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 26. Juli 2011 bis 19. September 2011 ausgesprochen wurde, nicht stattgegeben.

Der Beschwerdeführer beziehe seit 7. April 2008 mit kurzen Unterbrechungen Notstandshilfe. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice T habe ihm am 18. Juli 2011 eine Beschäftigung als Transitarbeiter beim Verein zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung (FAB) mit Arbeitsort in L in einem näher bezeichneten Geschäft mit mindestens kollektivvertraglicher Entlohnung nach dem BABE-Kollektivvertrag und möglicher Arbeitsaufnahme am 26. Juli 2011 "verbindlich angeboten".

Das Beschäftigungsverhältnis sei nicht zustandegekommen. In der vor der regionalen Geschäftsstelle aufgenommenen Niederschrift vom 1. August 2011 habe der Beschwerdeführer angegeben, dass eine Beschwerde gegen die Zuweisungen zu sozialökonomischen Betrieben vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig sei. Er bestehe auf einer rationalen Begründung für die Sinnhaftigkeit einer Zuweisung zu einem sozialökonomischen Betrieb, da dies lediglich eine vorübergehende Beschäftigung auf den zweiten Arbeitsmarkt darstelle.

Nach wörtlicher Wiedergabe des Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers - im Wesentlichen machte dieser geltend, er habe trotz wiederholter Aufforderung keine objektive Begründung für die wiederholte Zuweisung zu einem sozialökonomischen Betrieb erhalten - führt die belangte Behörde aus, sie habe den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26. August 2011 über die durchgeführten Ermittlungen informiert und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer habe keine weitere Stellungnahme abgegeben.

Unstrittig sei, dass dem Beschwerdeführer am 18. Juli 2011 von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice T eine Beschäftigung als Transitarbeiter bei einem näher bezeichneten Verein mit mindestens kollektivvertraglicher Entlohnung und möglicher Arbeitsaufnahme "verbindlich angeboten" worden sei.

Der Beschwerdeführer habe das Beschäftigungsverhältnis nicht angetreten, weil er auf einer rationalen Begründung für die Sinnhaftigkeit einer Zuweisung zu einem sozialökonomischen Betrieb bestehe, da dies lediglich eine vorübergehende Beschäftigung darstelle.

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice T habe dem Beschwerdeführer im Betreuungsplan vom 18. und 20. Juli 2011 eine Begründung für die Zuweisung gegeben. Demnach habe der Beschwerdeführer selbst wiederholt vorgebracht, dass er seit einer nach seiner Ansicht vorsätzlichen Schädigung durch jenen Dienstgeber, bei dem er letztmalig ein längeres Beschäftigungsverhältnis erreicht hatte, Probleme bei Bewerbungen habe. Auch die vom Arbeitsmarktservice gesetzten Vermittlungsversuche und die eigenen Bewerbungen des Beschwerdeführers in seinem bisher ausgeübten Beruf hätten zu keinem Erfolg geführt, sodass bei einer entsprechenden Vorstellung beim Verein FAB jedenfalls eine Beschäftigung für ihn möglich gewesen wäre.

Nach Darlegung des § 10 Abs. 1 AlVG hält die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer das verbindliche Angebot einer zumutbaren Beschäftigung verweigert habe. Da im Fall des Beschwerdeführers bereits Ausschlussfristen im Notstandshilfebezug von 31. Juli 2007 bis 5. November 2007, von 7. Jänner 2009 bis 3. März 2009 vorlägen und der Beschwerdeführer seitdem keine neue Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllt habe, sei im Wiederholungsfall der Ausschluss von Bezug der Notstandshilfe für acht Wochen zu verhängen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

§ 9 Abs. 7 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:

"(7) Als Beschäftigung gilt, unbeschadet der erforderlichen Beurteilung der Zumutbarkeit im Einzelfall, auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP), soweit dieses den arbeitsrechtlichen Vorschriften und den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards entspricht. Im Rahmen dieser Qualitätsstandards ist jedenfalls die gegebenenfalls erforderliche sozialpädagogische Betreuung, die Zielsetzung der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen theoretischen und praktischen Ausbildung sowie im Falle der Arbeitskräfteüberlassung das zulässige Ausmaß überlassungsfreier Zeiten und die Verwendung überlassungsfreier Zeiten zu Ausbildungs- und Betreuungszwecken festzulegen."

§ 10 Abs. 1 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:

"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde."

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass es für eine Beschäftigung in einem sozialökonomischen Betrieb neben der Zumutbarkeit zusätzlicher Voraussetzungen bedürfe, damit eine derartige Beschäftigung "sanktionstauglich" im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zugewiesen werden könne. Die Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit der Beschäftigungszuweisung zu einem sozialökonomischen Betrieb sei einzelfallbezogen zu lösen. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde würden derartige Beschäftigungsarten keinesfalls als generell zumutbar gelten.

Nach dem weiteren Beschwerdevorbringen seien die Voraussetzungen für die Zuweisung zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt nicht gegeben gewesen seien, wobei er ausführlich die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darlegt.

3. Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass im Beschwerdefall nicht die Zuweisung zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung zu beurteilen war, sondern die Zuweisung zu einer Beschäftigung. Der mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe stützt sich daher ausdrücklich auf § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG, nicht aber auf § 10 Abs. 1 Z 2 oder 3 AlVG.

Mit der Zulässigkeit der Zuweisung zu einer Beschäftigung bei einem sozialökonomischen Betrieb gemäß § 9 Abs. 7 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 hat sich der Verwaltungsgerichtshof mittlerweile in dem - ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden -

hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2012, Zl. 2009/08/0077, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, befasst und ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass auch die Weigerung, eine zumutbare Beschäftigung im Rahmen eines sozialökonomischen Betriebes anzunehmen, zum Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG führen kann.

Wie sich aus der im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen Berufung des Beschwerdeführers und dem weiteren Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes ergibt, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren lediglich generell die Zuweisung zu einem sozialökonomischen Betrieb abgelehnt, jedoch keine Einwendungen gegen die Zumutbarkeit der ihm konkret zugewiesenen Beschäftigung vorgebracht, sodass auch der Hinweis auf die erforderliche einzelfallbezogene Beurteilung der Zumutbarkeit ins Leere geht.

4. Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde auch Bedenken hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung für die zugewiesene Beschäftigung geltend.

Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen wäre, allfällige Zweifel über seine Eignung für die zugewiesene Beschäftigung mit dem Arbeitsmarktservice abzuklären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2010, Zl. 2008/08/0151). Da er diesbezüglich im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht hat, war auf die Beschwerdeausführungen zur behaupteten mangelnden gesundheitlichen Eignung für die zugewiesene Beschäftigung auf Grund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 VwGG geltenden Neuerungsverbots nicht einzugehen.

5. Der Beschwerdeführer macht schließlich noch geltend, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (in der Wiedergabe des an den Beschwerdeführer gerichteten Schreibens mit der Aufforderung zur Stellungnahme) ausgeführt habe, dass die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid nicht eigenhändig unterschrieben worden sei und bis zum 12. September 2011 unterschrieben an die belangte Behörde zurückgesendet werden müsse, andernfalls das Anbringen nicht mehr behandelt werde. Da die Berufung in der Folge jedoch nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen worden sei, sei davon auszugehen, dass die Berufung rechtzeitig bei der belangten Behörde eingegangen sei. Es sei aber nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde weder in den Sachverhaltsfeststellungen noch in der rechtlichen Beurteilung auf die Einwendungen bzw. das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Rechtsmittel eingehe. Die belangte Behörde habe somit "das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers verletzt"; der angefochtene Bescheid erwecke den Eindruck, "bausteinartig" zusammengesetzt zu sein, was einen Begründungsmangel darstelle.

Mit diesem Vorbringen bestreitet der Beschwerdeführer nicht, rechtzeitig eine schriftliche Berufung bei der belangten Behörde eingebracht zu haben, und er behauptet auch nicht, durch die nicht erfolgte Zurückweisung der Berufung beschwert zu sein. Die pauschale Kritik an der Begründung des angefochtenen Bescheides macht nicht deutlich, welche Einwendungen bzw. Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung von der belangten Behörde nicht behandelt worden wären, zumal in der Berufung im Wesentlichen die Zuweisungstauglichkeit einer Beschäftigung bei einem sozialökonomischen Betrieb allgemein in Frage gezogen wurde und darüber hinaus kein weiteres für die entscheidenden Sach- und Rechtsfragen relevantes Vorbringen erstattet wurde. Die entscheidende Rechtsfrage, nämlich ob die Zuweisung zu einer Beschäftigung in einem sozialökonomischen Betrieb zulässig ist, ohne dass hiefür dieselben Voraussetzungen wie bei der Zuweisung zu einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt vorliegen müssten, wurde von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheid ausreichend behandelt, sodass auch die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vorliegt.

6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung er beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 2. Mai 2012

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