VwGH 2011/02/0058

VwGH2011/02/005824.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des MK in N, vertreten durch Dr. Gerold Hirn, Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Gilmstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 21. Jänner 2011, Zl. UVS-1-1135/K1-2010, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer schuldig erachtet, er habe am 9. Oktober 2010 um 18.18 Uhr in F ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt; der Test am geeichten Alkomaten habe einen Alkoholgehalt der Atemluft von 1,15 mg/l ergeben. Er habe dadurch eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 StVO begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 2.800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 478 Stunden) verhängt wurde.

In der Begründung gab die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers wieder. Nach seinem Vorbringen in der Berufung habe der Beschwerdeführer sein Fahrzeug vor einem Geschäft geparkt und sich dort mit drei Personen getroffen. Zu diesem Zeitpunkt habe er keinen Alkohol konsumiert gehabt. Diese Zeugen seien nicht einvernommen worden, weshalb das Verfahren mangelhaft geblieben sei. Nach diesem kurzen Treffen mit den drei Personen habe er unerwartet einen Anruf von seiner Freundin bekommen. Bei diesem Telefonat sei es zu einem heftigen Streit gekommen. In dieser Gemütsverfassung sei er rückwärts auf die Hauptstraße gefahren und habe nicht bemerkt, dass er ein anderes Fahrzeug angefahren habe. Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrzeuges habe er keinen Alkohol konsumiert gehabt. Er sei sodann zum Parkplatz der Arbeiterkammer gefahren und habe dort sein Fahrzeug geparkt. Dort sei es nicht mehr in Betrieb genommen worden. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er eine 0,7 l-Flasche Wodka ausgepackt und die gesamte Flasche innerhalb kurzer Zeit bei nüchternem Magen ausgetrunken. Bis dahin sei er ca. sieben Monate alkoholabstinent gewesen. Die Erstbehörde sei zu Unrecht nicht davon ausgegangen, dass er einen Nachtrunk getätigt hat, sondern das Fahrzeug in einem alkoholisierten Zustand gelenkt und einen Verkehrsunfall verursacht habe. Das Nichterwähnen des Nachtrunkes sei ausschließlich darauf zurückzuführen, dass er derart betrunken gewesen sei, dass er gar nicht im Stande gewesen sei, zum Nachtrunk Angaben zu machen. Er habe lediglich sagen können, er habe viel zu viel getrunken.

Auf Grund der bei der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung stellte diese fest, dass der Beschwerdeführer am 9. Oktober 2010 um 18.18 Uhr den dem Kennzeichen nach bestimmten PKW an einem näher angeführten Ort in einem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand gelenkt habe. Im Zuge dieser Fahrt sei er gegen ein geparktes Fahrzeug gefahren und habe an diesem den vorderen linken Außenspiegel beschädigt. Er habe das Fahrzeug, ohne an der Unfallstelle anzuhalten, in weiterer Folge auf den Parkplatz bei der Arbeiterkammer in F. abgestellt. Nach ca. 20 Minuten sei der Beschwerdeführer zu Fuß zur Unfallstelle zurückgekehrt. Die um 18.44 Uhr mit einem geeichten Alkomaten durchgeführte Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt habe einen Wert von 1,15 mg/l Atemalkohol ergeben.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, die Anzeigenlegerin habe als Zeugin glaubhaft ausgesagt, dass sie mit dem Beschwerdeführer eine Alkoholuntersuchung mit einem Alkomaten durchgeführt habe. Über das erzielte Ergebnis sei der Beschwerdeführer nicht verwundert gewesen. Man habe mit ihm auch "normal" sprechen können. Die an ihn gerichteten Fragen habe der Beschwerdeführer zielgerichtet beantwortet. Die Anzeigenlegerin habe dem Beschwerdeführer vor und nach der Alkoholuntersuchung nach seinem Alkoholkonsum befragt. Er habe angegeben, dass er auf einem Markt in R gewesen sei und dort "viel zu viel" getrunken habe. Weil er "viel zu viel" getrunken habe, sei er auch nicht gefahren. Weiters habe er angegeben, dass er vor einer Stunde das letzte Mal Alkohol getrunken habe. Auf Grund dieser Angaben habe die Anzeigenlegerin in die Anzeige hineingeschrieben, dass der Beschwerdeführer um 17.45 Uhr den letzten Alkoholkonsum gehabt habe. Es stehe somit fest, dass der Beschwerdeführer um 18.18 Uhr selbst den PKW von der Unfallstelle zu dem Parkplatz bei der Arbeiterkammer gelenkt habe und bei der Amtshandlung die an ihn gerichteten Fragen bezüglich des Nachtrunkes verstanden und auf diesbezügliche Fragen schlüssige Antworten gegeben habe. Den Angaben über den Wodka-Konsum auf dem Parkplatz bei der Arbeiterkammer nach dem Abstellen des PKWs schenke die belangte Behörde keinen Glauben, weil dieser Nachtrunk nicht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit behauptet und auch nicht die Menge des konsumierten Alkohols angegeben worden sei. Zu Beginn der Atemluftuntersuchung habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er vor einer Stunde, somit um ca. 17.45 Uhr (Lenkzeitpunkt 18.18 Uhr) den letzten Alkoholkonsum gehabt habe. Erstmals in seiner Rechtfertigung vor der Erstbehörde am 2. November 2010 habe der Beschwerdeführer einen Nachtrunk ("Fast eine ganze Flasche Wodka") behauptet, obwohl ihm dies bereits zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Zudem habe der Beschwerdeführer auch die Nachtrunkmenge nicht unter Beweis stellen können. Damit stehe fest, dass der Beschwerdeführer den in Rede stehenden PKW zur Tatzeit und am Tatort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Dem in der Berufungsverhandlung gestellten Beweisantrag auf Einvernahme jener Personen als Zeugen zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt kein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, sei nicht Folge zu geben gewesen, da diese Personen zum behaupteten Nachtrunk keine Angaben hätten machen und auch das Alkomatergebnis nicht hätten entkräften können.

In der Folge stellte die belangte Behörde rechtliche Überlegungen zur Tat an und begründete die Höhe der verhängten Verwaltungsstrafe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seiner Rechtsrüge verweist der Beschwerdeführer zwar auf die von der belangten Behörde zu Grunde gelegten Feststellungen, geht aber in der Folge von einem Nachtrunk aus, sodass die darauf basierenden rechtlichen Überlegungen nicht auf der Grundlage des festgestellten Sachverhaltes getroffen wurden. Ein weiteres Eingehen auf die Rechtsrüge erübrigt sich daher.

Als Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde die drei von ihm namhaft gemachten Zeugen nicht vernommen habe, zumal diese aussagen hätten können, er sei im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrzeuges nicht alkoholisiert gewesen.

Dass die namhaft gemachten Zeugen keinen Eindruck einer Alkoholisierung des Beschwerdeführers gehabt hätten, ist unerheblich, weil die allfällige diesbezügliche Aussage der - medizinisch nicht gebildeten - Zeugen keine sicheren Schlussfolgerungen auf die (Nicht-)Alkoholisierung des Beschwerdeführers zugelassen hätten (vgl. dazu das Erkenntnis vom 28. Jänner 2011, Zl. 2010/02/0279).

Soweit der Beschwerdeführer die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des von ihm behaupteten Nachtrunkes in Frage stellt, ist er auf Folgendes zu verweisen:

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Es schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten stand hält, mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. November 2011, Zl. 2008/02/0395, mwN).

Wie der Beschwerdeführer richtig erkennt, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit eines behaupteten Nachtrunkes dem Umstand Bedeutung beigemessen, zu welchem Zeitpunkt der Lenker diese Behauptung aufgestellt hat (vgl. aus jüngerer Zeit das eben zitierte Erkenntnis vom 18. November 2011, mwN). Davon ausgehend übersieht der Beschwerdeführer jedoch, dass sich die belangte Behörde im Detail mit dem vorliegenden Fall auseinander gesetzt und Argumente gegeneinander abgewogen hat. Die Feststellungen beruhen somit nicht auf einer "formalisierten", sondern auf einer im Einzelfall vorgenommenen ausgewogenen Beweiswürdigung.

Insgesamt erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Februar 2012

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