VwGH 2008/02/0395

VwGH2008/02/039518.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des M P in S, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Dr. Michael Bauer, Dr. Günter Secklehner Rechtsanwalts-OG, in 8940 Liezen, Pyhrnstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 30. Oktober 2008, Zl. UVS 30.8-86/2007-12, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. Oktober 2008 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 29. März 2007, um 18.00 Uhr, an einem näher bezeichneten Ort einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand gelenkt. Die Überprüfung der Atemluft auf Alkoholgehalt mittels geeichtem Alkomaten habe um 19.45 Uhr ein Messergebnis von 0,75 mg/I ergeben. Da die Atemluftüberprüfung 1 ¾ Stunden nach dem Lenken des Fahrzeuges erfolgt sei, sei eine Berechnung anzustellen gewesen, welchen tatsächlichen Blutalkoholgehalt der Berufungswerber zur Tatzeit aufgewiesen habe. Laut Gutachten der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Liezen ergebe sich unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer angegebenen Nachtrunkes zum Lenkzeitpunkt ein Blutalkoholgehalt von mindestens 1,31 Promille.

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 verletzt; über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 880,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage) verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass den Ehegatten K. und S. Sch. am späten Nachmittag des 29. März 2007 ein am landwirtschaftlichen Grundstück des Bruders des K. Sch. abgestellter blauer VW-Golf aufgefallen sei. Beim Vorbeifahren habe Sch. den Beschwerdeführer und J. R. erkannt, welche in dem Fahrzeug gesessen seien. Die beiden hätten sich dort getroffen, um gemeinsam einen Film am neu im Fahrzeug des Beschwerdeführers eingebauten DVD-Player anzuschauen. Um 18.00 Uhr habe der Beschwerdeführer zusammen mit J. R. die Wolfsbachau verlassen, wobei der Beschwerdeführer seinen PKW gelenkt habe. Beabsichtigt sei gewesen, nach W. zu fahren und das Cafe B 117 aufzusuchen. Bei dieser Fahrt habe der Beschwerdeführer eine Alkoholisierung von zumindest 1,31 Promille aufgewiesen. Um 18.15 Uhr habe der Beschwerdeführer das genannte Cafe betreten und dort zwei Cola-Weiß konsumiert. Als die Ehegatten Sch. kurz nach 18.00 Uhr die Strecke wieder zurückgefahren seien, hätten sie im unmittelbaren Nahebereich der Stelle, an der zuvor der VW-Golf gestanden sei, mehrere leere Getränkeflaschen bemerkt. Da sich die Brüder des Sch. in unmittelbarer Nähe aufgehalten hätten, habe er sie auf den Umstand der "Müllablagerung" angesprochen. Sie hätten ihm daraufhin erklärt, dass sie gesehen hätten, dass der VW Golf kurz zuvor in Richtung W. weggefahren sei. Die Ehegatten Sch. hätten sodann ihre Fahrt in Richtung W. fortgesetzt und auf dem Parkplatz des Cafe B 117 den vorher von ihnen wahrgenommenen VW-Golf bemerkt. Gemeinsam hätten sie das Lokal B 117 betreten und Sch. habe den Beschwerdeführer gefragt, ob ihm der am Parkplatz stehende VW-Golf gehöre, was dieser bejaht habe. Sch. habe den Beschwerdeführer ersucht, zurückzufahren und die Flaschen wegzuräumen. Da er den Eindruck gehabt habe, vom Beschwerdeführer nicht ernst genommen zu werden, habe er um 18.30 Uhr persönlich auf der Polizeiinspektion St. Gallen Anzeige erstattet. Gegen

19.15 Uhr habe die Mutter des Beschwerdeführers nach telefonischer Aufforderung ihren Sohn zur Dienststelle nach St. G. gebracht, wo er von den diensthabenden Beamten auf den Umstand der Müllablagerung angesprochen worden sei. Im Zuge dieser Amtshandlung hätten die Beamten beim Beschwerdeführer Alkoholisierungsmerkmale, wie deutlichen Alkoholgeruch, unsicheren Gang, veränderte Sprache und deutliche Bindehautrötung bemerkt, weshalb er zum Alkoholtest aufgefordert worden sei. Der Test am geeichten Alkomaten der Marke Siemens Alkomat M52052/A15, Geräte-Nr. Wll 771, habe um 19.45 Uhr einen Messwert von 0,75 mg/l ergeben. Der Alkomattest sei mit dem Beschwerdeführer von dem hiezu ermächtigen BI P. durchgeführt worden.

Der Beschwerdeführer habe gegenüber den Beamten angegeben, dass er zum Zeitpunkt des Lenkens des Fahrzeuges keine alkoholischen Getränke konsumiert gehabt habe. Erst nachdem er das Fahrzeug abgestellt habe, habe er im Cafe B 117 zwei Cola-Weiß getrunken. Die Verantwortung des Beschwerdeführers sei in der Anzeige der Polizeiinspektion St. G. vom 31. März 2007 festgehalten worden. Der Beschwerdeführer habe als Zeitpunkt des letzten Alkoholkonsums vor der Atemluftmessung 19.00 Uhr angegeben. Aufgrund des vom Beschwerdeführer angegebenen Nachtrunkes seien zwei Beamte in das Cafe B 117 gefahren, um die dort tätige Kellnerin E. St. zu befragen. Diese habe angegeben, dass der Beschwerdeführer um etwa 18.15 Uhr das Cafe B 117 in Begleitung eines Freundes betreten habe, auf sie schon beim Betreten des Lokals einen leicht alkoholisierten Eindruck gemacht habe und bei ihr die von ihm bis 19.00 Uhr konsumierten Getränke, ein großes Cola-Weiß und ein kleines Cola-Weiß, bestellt habe. BI Z. habe zum gegenständlichen Vorfall auch den Freund des Beschwerdeführers befragt, der jedoch keine Angaben gemacht habe.

Laut amtsärztlicher Stellungnahme vom 4. April 2007 ergebe sich zum Lenkzeitpunkt um 18.00 Uhr, aufgrund der Rückrechnung und unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer angegebenen Nachtrunks ein vorwerfbarer Blutalkoholwert von 1,31 g/l.

Erstmals in seiner Stellungnahme vom 31. Mai 2007 habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er am 29. März 2007 mit J. R. in die Nähe des Cafes B 117 gefahren, dort sein Fahrzeug abgestellt und sich in die Wohnung des J. R. begeben habe, wo sie gemeinsam einige Schnäpse konsumiert hätten. Gegen 18.15 Uhr hätten sich der Beschwerdeführer und J. R. in das Cafe B 117 begeben und der Beschwerdeführer habe dort zwei Cola-Weiß getrunken. Der Beschwerdeführer habe am 29. März 2007 gegen 18.00 Uhr, seinen PKW nicht in alkoholisiertem Zustand gelenkt, weil er diesen bereits gegen 17.00 Uhr in der Nähe des Cafe B 117 abgestellt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer nicht alkoholisiert gewesen.

Diese Version des Beschwerdeführers und die abgeänderte Aussage des Zeugen J.R. wurden von der belangten Behörde mit ausführlicher Begründung als unglaubwürdig angesehen.

Die belangte Behörde gelangte daher zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer mit seiner nachträglich getätigten Trinkverantwortung und den Angaben über den Zeitablauf des Nachmittags des 29. März 2007 nicht zu überzeugen vermocht habe, weshalb im Hinblick auf den gültig ermittelten Atemalkoholwert davon auszugehen sei, dass er zur Tatzeit am Tatort sein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bekämpft unter anderem die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des von ihm behaupteten Nachtrunkes. Es ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bedeutet, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Es schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten stand hält, mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/02/0360, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. Oktober 2006, Zl. 2005/02/0315) im Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit eines behaupteten Nachtrunkes dem Umstand Bedeutung beigemessen, zu welchem Zeitpunkt der Lenker diese Behauptung aufgestellt hat. In Anbetracht der Wichtigkeit dieses Umstandes ist nach dieser Rechtsprechung davon auszugehen, dass vom Lenker auf einen allfälligen Nachtrunk bei erster sich bietender Gelegenheit - von sich aus - hingewiesen wird. Weiters entspricht es der hg. Rechtsprechung (vgl. auch dazu das soeben zitierte Erkenntnis), dass derjenige, der sich auf einen Nachtrunk beruft, die Menge des solcherart konsumierten Alkohols konkret zu behaupten und zu beweisen hat. Der Beschwerdeführer hat anlässlich des Alkotests, somit bei der ersten, sich bietenden Gelegenheit, behauptet, 2 Cola-Weiß getrunken zu haben, in der Folge hat er aber seine Verantwortung insofern geändert, als er nach dem Lenken seines Fahrzeuges auch noch "einige Schnäpse" konsumiert haben will. Schon auf Grund dieser im Verfahren wechselnden Angaben des Beschwerdeführers konnte die belangte Behörde die spätere Nachtrunkbehauptung des Beschwerdeführers zu Recht als unglaubwürdig erachten (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 2006, Zl. 2005/02/0315).

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. November 2011

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