VwGH 2010/21/0440

VwGH2010/21/044014.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. Stefan Nenning und Mag. Jörg Tockner, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 6, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 14. September 2010, Zl. 156.616/3-III/4/10, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

31972R2760 ZusProt FinanzProt AssAbk Türkei Art41 Abs1;
ARB1/80 Art13;
FrÄG 2009;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9 idF 2009/I/122;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
31972R2760 ZusProt FinanzProt AssAbk Türkei Art41 Abs1;
ARB1/80 Art13;
FrÄG 2009;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9 idF 2009/I/122;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am 18. Mai 2010 im Wege der Österreichischen Botschaft Ankara gestellten Antrag des Beschwerdeführers, eines seit 4. März 2010 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 und § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurück, weil die zusammenführende Ehefrau am 18. September 1991 geboren sei und daher zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet habe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde macht geltend, dass sich die in § 2 Abs. 1 Z 9 NAG normierte Altersgrenze von 21 Jahren für Ehegatten und eingetragene Partner nur auf den antragstellenden Fremden, nicht aber auf den zusammenführenden (im Beschwerdefall: österreichischen) Ehegatten beziehe.

Diese Auffassung trifft nicht zu. Vielmehr bestimmt § 2 Abs. 1 Z 9 NAG allgemein, dass der Ehegatte - zum Zeitpunkt der Antragstellung - das 21. Lebensjahr bereits vollendet haben muss, gleichgültig, ob es sich um einen österreichischen Staatsbürger, einen Zusammenführenden anderer Staatsangehörigkeit oder den antragstellenden Fremden handelt (vgl. etwa auch das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/21/0509, dem ebenfalls eine Konstellation wie im Beschwerdefall - Nichtstattgebung eines Antrages auf Familienzusammenführung gemäß § 47 Abs. 2 NAG, weil die zusammenführende österreichische Ehefrau noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hatte - zugrunde lag).

Dennoch kommt der Beschwerde im Ergebnis Berechtigung zu:

Die belangte Behörde hat nämlich nicht geprüft, ob dem Beschwerdeführer als türkischem Staatsangehörigen die Stillhalteklauseln des Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ARB 1/80) bzw. des Art. 41 Abs. 1 des mit der Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zugutekommen (vgl zur Bedeutung dieser Stillhalteklauseln etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. Dezember 2011, Zl. 2008/22/0180, vom 19. Jänner 2012, Zl. 2011/22/0313, und vom 26. Jänner 2012, Zl. 2008/21/0304). Da die durch das FrÄG 2009, BGBl. I Nr. 122, erfolgte Anhebung der Altersgrenze für die Familienzusammenführung von Ehegatten auf 21 Jahre im Zeitpunkt der Antragstellung gegenüber der Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997 und der Stammfassung des NAG eine Verschärfung im Hinblick auf die Möglichkeit zur Erlangung des - die Erwerbstätigkeit zulassenden - Aufenthaltstitels, den der Beschwerdeführer anstrebt, auch für türkische Staatsangehörige darstellt, wäre eine solche Prüfung geboten gewesen (so auch das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2012, Zl. 2011/22/0216).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 14. Juni 2012

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