VwGH 2011/12/0038

VwGH2011/12/003825.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des R F in S, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in 1090 Wien, Garnisongasse 11/1, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Österreichischen Postbus Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 12. Jänner 2011, Zl. 0289B-HÖP/10, betreffend Versagung von Überstundenvergütung, der Feststellung der Anwendbarkeit von zivilrechtlichen Prinzipien auf das Dienstverhältnis und der Beischaffung von Bezugsabrechnungen,

Normen

ArbVG §117;
ArbVG;
AVG §56;
AVG §63 Abs2;
BDG 1979 §49;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GehG 1956 §15 Abs1 Z1 idF 1972/214;
ÖIAGG 2000 §12 Abs3;
PBVG 1996 §3 Z3;
PBVG 1996 §67 Abs1;
PVG 1967 §25 Abs4;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ArbVG §117;
ArbVG;
AVG §56;
AVG §63 Abs2;
BDG 1979 §49;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GehG 1956 §15 Abs1 Z1 idF 1972/214;
ÖIAGG 2000 §12 Abs3;
PBVG 1996 §3 Z3;
PBVG 1996 §67 Abs1;
PVG 1967 §25 Abs4;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde gegen den dritten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides wird zurückgewiesen;

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird in seinen beiden ersten Spruchpunkten wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Beamter in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist gemäß § 17 Abs. 1a des Poststrukturgesetzes - PTSG der Österreichischen Postbus Aktiengesellschaft zur Dienstleistung zugewiesen. Unbestritten ist, dass er - offenbar auf der Grundlage des § 17 Abs. 1a zweiter Satz PTSG - bis 7. Juli 2005 bei der ÖBB-Postbus GmbH verwendet wurde und mit schriftlicher Erledigung der damaligen Leiterin des beim Vorstand der Österreichischen Postbus Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 27. Juni 2005 angewiesen wurde, seinen Dienst ab 8. Juli 2005 bei der Busbetrieb GmbH, nunmehr Linien GmbH zu verrichten und seit diesem Tag bei diesem Unternehmen Dienst versieht.

In seiner Eingabe vom 3. August 2010, betreffend "… Bescheidmäßige Feststellung von Überstunden und laufende Bezüge", begehrte der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer

a) die besoldungsrechtliche Abgeltung der von ihm in den Kalenderwochen 22 bis 28 (des Jahres 2010) geleisteten Überstunden im Ausmaß von 26 Stunden und 23 Minuten,

b) die besoldungsrechtliche Abgeltung der Nebengebühren für die Monate Juni und Juli 2010 (ihm sei lediglich der Grundgehalt ausbezahlt worden) und

c) die besoldungsrechtliche Abgeltung der durchschnittlichen Monatsbezüge für die Monate Juni und Juli 2010 abzüglich der bereits geleisteten Monatsbezüge sowie der zu Punkt a) und b) zu leistenden Zahlungen.

Er sei trotz seiner Arbeitsbereitschaft von der Linien GmbH ab 1. Juni 2010 vom Dienst freigestellt worden, sodass ihm die Monatsbezüge gebührten, die ihm ohne diese rechtswidrige Dienstfreistellung gebührt hätten. Falls eine Liquidierung nicht erfolge, werde eine bescheidmäßige Feststellung des Anspruches begehrt. Der Eingabe war eine handschriftliche Aufstellung der in den Kalenderwochen 22 bis einschließlich 28 (des Jahres 2010) geleisteten Überstunden angeschlossen.

Mit Erledigung vom 23. November 2010 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, das amtswegige Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass dieser tatsächlich seit 1. Juni 2010 vom Dienst freigestellt sei und seit diesem Zeitpunkt nur mehr sein Grundgehalt beziehe. Die Dienstbehörde gehe daher davon aus, dass sich Punkt a) seines Antrages bzw. der übermittelten Überstundenaufstellung auf "fiktive Überstunden" beziehe, die geleistet worden wären, wenn es nicht zur Dienstfreistellung gekommen wäre. Diesfalls ginge es in diesem Verfahren daher nur um die (Rechts-)Frage, ob das im zivilen Arbeitsrecht geltende "Ausfallsprinzip" auch im öffentlichen Dienstrecht zur Anwendung gelange.

Sofern sein Antrag nicht so zu verstehen sei, werde er aufgefordert, binnen drei Wochen entsprechende Konkretisierungen vorzunehmen. Weiters werde er aufgefordert, binnen gleicher Frist einen Nachweis (beispielsweise durch Vorlage des Dienstplanes) zu erbringen, dass seine planmäßige Weiterverwendung über den 31. Mai 2010 hinaus tatsächlich zu den von ihm handschriftlich verzeichneten Überstunden geführt hätte. Ungeachtet der Tatsache, dass rechtliche Überlegungen der Behörde nicht zum Gegenstand des Parteiengehörs zählten, teile sie mit, sie vertrete die Auffassung, dass "Nebenbezüge" nur für Zeiträume zustehen könnten, in denen auch eine Dienstleistung erbracht worden sei.

Hiezu nahm der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 30. Dezember 2010 dahingehend Stellung, es sei richtig, dass er ohne jeglichen Grund seit 1. Juni 2010 vom Dienst freigestellt sei und nunmehr - trotz seiner Arbeitsbereitmeldung - nur mehr sein Grundgehalt erhalte. Beim Antrag bzw. bei der ermittelten Überstundenaufstellung handle es sich um dienstplanmäßige Überstunden, die geleistet worden wären, wenn es nicht ab 1. Juni 2010 zur unrechtmäßigen Dienstfreistellung gekommen wäre. Ausgehend von einem vierwöchigen Schicht- und Wechseldienst erbringe er eine tatsächliche Leistung von 182,13 Stunden. Da die Sollleistung 173,20 Stunden betrage, leiste er 9,33 Überstunden. Demnach betrügen die aushaftenden dienstplanmäßigen Überstunden "9,33 Stunden x 7 Monate = 65,31 Stunden". Zum Beweis dafür werde die "Stundenaufteilung Winter 2009/2010" vorgelegt.

Es gehe in diesem Verfahren daher um die Frage, ob das "zivilrechtliche Ausfallsprinzip" auch für den Beschwerdeführer gelte. Ausdrücklich werde darauf hingewiesen, dass er bereit sei, die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten. Dies scheitere jedoch grundlos am Verhalten der Linien GmbH, der der Beschwerdeführer zugewiesen sei. Das willkürliche Verhalten des Unternehmens könne nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen, sodass die belangte Behörde veranlassen müsse, dass er ordnungsgemäß, nämlich so, als ob er seinen Dienst versehen hätte, entlohnt werde. Selbstverständlich stünden ihm auch die Nebengebühren, das seien "Dienstzulage § 105/4 GG, Betriebssonderzulage A, Erschwerniszulage FSD und Geldverkehrszulage", zu, welche hiemit ebenfalls dem Grunde nach begehrt würden.

Diesbezüglich werde beantragt, die Behörde möge bei der Linien GmbH die Bezugsabrechnungen für den Zeitraum vom 1. Juni 2009 bis 31. Mai 2010 und ab 1. Juni 2010 bei der ÖBB Postbus GmbH beischaffen und dem Beschwerdeführer nach Erhalt und Zusendung die Möglichkeit einräumen, hiezu Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer erhalte seit 1. Juni 2010 keine Bezugsabrechnungen mehr. Er sehe lediglich die angewiesenen Gesamtbeträge am Kontoauszug.

Hinzu komme noch, dass er nicht nur Mitglied des Betriebsrates sei, sondern auch Vorsitzender des Betriebsrates und gemäß § 115 Abs. 3 ArbVG während der Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit nicht benachteiligt werden dürfe, sodass ihm die Bezüge schon aus diesem Grunde zustünden.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde über den Antrag vom 3. August 2010, "konkretisiert und ausgedehnt durch die im Rahmen des Parteiengehörs erstattete Stellungnahme" vom 30. Dezember 2010, wie folgt ab:

"1. Ihr Antrag auf Abgeltung von im Zeitraum 1.6.2010

bis 31.12.2010 fiktiv geleisteten Überstunden im Ausmaß von

65,31 Stunden wird abgewiesen,

2. Ihr Antrag auf Feststellung, dass das

zivilrechtliche 'Ausfallsprinzip' auf Ihr Dienstverhältnis zur

Anwendung zu bringen ist, wird abgewiesen,

3. Ihr Antrag auf Beischaffung der Bezugsabrechnungen

für den Zeitraum 1.6.2009 bis 31.5.2010 bei der Linien GmbH bzw.

ab 1.6.2010 bei der ÖBB-Postbus GmbH und Einräumung der

Möglichkeit einer Stellungnahme hiezu wird abgewiesen."

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, ihr sei der vom Beschwerdeführer dargestellte Sachverhalt in Bezug auf die seit 1. Juni 2010 bestehende Dienstfreistellung bekannt bzw. sei dieser Sachverhalt nicht strittig, sodass es weiterer Beweiserhebungen nicht bedurft habe. Folgender Sachverhalt stehe fest:

"Als Bundesbeamter sind Sie gemäß § 17 Abs. 1a Z 3 des Poststrukturgesetzes (PTSG), BGBl. Nr. 201/1996 auf Dauer der Österreichischen Postbus AG zur Dienstleistung zugewiesen. Bis 7.7.2005 wurden Sie gemäß § 17 Abs. la Satz 2 PTSG bei der ÖBB-Postbus GmbH verwendet. Mit Schreiben vom 27.6.2005 der damaligen Leiterin des beim Vorstand der Österreichischen Postbus Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamts, Frau Dkfm. W.G., wurden Sie gemäß § 17 Abs. 1a zweiter Satz PTSG angewiesen, Ihren Dienst ab 8.7.2005 bei der Busbetrieb GmbH, nunmehr Linien GmbH, zu verrichten. Dieser Dienstanweisung entsprechend versehen Sie seit diesem Zeitpunkt Ihren Dienst bei der Linien GmbH.

Die Linien GmbH stellte Sie auf Grund verschiedener, von ihr zur Anzeige gebrachter Dienstpflichtverletzungen mit 1.6.2010 vom Dienst frei. Auf Grund dieser Dienstpflichtverletzungen wurde gegen Sie vor dem Senat XVIII der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen … ein Disziplinarverfahren durchgeführt, das noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.

Seit 1.6.2010, dem Zeitpunkt der Dienstfreistellung, wird Ihr Grundgehalt - jedoch ohne jedwede Nebengebühren - wieder von der ÖBB-Postbus GmbH zur Auszahlung gebracht."

Anschließend erwog die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht:

"Zu den Punkten 1 und 2:

Ein Anspruch auf Nebengebühren ist untrennbar mit der dem Anspruch zu Grunde liegenden Verwendung verknüpft. Fällt eine Verwendung weg, mit der die Erbringung der anspruchsbegründenden Leistung bzw. das Entstehen anspruchsbegründender Aufwendungen verbunden ist, führt dies grundsätzlich auch zum Wegfall der Nebengebühr. Der tatsächliche Wegfall der den Nebengebührenanspruch begründenden bisherigen Verwendung durch eine Personalmaßnahme (z.B. Versetzung, Verwendungsänderung) führt deshalb auch grundsätzlich zum Wegfall der aus diesem Titel bisher gebührenden Nebengebühr, sofern die neue Verwendung nicht ihrerseits einen solchen Anspruch begründet. Ein Nebengebührenanspruch trotz des Wegfalles der bisherigen anspruchsbegründenden Verwendung durch eine Personalmaßnahme kann daher nicht damit begründet werden, dass die - in welcher Form auch immer verfügte - Personalmaßnahme rechtswidrig erfolgt sei, sodass von einer Weitergeltung des Nebengebührenanspruches auf Grund der früheren Tätigkeit auszugehen wäre, wenn diese tatsächlich nicht mehr ausgeübt wird. Auf die Rechtmäßigkeit der zum tatsächlichen Wegfall der früheren anspruchsbegründenden Tätigkeit führenden Personalmaßnahme kommt es dabei nicht an. Es ist vielmehr allein auf den 'tatsächlichen Sachverhalt der Leistungserbringung' abzustellen, der bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt - unbestritten - nicht mehr gegeben ist, da Sie - auch nach Ihrem eigenen Vorbringen - seit 1.6.2010 vom Dienst freigestellt sind. Auf Grund der Freistellung von der Dienstleistung kann auch ausgeschlossen werden, dass eine 'neue Verwendung', die Sie seit dem 1.6.2010 ausüben, einen solchen Anspruch begründet.

Ihr Vorbringen, wonach Ihre Dienstfreistellung gegen Ihren Willen erfolgt sei und dass Sie jederzeit leistungsbereit seien, ist für die rechtliche Beurteilung des hier gegenständlichen Sachverhaltes nicht von Bedeutung. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in der unter der Geschäftszahl 2004/12/0121 ergangenen Entscheidung vom 20.5.2005 bereits eingehend mit den hier maßgeblichen Rechtsfragen befasst und ausgesprochen, dass bei Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch auf Nebengebühren auch nach Wegfall der bisher anspruchsbegründenden Verwendung bestehe, die Rechtmäßigkeit einer Personalmaßnahme für die Beurteilung eines Anspruches auf Nebengebühren nicht von Belang sei. Ein Anspruch auf Nebengebühren besteht daher selbst dann nicht, wenn die zum Wegfall der Verwendung führende Personalmaßnahme rechtswidrig erfolgt ist.

Das Beamtendienstverhältnis zählt zum Regelkreis des öffentlichen Rechts, welcher nicht auf der Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen fußt und auf den Prinzipien des Zivilrechts nicht unbesehen übertragen werden können. Finanzielle Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen sind in jede Richtung gesetzlich determiniert, wobei es in Bezug auf einen Anspruch auf Nebengebühren für Zeiten, in denen die anspruchsbegründende Tätigkeit aus in der Sphäre des Arbeitgebers gelegenen Gründen nicht ausgeübt wird, eine etwa dem § 1155 ABGB vergleichbare Regelung im öffentlichen Dienstrecht nicht gibt.

Ihrem Argument, wonach Ihnen die nicht zur Auszahlung gebrachten fiktiven Überstunden bzw. Nebengebühren auch auf Grund Ihrer Funktion als Vorsitzender des Betriebsrates gemäß § 115 Abs. 3 ArbVG zustünden, kann ebenfalls nicht gefolgt werden.

§ 115 leg. cit. statuiert lediglich das Verbot, ein Mitglied der Belegschaftsvertretung in Ausübung seiner Tätigkeit zu beschränken oder zu benachteiligen. Tatsächlich wurden die verfahrensgegenständlichen Leistungen jedoch nicht wegen Ihrer Betriebsratstätigkeit, sondern auf Grund des Wegfalles der anspruchsbegründenden Tätigkeit - in Übereinstimmung mit den einschlägigen Normen bzw. der hiezu ergangenen Rechtsprechung des VwGH - eingestellt. Eine Weitergewährung dieser Leistungen würde nicht nur im Widerspruch zu den den Anspruch auf Nebengebühren regelnden Normen stehen, sondern überdies einen Verstoß gegen das von herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung aus § 115 Abs. 1 ArbVG abgeleitete Verbot, Mitglieder der Belegschaftsvertretung wegen Ihres Mandates zu bevorzugen, bedeuten.

Zu Punkt 3)

In Ihrer Stellungnahme vom 30.12.2010 stellen Sie den Antrag, die Behörde möge Bezugsabrechnungen beischaffen und Ihnen zur Stellungnahme übermitteln. Aus der Formulierung dieses Antrages (Arg. 'Diesbezüglich wird beantragt,...') unter Bezugnahme auf den Absatz oberhalb - betreffend die hier verfahrensgegenständlichen fiktiven Überstunden bzw. Nebenbezüge - ist abzuleiten, dass Sie die Beischaffung dieser Bezugsabrechnungen zur Untermauerung Ihres Anspruches auf Abgeltung bloß fiktiv geleisteter Überstunden bzw. Feststellung der Gebührlichkeit von Nebengebühren nach dem Ausfallsprinzip beantragen. Da es sich bei Beurteilung dieser Ansprüche um reine Rechtsfragen handelt, zu deren Beurteilung die beantragten Bezugsabrechnungen irrelevant waren, war deren Beischaffung nicht erforderlich."

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Entlohnung seiner "fiktiv erbrachten Überstunden bzw. Nebengebühren als Mitglied und Vorsitzender des Betriebsrates gemäß § 115 ArbVG verletzt"; er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es sei - so die Beschwerde zum Aspekt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides - unstrittig, dass, selbst wenn man davon ausginge, dass die Dienstfreistellung rechtswidrig und gegen den Willen des Beamten erfolgt wäre, grundsätzlich einem Beamten die Nebengebühren nicht zustehen würden, weil diese von der tatsächlichen Erbringung der anspruchsbegründenden Leistung abhängig seien. Auf den vorliegenden Fall sei dieser Grundsatz jedoch aus nachstehenden Erwägungen nicht anzuwenden: Der Beschwerdeführer sei nicht nur Mitglied des Betriebsrates, sondern auch Betriebsratsvorsitzender. Als solcher sei er mangels der erforderlichen Zahl von Mitarbeitern nicht nach § 117 ArbVG freigestellt. Der Oberste Gerichtshof sei in "der Grundsatzentscheidung zu 9 ObA 88/07t" zur Auffassung gelangt, dass Arbeitgeber der zugewiesenen Beamten nach dem Poststrukturgesetz weiterhin der Bund sei, welcher diese direkt an die Österreichische Postbus AG überlasse. Seine Dienstgeberfunktion übe der Bund durch das bei der Österreichischen Postbus AG ex lege eingerichtete Personalamt aus. Auf Grund der ex lege erfolgten "Entsendung" der Beamten gelange auf deren Dienstverhältnisse auch nicht das AÜG zur Anwendung. Dennoch müsse das AÜG materiell berücksichtigt werden, wenn es um die Beantwortung der Frage gehe, welche Auswirkungen die im Beschäftigerbetrieb folgende Betriebsratstätigkeit auf den Beschwerdeführer habe. Daraus ergebe sich nämlich unstrittig, dass die belangte Behörde in Ausübung der Dienstgeberfunktion die Bestimmungen der §§ 115 bis 122 ArbVG einzuhalten habe. Gelangten jedoch diese Bestimmungen zur Anwendung, so müsse zwangsläufig auch die belangte Behörde § 115 Abs. 3 ArbVG gegen sich gelten lassen, wonach Mitglieder des Betriebsrates in Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt und wegen dieser hinsichtlich des Entgeltes und der Aufstiegsmöglichkeiten nicht benachteiligt werden dürften. Unter das Benachteiligungsverbot falle auch die Benachteiligung hinsichtlich des Entgelts. Ein Betriebsratsmitglied dürfe weder durch seine Tätigkeit noch durch eine allfällige Dienstfreistellung Entgeltverluste erleiden. In diesem Punkt gelte für das Betriebsratsmitglied wie für jeden Arbeitnehmer das "Entgelt-Ausfallprinzip".

Zum dritten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides:

In diesem Spruchpunkt hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Beischaffung näher bezeichneter Bezugsabrechnungen und auf Einräumung von Gehör hiezu abgewiesen. Der Beschwerdeführer hatte ein dahingehendes Begehren in seiner Stellungnahme vom 30. Dezember 2010 erkennbar dazu erhoben, um sein Begehren auf Nebengebühren untermauern zu können, weil er keine Bezugsabrechnungen mehr erhalte und lediglich die ihm angewiesenen Gesamtbeträge auf seinem Kontoauszug kenne.

Die in Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Ablehnung eines Beweisantrages stellt eine Verfahrensanordnung dar (vgl. etwa die in Walter/Thienel, AVG I2, unter E 293 zu § 63 AVG wiedergegebene Judikatur sowie Hengstschläger/Leeb, AVG, 3. Teilband, Rz 53 zu § 63 mwN).

Da Verfahrensanordnungen im Sinn des § 63 Abs. 2 AVG keine Bescheidqualität aufweisen, finden auf sie auch die für die Erlassung von Bescheiden speziell maßgeblichen Bestimmungen keine Anwendung. Wird eine während eines Verwaltungsverfahrens ergehende Verfahrensanordnung in die äußere Form eines Bescheides gekleidet, erlangt sie dadurch nicht Bescheidqualität (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 2009, Zl. 2008/12/0090, unter Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, aaO, Rz 57 zu § 63).

Damit mangelt es aber der Versagung der Beischaffung von Beweismitteln, mag dies auch in den dritten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides Eingang gefunden haben, der Qualität eines Bescheides im Sinn des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG bzw. § 26 Abs. 1 VwGG, weshalb der Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegen steht und diese gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen ist (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 2. Juli 2009).

Im zweiten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde einen Antrag auf Feststellung, dass das zivilrechtliche "Ausfallsprinzip" auf das Dienstverhältnis zur Anwendung zu bringen sei, ab.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Dieses rechtliche Interesse ist nur dann gegeben, wenn dem Feststellungsbescheid im konkreten Fall die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Ein wirtschaftliches, politisches oder wissenschaftliches Interesse rechtfertigt nicht die Erlassung eines Feststellungsbescheides. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittig Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann. Die bescheidförmige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen ist überdies nur auf Grund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zulässig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2008, Zl. 2007/12/0013, mwN).

Abgesehen davon, dass dem vorliegenden Fall, insbesondere den vorgelegten Verwaltungsakten, nicht entnommen werden kann, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Feststellung der Maßgeblichkeit eines zivilrechtlichen Prinzips für sein Dienstverhältnis erhoben hatte, wäre die strittige Rechtsfrage, ob ein "zivilrechtliches Prinzip" für das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers maßgeblich ist, im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens, nämlich eines besoldungsrechtlichen Streits, zu beantworten, womit sich der zweite Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides als inhaltlich rechtswidrig erweist.

Im ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde einen Antrag auf Abgeltung von im Zeitraum vom 1. Juni bis 31. Dezember 2010 "fiktiv geleisteten Überstunden" im Ausmaß von 65,31 Stunden ab.

Abgesehen davon, dass dem Verwaltungsverfahren ebenfalls nicht entnommen werden kann, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Abgeltung "fiktiv geleisteter Überstunden" während der Monate Juli bis Dezember 2010 gestellt hat, erweist sich dieser Spruchpunkt aus folgenden Überlegungen als rechtswidrig:

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, dass der Beschwerdeführer auf der Grundlage des § 17 Abs. 1a zweiter Satz PTSG bei der Linien GmbH in Verwendung steht, seit 1. Juni 2010 jedoch von diesem Unternehmen "vom Dienst freigestellt" worden sei.

Der Beschwerdeführer vertritt im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wie schon im Verwaltungsverfahren die Ansicht, dass ihm als Mitglied des Betriebsrates die Bezüge (samt Nebengebühren) nach § 115 Abs. 3 ArbVG fortzuzahlen seien. Die belangte Behörde hält dem im angefochtenen Bescheid entgegen, dass die verfahrensgegenständlichen Leistungen (offensichtlich die Nebengebühren) nicht wegen der Betriebsratstätigkeit des Beschwerdeführers, sondern wegen des Wegfalls der anspruchsbegründenden Tätigkeiten eingestellt worden seien. Eine Weitergewährung dieser Leistungen würde eine Bevorzugung des Belegschaftsvertreters bedeuten.

Zur Beantwortung der Frage, ob die Einstellung von Nebengebühren einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Fortzahlung von Nebengebühren verletzt, ist vorerst zu klären, ob der Beschwerdeführer unter das Post-Betriebsverfassungsgesetz - PBVG oder unter das Arbeitsverfassungsgesetz - ArbVG fällt.

Nach § 3 Z. 3 PBVG gelten bei Unternehmen, die durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus der Post und Telekom Austria AG hervorgegangen sind und an denen die Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft bzw. die Post und Telekom Austria AG direkt oder indirekt eine Beteiligung von mehr als 25 % halten, (anstelle des ArbVG) die betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen des II. Teiles des PBVG.

Nach § 12 Abs. 3 letzter Satz des ÖIAG-Gesetzes 2000, BGBl. I Nr. 24, gelten die Bestimmungen des II. Teiles des PBVG für die Unternehmen gemäß § 3 Z. 3 PBVG, an denen die ÖIAG direkt oder indirekt eine Beteiligung von mehr als 25 % hält.

Ist daher eine dieser Voraussetzungen nicht mehr gegeben, findet nicht das Post-Betriebsverfassungsgesetz, sondern das Arbeitsverfassungsgesetz Anwendung (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 7. Mai 2008, 9 ObA 88/07t). Nähere Feststellungen zur abschließenden Beantwortung der Maßgeblichkeit des Post-Betriebsverfassungsgesetzes oder des Arbeitsverfassungsgesetzes für Beamte, die bei der Linien GmbH verwendet werden, enthält der angefochtene Bescheid nicht.

Allerdings sehen § 65 PBVG wie § 115 ArbVG gleichermaßen vor, dass das Mandat ein Ehrenamt ist, das, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, neben den Berufspflichten auszuüben ist (Abs. 1 leg. cit.) und dass Mitglieder der Personalvertretungsorgane bzw. des Betriebsrates in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt und wegen dieser, insbesondere hinsichtlich des Entgelts und der Aufstiegsmöglichkeiten, nicht benachteiligt werden dürfen (Abs. 3 leg. cit.).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei der Beurteilung der Frage, in welcher Höhe Überstundenvergütung nach § 67 PBVG fortzuzahlen ist, eine individuelle und nicht eine kollektive Betrachtungsweise anzustellen. Maßgeblich wäre daher der "mutmaßliche Verdienst" des Beamten im Falle der Fortsetzung seiner Arbeitsleistung. Auch für die Bemessung des Anspruches auf Nebengebühren gilt, dass - wie es der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 25 Abs. 4 PBVG entspricht - grundsätzlich in pauschalierter Betrachtungsweise auf jenes Überstundenmaß abzustellen ist, welches dem Beamten vor der Freistellung tatsächlich abgegolten wurde. Allerdings ist der Behörde zuzubilligen, dass aus dem vom Verwaltungsgerichtshof in der Vorjudikatur immer wieder hervorgehobenen Grundsatz, wonach der Personalvertreter aus seiner Tätigkeit keinen Nachteil, aber auch keinen Vorteil ziehen solle, die Berechtigung abgeleitet werden kann, von der eben zitierten Pauschalbetrachtung abzugehen, sobald im konkreten Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Personalvertreter (auf Grund zwischenzeitig geänderter Verhältnisse) im gedachten Fall der Erbringung seiner Dienstleistung keine oder eine niedrigere Überstundenvergütung beziehen würde als in dem oben umschriebenen Beobachtungszeitraum vor seiner Freistellung. Ein solcher Nachweis lässt sich mit der hiefür erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit in aller Regel freilich nur dadurch führen, dass auf die Arbeitssituation jenes Beamten abgestellt wird, der den Personalvertreter nach seiner Freistellung auf seinem Arbeitsplatz vertritt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. März 2011, Zl. 2010/12/0046, sowie vom 29. Juni 2011, Zl. 2010/12/0132, mwN).

Schließich hat der Verwaltungsgerichtshof zum Fortzahlungsanspruch nach § 117 ArbVG ausdrücklich eine behördliche Praxis als nicht rechtswidrig bezeichnet, wonach "variable Zulagen" einer freigestellten Personalvertreterin in gleicher Höhe zur Auszahlung gebracht werden wie jener Dienstnehmerin, die sie nach ihrer Freistellung jeweils vertreten hat (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 30. März 2011 mwN). Im Beschwerdefall ist nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens unklar, ob der Beschwerdeführer bis zu seiner "Freistellung" auf Grund eines Fortzahlungsanspruches (nach § 65 PBVG oder nach § 115 ArbVG) oder auf Grund tatsächlich geleisteter Dienste im Genuss von Nebengebühren stand, die die belangte Behörde sodann einstellte.

Vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Rechtsprechung würde daher die Einstellung der in Rede stehenden Nebengebühren den Beschwerdeführer in diesem Fall nur dann nicht in seinem Recht auf Fortzahlung der Bezüge nach § 65 Abs. 1 erster Satz PBVG oder § 115 Abs. 1 erster Satz ArbVG sowie auf Gleichbehandlung nach § 65 Abs. 3 PBVG bzw. nach § 115 Abs. 3 ArbVG verletzen, wenn die belangte Behörde auf Grund eines ordnungsgemäßen Beweisverfahrens und nachvollziehbar begründeter Feststellungen mit hoher Wahrscheinlichkeit nachweist, dass der Beamte auch dann (wirksam) freigestellt worden wäre, wenn er nicht Personalvertreter gewesen wäre.

Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 30. Dezember 2010 seine "Freistellung" vom Dienst durch die Linien GmbH als "willkürlich" bezeichnet und abschließend vorgebracht, dass er als Mitglied und Vorsitzender des Betriebsrates gemäß § 115 Abs. 3 ArbVG nicht benachteiligt werden dürfe, sodass ihm die Bezüge schon aus diesem Grund zustünden. Unter Zugrundelegung des Maßstabes der wiedergegebenen Rechtsprechung entbehrt jedoch der angefochtene Bescheid nachvollziehbar begründeter Feststellungen darüber, ob die "Freistellung" des Beschwerdeführers - mit hoher Wahrscheinlichkeit - auch dann erfolgt wäre, wenn er nicht Personalvertreter bzw. Mitglied des Betriebsrates wäre. Die zu den ersten beiden Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides eingangs wiedergegebene abschließende Begründung, wonach die verfahrensgegenständlichen Leistungen nicht wegen der Betriebsratstätigkeit, sondern schon wegen des Wegfalls der anspruchsbegründenden Tätigkeiten eingestellt worden seien, lässt die Frage unbeantwortet, ob die anspruchsbegründenden Tätigkeiten auch dann weggefallen wären, wäre der Beschwerdeführer nicht Personalvertreter oder Mitglied des Betriebsrates.

Ebenso wenig vermögen in der Gegenschrift nachgetragene Gründe für die "Freistellung" des Beschwerdeführers vom Dienst mangelnde Feststellungen des angefochtenen Bescheides zu ersetzen.

Nach dem Gesagten waren die beiden ersten Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 25. Jänner 2012

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