VwGH 2010/17/0215

VwGH2010/17/021520.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler, die Hofrätin Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, in den Beschwerdesachen der P in W, vertreten durch Kommunal-Controll SteuerberatungsgmbH, in 1040 Wien, Trappelgasse 4, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom

1.) 11. Juni 2010, Zl. RV/1360-W/10, RV/1361-W/10, (hg. Zl. 2010/17/0215), 2.) 11. Juni 2010, Zl. RV/3165- W/09, RV/3166-W/09, (hg. Zl. 2010/17/0216), 3.) 11. Juni 2010, Zl. RV/1358-W/10, RV/1359-W/10, (hg. Zl. 2010/17/0217), betreffend Energieabgabenrückvergütung für 2002 und 2003 (weitere Partei: Bundesministerin für Finanzen), den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §2;
BAO §213 Abs1;
BAO §83;
EnergieabgabenvergütungsG 1996 §1;
EnergieabgabenvergütungsG 1996 §2 Abs2 Z1;
EnergieabgabenvergütungsG 1996 §2 Abs4;
ZustG §9 Abs1;
BAO §2;
BAO §213 Abs1;
BAO §83;
EnergieabgabenvergütungsG 1996 §1;
EnergieabgabenvergütungsG 1996 §2 Abs2 Z1;
EnergieabgabenvergütungsG 1996 §2 Abs4;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als verspätet zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.831,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die angefochtenen Bescheide vom 11. Juni 2010 wurden der Beschwerdeführerin nach den vorliegenden Rückscheinen am 14. Juni (vgl. dazu die zur hg. Zl. 2010/17/0216 protokollierte Beschwerde) bzw. am 15. Juni 2010 (vgl. dazu die zur hg. Zl. 2010/17/0215 und 0217 protokollierten Beschwerde) zugestellt.

Mit Eingabe vom 30. August 2010 begehrte die Beschwerdeführerin hinsichtlich dieser drei Berufungsentscheidungen eine (neuerliche) Bescheidzustellung an ihren steuerlichen Vertreter. Dieser sei aus dem Deckblatt jeder Berufung als steuerlicher Vertreter erkennbar gewesen. Zudem sei mit Eingabe vom 29. September 2009 zum Vorlagebericht des Finanzamtes eine unrichtige Angabe zum steuerlichen Vertreter ausdrücklich richtig gestellt worden. Schließlich sei die steuerliche Vertretung auch bei der mündlichen Berufungsverhandlung anwesend gewesen. Da eine Prozessvollmacht auch eine Zustellbevollmächtigung beinhalte (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2000, Zl. 99/03/0325 und vom 22. Dezember 2009, Zl. 2007/08/0329), beantrage die Beschwerdeführerin eine ordnungsgemäße Zustellung an die steuerliche Vertretung, um Fristen für weitere Schritte zu wahren.

Die dem steuerlichen Vertreter von der Beschwerdeführerin eingeräumte, in den Verwaltungsakten einliegende Vollmacht lautete:

"Vollmacht, mit welcher Herrn XY der Kommunal-Controll SteuerberatungsgmbH Prozessvollmacht erteilt wird, die P, (Postanschrift), bezüglich des Verfahrens über die Energieabgabenvergütung für die Kalenderjahre 2002 und 2003 für die eigenen Einrichtungen vor dem unabhängigen Finanzsenat zu vertreten. Wien, am 23. Juli 2009 (Unterschrift) P"

Mit gesonderten Schreiben vom 12. Oktober 2010, hg. eingebracht am 15. Oktober 2010, erhob die Beschwerdeführerin schließlich Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Verbindung der Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung - über deren Zulässigkeit in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1. Gemäß § 9 ZustellG können - soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmen - die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes umfasst eine allgemeine Vollmacht auch die Zustellungsbevollmächtigung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. November 1999, 99/17/0423, und vom 12. September 2002, 2001/15/0158).

Allerdings ist eine Zustellungsbevollmächtigung Abgabenbehörden gegenüber gemäß § 103 Abs. 2 BAO unwirksam, wenn sie entweder ausdrücklich auf nur einige dem Vollmachtgeber zugedachte Erledigungen eingeschränkt ist, die im Zuge eines Verfahrens ergehen (lit. a), oder ausdrücklich auf nur einige jener Abgaben eingeschränkt ist, deren Gebarung gemäß § 213 zusammengefasst verbucht wird (lit. b).

Gemäß § 213 Abs. 1 BAO ist "bei den von derselben Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben und den zu diesen Abgaben zu erhebenden Nebenansprüchen, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, für jeden Abgabepflichtigen … die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlaß entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefaßt zu verbuchen".

Gemäß § 2 lit. a Z. 2 BAO gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sinngemäß in Angelegenheiten der von den Abgabenbehörden des Bundes zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten Vergütungen.

2.2. Für die Beschwerdefälle ist damit nun entscheidend, ob die Energieabgabenvergütung als eine "wiederkehrend zu erhebende Abgabe" im Sinne des § 213 BAO zu qualifizieren ist.

Unter wiederkehrend zu erhebenden Abgaben werden "periodisch festzusetzende Abgaben", wie z.B. veranlagte ESt, veranlagte KSt, USt und Selbstbemessungsabgaben wie z.B. USt-Vorauszahlung oder Lohnsteuer verstanden (Ellinger/Bibus/Ottinger, Abgabeneinhebung durch die Finanzämter, 1996, § 213 Rz 4). Gemeinsam ist diesen Abgaben, dass ihnen eine laufende Tätigkeit des Abgabepflichtigen zu Grunde liegt, die gleichsam ein "abgabenrechtliches Dauerschuldverhältnis" hinsichtlich der betroffenen Abgaben begründet. Beispiele für nicht wiederkehrend zu erhebende Abgaben sind demgegenüber Grunderwerbsteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer oder Rechtsgebühren.

Eine nach § 2 BAO sinngemäße Anwendung von § 213 Abs. 1 BAO für Vergütungen wird den Begriff der "wiederkehrend zu erhebende Abgabe" als "wiederkehrend zu gewährende Vergütung" verstehen müssen. Die Energieabgabenvergütung ist dabei als eine solche zu qualifizieren. So zeigt schon § 1 EAVG den periodischen Charakter der Energieabgabenvergütung, wenn er davon spricht, die entrichteten Energieabgaben seien jeweils "für ein Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr)" zu vergüten. Das Gleiche gilt für § 2 Abs. 2 Z 1 EAVG hinsichtlich der diesbezüglichen Antragstellung ("je Kalenderjahr (Wirtschaftjahr)").

Gemäß § 2 Abs. 4 EAVG obliegt die Vergütung dem für die Erhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt, sodass insbesondere eine zusammengefasste Verbuchung mit der Umsatzsteuer des Vergütungsberechtigten zu erfolgen hat.

2.3. Da die Vollmacht des steuerlichen Vertreters auf das "Verfahren über die Energieabgabenvergütung für die Kalenderjahre 2002 und 2003 für die eigenen Einrichtungen vor dem unabhängigen Finanzsenat" und somit im Sinne des § 103 Abs. 2 lit. b BAO auf nur einige der zusammengefasst zu verbuchenden Abgaben eingeschränkt war, lag jedenfalls keine wirksame Zustellungsbevollmächtigung vor.

2.4. Die belangte Behörde hat sohin die angefochtenen Bescheide zu Recht an die Beschwerdeführerin selbst zugestellt, wobei diese Zustellungen am 14. und 15. Juni 2010 die Beschwerdefrist nach § 26 VwGG ausgelöst haben. Die am 15. Oktober 2010 hg. eingebrachten Beschwerden waren damit verspätet.

3. Verspätete Beschwerden sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Ein diesbezüglicher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu treffen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 20. Juni 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte