VwGH 99/17/0423

VwGH99/17/042322.11.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. September 1999, Zl. IVW3-BE-3181501/002-99, betreffend Zurückweisung von Vorstellungen i.A. Kanaleinmündungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde M), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §83;
LAO NÖ 1977 §60;
ZustG §8a Abs1;
ZustG §9 Abs1;
BAO §83;
LAO NÖ 1977 §60;
ZustG §8a Abs1;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Beschwerdevorbringen und dem bekämpften Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin bevollmächtigte am 7. Juli 1997 Dipl. Ing. A, sie als Eigentümerin einer näher bezeichneten Liegenschaft im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Partei "in allen Belangen des Eigentums und des Besitzes dieser Liegenschaft, insbesondere allen sich rechtlich daraus ergebenden Verfahren und Handlungen eigenständig zu vertreten".

Mit Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 22. August 1997 wurde der Beschwerdeführerin ein Erhebungsbogen betreffend den Anschluss ihrer Liegenschaft an den öffentlichen Schmutzwasserkanal übermittelt. Daraufhin teilte Dipl. Ing. A mit Schreiben vom 13. Oktober 1997 der mitbeteiligten Partei "im Vollmachtsnamen der Beschwerdeführerin" unter anderem mit, er vertrete auf Grund der am 7. Juli 1997 erteilten Vollmacht diese "in allen technischen Angelegenheiten" betreffend die Liegenschaft.

In der Folge wurden sowohl der Bescheid betreffend den Anschluss des Grundstückes an die öffentliche Kanalanlage sowie die hier eine Rolle spielenden Abgabenbescheide vom

2. bzw. 3. Juni 1998 betreffend Kanaleinmündungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr der Beschwerdeführerin persönlich zugestellt. Diese selbst erhob sodann gegen die Abgabenbescheide Berufung. Auch die Berufungsvorentscheidungen vom 8. Juli 1998 wurden der Beschwerdeführerin persönlich zugestellt, worauf diese wiederum selbst Vorlageanträge an die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte.

In der Folge erging eine Ladung durch die mitbeteiligte Partei an die Beschwerdeführerin persönlich betreffend eine Verhandlung an Ort und Stelle zur Überprüfung ihrer Angaben im Erhebungsbogen. Hierauf ersuchte Dipl. Ing. A "unter Hinweis auf und gleichzeitiger Vorlage der ihm seitens der Beschwerdeführerin erteilten Vollmacht" (vom 7. Juli 1997) um Verschiebung des Termins auf September. Dipl. Ing. A vertrat die Beschwerdeführerin anlässlich der am 4. November 1998 durchgeführten Verhandlung vor der mitbeteiligten Partei.

Mit Schreiben vom 20. Jänner 1999 übermittelte die mitbeteiligte Partei Dipl. Ing. A als Vertreter der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung hinsichtlich der Erhebung der Berechnungsflächen und räumte Gelegenheit ein, zu dem Erhebungsergebnis innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Dipl. Ing. A (als Vertreter der Beschwerdeführerin) nahm daraufhin mit Schreiben vom 30. Jänner 1999 entsprechend Stellung; in diesem Schreiben bat er gleichzeitig, Schriftstücke an die Beschwerdeführerin auch an deren Adresse, an ihn gerichtete Schriftstücke jedoch an seine Adresse zu richten, da das Schreiben vom 20. Jänner 1999 tagelang beim Postamt nicht habe aufgefunden werden können.

In der Folge wurden sodann der Beschwerdeführerin zu Handen Dipl. Ing. A die Berufungsbescheide des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 26. Februar 1999 betreffend die Vorschreibung der Kanaleinmündungsabgabe sowie der Kanalbenützungsgebühr durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt, wobei die Abholfrist bezüglich beider Bescheide jeweils am 9. März 1999 begonnen hat. Dipl. Ing. A behob beide hinterlegten Bescheide am 9. März 1999 und setzte die Beschwerdeführerin am 10. März 1999 von deren Inhalt in Kenntnis; die Beschwerdeführerin beauftragte ihn in der Folge, gegen beide Bescheide Vorstellung zu erheben. Dipl. Ing. A brachte sodann namens der Beschwerdeführerin gegen beide Bescheide des Gemeinderates (betreffend Kanalbenützungsgebühr und betreffend Kanaleinmündungsabgabe) jeweils am 24. März 1999 Vorstellung ein.

Über Vorhalt des Ablaufs der Vorstellungsfrist auf Grund der am 9. März 1999 erfolgten Hinterlegung mit 23. März 1999 brachte Dipl. Ing. A vor, er sei vor Erhebung der Vorstellungen im Abgabenverfahren nicht als Zustellungsbevollmächtigter ausgewiesen gewesen; die Zustellung durch Hinterlegung am 9. März 1999 sei sohin keine gültige Zustellung der angefochtenen Beschwerde an die Beschwerdeführerin gewesen. Die Rechtsmittelfrist habe daher erst ab 10. März 1999, dem Tag der Kenntnis der Beschwerdeführerin von den gegenständlichen Bescheiden, zu laufen begonnen, weshalb die Vorstellungen fristgerecht eingebracht worden seien.

Die belangte Behörde wies mit ihrem Bescheid vom 29. September 1999 die beiden Vorstellungen der Beschwerdeführerin gestützt auf § 61 Abs. 2 lit. b der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 als verspätet zurück.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie erachtet sich in ihrem Recht verletzt, gemäß § 61 Abs. 1 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 gegen den Bescheid eines Gemeindeorganes Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde zu erheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 61 Abs. 1 erster Satz Niederösterreichische Gemeindeordnung, LGBl. 1000-9, kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben. Unzulässige oder verspätete Vorstellungen sind gemäß Abs. 2 lit. b leg. cit. von der Aufsichtsbehörde zurückzuweisen.

§ 60 der Niederösterreichischen Abgabenordnung 1977, LGBl. 3400-6, lautet auszugsweise wie folgt:

"(1) Die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.

(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten richten sich nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 62 Abs. 2 von Amts wegen zu veranlassen.

(3) ...

(4) ...

(5) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, dass sich die Abgabenbehörde unmittelbar an den Vollmachtgeber selbst wendet oder dass der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt."

Gemäß § 8a Abs. 1 Zustellgesetz können - soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmen - die Parteien und Beteiligten unter anderem natürliche Personen gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Schriftstücken bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht). Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. November 1995, Zl. 92/17/0234, mwN, sowie Ritz, Bundesabgabenordnung2, Rz 15 zu § 8a Zustellgesetz), umfasst eine allgemeine Vollmacht auch die Zustellungsbevollmächtigung.

Die Beschwerdeführerin bringt vor dem Gerichtshof vor, das zwischen ihr und Dipl. Ing. A bestehende Vollmachtsverhältnis sei nicht am Inhalt der Urkunde vom 7. Juli 1997 zu beurteilen, sondern ausschließlich daran, in welchem Umfang der Vollmachtnehmer nach außen hin, sohin der mitbeteiligten Partei gegenüber, von diesem Vollmachtsverhältnis tatsächlich Gebrauch gemacht habe. Dabei werde vor allem zu berücksichtigen sein, ob der Vollmachtnehmer nicht im Einzelnen ausdrücklich oder aber schlüssig zu erkennen gegeben habe, in welchem Umfang sein jeweiliges Einschreiten für die Beschwerdeführerin zu verstehen sei. So habe er der mitbeteiligten Gemeinde gegenüber mit Schreiben vom 13. Oktober 1997 bekannt gegeben, die Beschwerdeführerin "in allen technischen Angelegenheiten" betreffend die näher genannte Liegenschaft zu vertreten.

Die Richtigkeit dieser Rechtsansicht kann dahingestellt bleiben. Nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin nämlich hat Dipl. Ing. A namens der Beschwerdeführerin unter Hinweis und gleichzeitiger Vorlage der ihm mit 7. Juli 1997 erteilten Vollmacht im abgabenrechtlichen Berufungsverfahren mit Schreiben vom 19. August 1998 um Verschiebung eines Termines ersucht. Er ist damit als Vertreter der Beschwerdeführerin aufgetreten und zwar gemäß dem Text der Vollmachtsurkunde "in allen Belangen des Eigentums und des Besitzes dieser Liegenschaft, insbesondere in allen diesen sich rechtlich daraus ergebenden Verfahren und Handlungen". Eine Einschränkung auf "technische Angelegenheiten" in diesem Zusammenhang wird von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Damit hat sich aber Dipl. Ing. A als Vertreter der Beschwerdeführerin auf eine allgemeine Vollmacht (betreffend die Liegenschaft) berufen; der Verwaltungsgerichtshof hegt im Beschwerdefall keine Zweifel daran, dass diese Vollmacht auch eine Zustellungsvollmacht umfasst. Ausgehend vom Text der Vollmachtserklärung räumt dies auch die Beschwerdeführerin ein. Damit aber hatte die Abgabenbehörde zweiter Instanz ihre Entscheidungen an Dipl. Ing. A als Vertreter der Beschwerdeführerin zuzustellen, zumal ein Widerruf oder eine nachfolgende Einschränkung der Vollmacht nicht behauptet wird.

Das Vorbringen von Dipl. Ing. A im Schreiben vom 30. Jänner 1999, Schriftstücke an die Beschwerdeführerin auch an deren Adresse, an ihn gerichtete Schriftstücke jedoch an seine Adresse zu richten, konnte die Abgabenbehörde bei der hier dargestellten Rechtslage nur dahin verstehen, dass etwa Aufforderungen zum persönlichen Erscheinen oder auch Fälle der unmittelbaren Kontaktaufnahme zwischen der Abgabenbehörde und dem Vollmachtgeber selbst im Sinne des § 60 Abs. 5 Niederösterreichische Abgabenordnung angesprochen werden sollten.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf § 103 Abs. 2 BAO beruft, ist darauf zu verweisen, dass diese Bestimmung im vorliegenden Verfahren nicht zur Anwendung kommen durfte, weil für dieses die Niederösterreichische Abgabenordnung heranzuziehen war.

In § 78 Abs. 2 Niederösterreichische Abgabenordnung heißt es:

"Eine Zustellungsbevollmächtigung ist Abgabenbehörden gegenüber unwirksam, wenn sie sich nicht auf alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen erstreckt, die im Zuge eines Verfahrens ergehen."

Dieser Anforderung des § 78 Abs. 2 leg. cit. an die Wirksamkeit entsprach die oben erwähnte in der erteilten und der Behörde mitgeteilten Vollmacht gelegene Zustellungsbevollmächtigung.

Geht man aber nach dem Vorgesagten davon aus, dass Dipl. Ing. A die Beschwerdeführerin im abgabenbehördlichen Berufungsverfahren vor dem Gemeinderat der mitbeteiligten Partei vertreten hat, die Abgabenbehörde somit zur Zustellung an ihn verpflichtet war, begann die Frist für die Erhebung der Vorstellung mit der Zustellung an Dipl. Ing. A am 9. März 1999 zu laufen. Die am 24. März 1999 erhobene Vorstellung war daher verspätet.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. November 1999

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