VwGH 2007/08/0329

VwGH2007/08/032922.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des AK in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 29. Oktober 2007, Zl. 2007-0566-9-001106, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
RAO 1868 §8 Abs1;
VwRallg;
ZustG §2 Z1 idF 2004/I/010;
ZustG §7 Abs1 idF 2004/I/010;
ZustG §9 Abs1;
ZustG §9 Abs3 idF 2004/I/010;
ZustG §9;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
RAO 1868 §8 Abs1;
VwRallg;
ZustG §2 Z1 idF 2004/I/010;
ZustG §7 Abs1 idF 2004/I/010;
ZustG §9 Abs1;
ZustG §9 Abs3 idF 2004/I/010;
ZustG §9;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht seit mehreren Jahren im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.

Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2007 an das Arbeitsmarktservice Wien, Regionale Geschäftsstelle W (in der Folge: AMS W), gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er seinem rechtsfreundlichen Vertreter Vollmacht gemäß § 8 RAO erteilt habe.

Mit Bescheid des AMS W vom 31. Juli 2007 wurde der Notstandhilfebezug des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom 9. Juli bis zum 2. September 2007 eingestellt.

Adressiert ist der Bescheid an den Beschwerdeführer persönlich. Eine Zustellverfügung findet sich im Verwaltungsakt nicht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, welcher mit dem angefochtenen Bescheid nicht stattgegeben wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtwidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In seiner Beschwerde rügt der Beschwerdeführer, dass der erstinstanzliche Bescheid, obwohl er die Bevollmächtigung seines rechtsfreundlichen Vertreters bekannt gegeben habe, an ihn persönlich zugestellt worden sei. Die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheids sei somit unwirksam und daher die belangten Behörde zur meritorischen Entscheidung nicht zuständig gewesen.

Die belangte Behörde bringt in ihrer Gegenschrift vor, dass eine solche, zunächst unwirksame Zustellung in dem Zeitpunkt wirksam werde, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten zugehe.

§ 2 Z. 1, § 7 Abs. 1 und § 9 Abs. 3 ZustellG in der hier maßgebenden Fassung des E-Government-Gesetzes, BGBl. I Nr. 10/2004, lauten:

"§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

1. 'Empfänger': die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll;

...

§ 7. (1) Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

...

§ 9. ...

(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen."

Der Beschwerdeführer hat den einschreitenden Rechtsanwalt zu seiner Vertretung gemäß § 8 Abs. 1 RAO bevollmächtigt, was der Behörde mit dem Schriftsatz vom 19. Juli 2007 bekannt gegeben wurde; eine solche zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung erteilte Vollmacht umfasst auch eine Zustellvollmacht im Sinne des § 9 des Zustellgesetzes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 99/03/0325)

Wird der Vertretene anstelle des Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger bezeichnet, ist eine Zustellung an diesen nicht wirksam. Auch wenn das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten zukommt, führt dies nicht zur Heilung des Zustellmangels, weil die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung nicht heilen kann. Nach seiner Novellierung durch das E-Government-Gesetz enthielt das ZustellG in der hier anzuwendenden Fassung (bis zur Änderung durch BGBl. I Nr. 5/2008 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2008) auch nicht mehr eine der im § 9 Abs. 1 zweiter Satz ZustellG in der Fassung vor dieser Novelle entsprechende besondere Vorschrift für die Heilung einer infolge unterbliebener Bezeichnung des Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger mangelhaften Zustellverfügung durch tatsächliches Zukommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2007/09/0227, mwN).

Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist ein schriftlicher Bescheid erst mit der Zustellung an eine Partei als erlassen anzusehen; nur ein erlassener Bescheid kann Rechtswirkungen erzeugen. Ist der erstbehördliche Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so hat dies den Mangel der Zuständigkeit der Berufungsbehörde zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge. Die Zuständigkeit reicht in derartigen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2009, Zl. 2006/01/0453, mwN).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer die Behörde von der Bevollmächtigung seines rechtsfreundlichen Vertreters am 19. Juli 2007 informiert. Ungeachtet dessen wurde der erstinstanzliche Bescheid vom 31. Juli 2007 - was sich auch aus der Gegenschrift der belangten Behörde ergibt - dem Beschwerdeführer als Empfänger selbst zugestellt. Diese Zustellung äußert nach dem Gesagten keine Rechtswirkungen. Eine Heilung dieses Zustellmangels kam nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des ZustellG nicht in Betracht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 22. Dezember 2009

Stichworte