VwGH 2011/21/0209

VwGH2011/21/020928.8.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der E in S, vertreten durch Dr. Alexander Rehrl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Alpenstraße 54, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 18. Juli 2011, Zl. UVS-5/14127/6-2011, betreffend Bestrafung wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §120 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §120 Abs5 Z2;
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z3;
VStG §44a Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §120 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §120 Abs5 Z2;
FrPolG 2005 §46a Abs1 Z3;
VStG §44a Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, gemäß ihren Angaben eine Staatsangehörige von Moldau, reiste 2003 nach Österreich ein und stellte hier einen Asylantrag. Dieser wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 8. Oktober 2009 abgewiesen. Eine in erster Instanz noch ergangene asylrechtliche Ausweisung behob der Asylgerichtshof jedoch ersatzlos, und zwar weil gegen die minderjährige Tochter der Beschwerdeführerin - diese hatte lediglich einen Asylerstreckungsantrag gestellt - noch keine Ausweisung ergangen war.

Mit Bescheid vom 22. März 2011 wies die Bundespolizeidirektion Salzburg die Beschwerdeführerin in der Folge gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus. Über die dagegen erhobene Berufung erging jedenfalls bis zur Erlassung des hier gegenständlichen Bescheides keine Entscheidung.

Bereits im Mai 2010 war die Bundespolizeidirektion Salzburg an die Botschaft der Republik Moldau - unter gleichzeitiger Übersendung von "Personalblättern", die die Beschwerdeführerin ausgefüllt hatte - wegen der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für die Beschwerdeführerin herangetreten. Nach mehreren Urgenzen antwortete die genannte Botschaft mit Note vom 13. Oktober 2010 schließlich - Fehler im Original - wie folgt:

"Mit Bezug auf Ihren Screiben vom 5 Oktober 2010, teile ich mit dass (Beschwerdeführerin und Ihre Tochter) existieren in inserer Informationssystem nicht. Aufgrund dieser falschen persoenlichen Information kann die Botschaft ein Heimreisezertifikat nicht ausstellen."

Mit Straferkenntnis vom 22. März 2011 verhängte die Bundespolizeidirektion Salzburg gegen die Beschwerdeführerin wegen Verletzung von § 120 Abs. 1 Z 2 (iVm § 15 Abs. 2) iVm § 31 Abs. 1 FPG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage).

In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin insbesondere vor, dass sie an der Verwaltungsübertretung, dem unrechtmäßigen Aufenthalt, "keinerlei Verschulden" treffe. Sie könne das Bundesgebiet nicht verlassen, weil sie über keine Reisedokumente verfüge. Sollte die Botschaft der Republik Moldau tatsächlich mitgeteilt haben, dass auf Grund ihrer "falschen persönlichen Angaben" kein Heimreisezertifikat ausgestellt werden könne, so sei diese Mitteilung falsch, weil ihre Angaben korrekt seien; der Grund dafür, dass sie (Beschwerdeführerin) offenkundig in den Registern ihres Heimatstaates nicht aufscheine, sei ihr nicht bekannt; es treffe sie jedoch auch daran kein Verschulden.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Salzburg (die belangte Behörde) wies die Berufung mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 18. Juli 2011 unter teilweiser Neuformulierung des Spruches (insbesondere dahingehend, dass der Beginn des Tatzeitraumes einschränkend mit 1. Jänner 2010 angegeben wurde) als unbegründet ab. Dabei sprach er u.a. auch aus, dass "die übertretene Norm '§ 31 Abs. 1 FPG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 122/2009' zu lauten" habe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage seitens der belangten Behörde erwogen:

§ 120 FPG lautete in der hier maßgeblichen Fassung des FrÄG 2009 - allerdings bereits mit Berücksichtigung der Kundmachung BGBl. I Nr. 17/2011 - unter der Überschrift "Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt" auszugsweise wie folgt:

"§ 120. (1) Wer als Fremder

  1. 1. nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einreist oder
  2. 2. sich nicht recht(s)mäßig im Bundesgebiet aufhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. …

(2) …(4)

(5) Eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs. 1 Z 2 liegt nicht vor,

  1. 1.
  2. 2. solange der Fremde geduldet ist (§ 46a)

(6) …(10)"

Das oben wiedergegebene Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin zielte der Sache nach darauf ab, es liege der Strafausschließungsgrund nach § 120 Abs. 5 Z 2 FPG - Duldung des Aufenthalts der Beschwerdeführerin - vor. Dem erwiderte die belangte Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin laut eigenen Angaben hinsichtlich ihres Heimreisezertifikates nicht selbst mit der Botschaft der Republik Moldau in Verbindung gesetzt habe. Weil sie (somit) "jegliche Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die Erlangung eines Heimreisezertifikates" habe vermissen lassen, lägen die Voraussetzungen für eine Duldung nicht vor.

Diese Überlegung greift zu kurz.

Gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG in der hier maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011 ist der Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet geduldet, solange seine Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich scheint.

Dass die Beschwerdeführerin (jedenfalls bezogen auf den hier in Rede stehenden Tatzeitraum) mangels Ausstellung eines Heimreisezertifikates tatsächlich nicht abgeschoben werden konnte, stellte auch die belangte Behörde nicht in Zweifel. Wenn sie aber im Ergebnis meint, dies habe die Beschwerdeführerin im Sinn des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG selbst zu vertreten, so ist sie auf die insoweit auf die hier zu beurteilende Rechtslage übertragbare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum (seinerzeitigen) Abschiebungsaufschub zu verweisen. Danach kann allein aus Botschaftsmitteilungen in der Art der hier vorliegenden Note der Botschaft der Republik Moldau vom 13. Oktober 2010 nicht abgeleitet werden, der Fremde habe eine falsche Staatsangehörigkeit angegeben oder seine Identität verschleiert (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0132). Fehlt es aber an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, die Beschwerdeführerin habe Falschangaben gemacht, so ist auch nicht ersichtlich, inwieweit eine persönliche Vorsprache aus eigener Initiative zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Botschaft der Republik Moldau hätte führen können. Aus dem Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin hinsichtlich eines Heimreisezertifikates nicht selbst mit der Botschaft in Verbindung gesetzt hat, woraus die belangte Behörde eine Verletzung ihre Mitwirkungspflicht folgerte, lässt sich daher ebenso wenig die Beurteilung ableiten, die Abschiebung der Beschwerdeführerin sei aus von ihr zu vertretenden Gründen tatsächlich unmöglich.

Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde in Bezug auf die Frage einer allfälligen Duldung des Aufenthalts der Beschwerdeführerin während des Tatzeitraumes - gegebenenfalls läge gemäß § 120 Abs. 5 Z 2 FPG die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht vor - die Rechtslage verkannt. Schon deshalb war der angefochtene Bescheid, in dem überdies die verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinn des § 44a Z 2 VStG falsch benannt wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/21/0434), gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 28. August 2012

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