VwGH 2010/10/0207

VwGH2010/10/020727.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der R reg.Gen.m.b.H. in N, vertreten durch Onz-Onz-Kraemmer-Hüttler Rechtsanwälte GmbH, in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. Juli 2010, Zl. LF1-FO-103/039-2002, betreffend Wiederbewaldungsauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §59 Abs2;
ForstG 1975 §16 Abs2 litc;
ForstG 1975 §172 Abs6 lita;
ForstG 1975 §172 Abs6;
ForstG 1975 §1a Abs1;
ForstG 1975 §5;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
AVG §59 Abs2;
ForstG 1975 §16 Abs2 litc;
ForstG 1975 §172 Abs6 lita;
ForstG 1975 §172 Abs6;
ForstG 1975 §1a Abs1;
ForstG 1975 §5;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 2008, Zl. 2005/10/0135, vom 16. Juni 2009, Zl. 2006/10/0122, und vom 23. Jänner 2012, Zl. 2009/10/0270, verwiesen.

Mit dem nunmehr (im zweiten Rechtsgang nach dem erwähnten hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2009) im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 172 Abs. 6 lit a in Verbindung mit § 16 Abs. 2 lit c des Forstgesetzes 1975 (ForstG) den Auftrag, folgende Wiederbewaldungsmaßnahmen auf dem Grundstück Nr. 10/2, KG A. durchzuführen (Spruchpunkt A):

"1. Die Teilfläche der Parzelle Nr. 10/2, KG. A. im Ausmaß von 240 m2 ist mit einer Gesamtzahl von 96 Bäumen und Sträuchern aufzuforsten.

2. Hiefür sind die Baum- und Straucharten Feldahorn, Eberesche, Linde, Schlehdorn, Kornelkirsche, Liguster, Weißdorn, Gemeiner Schneeball, Wildbirne und Heckenrose gemäß dem nachstehenden Schlüssel zu verwenden:

(Feldahorn, Eberesche, Linde, Schlehdorn, Kornelkirsche,

Liguster, Weißdorn, Gemeiner Schneeball, Wildbirne: je 10 Stück;

Heckenrose: 6 Stück)

3. Die Pflanzen sind in drei Reihen mit einem Abstand zwischen den Reihen von 2 m und in der Reihe von maximal 1,2 m zu versetzen.

7. Die Aufforstung ist bis spätestens 31. Oktober 2010 durchzuführen.

8. Die Bezirkshauptmannschaft Tulln ist vom Beginn der Aufforstungsarbeiten und der Fertigstellung nachweislich in Kenntnis zu setzen.

Die aufzuforstende Fläche ist im beiliegenden Lageplan grün gekennzeichnet und bildet dieser einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides."

Im Übrigen wurde die Beschwerdeführerin zur Bezahlung der näher bestimmten Verfahrenskosten verpflichtet (Spruchpunkt B).

Zu Spruchpunkt A führte die belangte Behörde begründend im Wesentlichen aus, dass die Waldeigenschaft der betreffenden Fläche durch den Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 9. November 2009, Zl. BMLFUW-LE.4.1.6/0218-I/3/2009, festgestellt worden sei. Daran sei die belangte Behörde im forstpolizeilichen Verfahren gebunden gewesen.

Der forstfachliche Amtssachverständige habe in seinem - im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenen - Gutachten vom 8. April 2010 festgehalten, dass in der Natur zur Zeit eine unbestockte Fläche vorliege, die als Grünfläche genutzt werde. Die Waldflächendynamik sei rückläufig und würden die diesbezüglichen Daten eine unterdurchschnittliche bis sehr geringe Waldausstattung nicht nur auf Gemeinde- sondern auch auf Bezirksebene ergeben. Dass sich in einem überschaubaren Zeitraum Naturverjüngung einstellen werde, sei nicht erkennbar. Eine Aufforstung der verfahrensgegenständlichen Fläche sei daher zur Walderhaltung im konkreten Fall unbedingt erforderlich.

Die Erforderlichkeit des Wiederbewaldungsauftrages ergebe sich aus dem forstfachlichen Gutachten, das in sich schlüssig und nachvollziehbar sei. Die Beschwerdeführerin habe dazu zwar eine Stellungnahme abgegeben, mit der sie das forstfachliche Gutachten jedoch nicht auf gleicher Ebene entkräftet habe. Aufträge nach § 172 Abs. 6 ForstG dürften dem Waldeigentümer auch dann erteilt werden, wenn nicht er selbst, sondern sein Rechtsvorgänger den Verstoß gegen forstrechtliche Vorschriften zu verantworten habe.

Dem Wunsch der Beschwerdeführerin, die Aufforstungsfrist auf ein Jahr ab Rechtskraft zu verlängern, werde nicht nachgekommen, da die Frist angemessen sei und keine Notwendigkeit bestehe, diese zu verlängern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975, BGBl. I Nr. 440/1975, idF BGBl. I Nr. 59/2002 (ForstG) haben auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Begriffsbestimmungen

§ 1a. (1) Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes sind mit Holzgewächsen der im Anhang angeführten Arten (forstlicher Bewuchs) bestockte Grundflächen, soweit die Bestockung mindestens eine Fläche von 1 000 m2 und eine durchschnittliche Breite von 10 m erreicht.

Wiederbewaldung

§ 13. (1) Der Waldeigentümer hat Kahlflächen und Räumden, im Schutzwald nach Maßgabe des § 22 Abs. 3, mit standortstauglichem Vermehrungsgut forstlicher Holzgewächse rechtzeitig wiederzubewalden.

Waldverwüstung

§ 16. (1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.

(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen

c) die rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich gemacht oder

wird.

Forstaufsicht

§ 172. ...

(6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere

a) die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung,

dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen."

Spruchteil A des angefochtenen Bescheides liegt die - auf das Gutachten des forstfachlichen Amtssachverständigen gestützte - Auffassung zu Grunde, dass die angeordneten Wiederbewaldungsmaßnahmen zur Walderhaltung erforderlich seien. Die von der belangten Behörde im Einzelnen aufgetragenen Wiederbewaldungsmaßnahmen entsprechen den im erwähnten Gutachten enthaltenen, konkret angeführten, Aufforstungsempfehlungen. Die Beschwerdeführerin, die diesem Gutachten im Verwaltungsverfahren nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten ist, bringt in der Beschwerde vor:

a) Der die Waldeigenschaft feststellende Bescheid des BMLFUW vom "9. 9." (richtig: 9. November) 2009 sei rechtswidrig. Bei der betreffenden Fläche handle es sich nicht um Wald im Sinn des Forstgesetzes, sodass die Erteilung eines forstbehördlichen Auftrages gemäß § 172 Abs. 6 ForstG unzulässig sei.

b) Die zur Durchführung der Wiederbewaldungsmaßnahmen eingeräumte Frist sei nicht angemessen. Für die Wiederbewaldung sei eine entsprechende Vorbereitung und Planung der Arbeiten erforderlich; um die Führung des Betriebes der Beschwerdeführerin nicht in unzumutbarer Weise zu beeinträchtigen, wäre eine Leistungsfrist von zumindestens einem Jahr erforderlich gewesen. Im gegenständlichen Fall erfordere der Schutz der öffentlichen Interessen keine besondere Raschheit der Umsetzung.

c) Der Auftrag zur Wiederbewaldung mit den Arten Schlehdorn, Kornelkirsche, Liguster, Weißdorn, Gemeiner Schneeball und Heckenrose sei rechtswidrig, weil diese Pflanzenarten im Anhang zum ForstG nicht genannt seien und es sich daher nicht um Holzgewächse im Sinn des § 1a Abs 1 ForstG handle.

d) Der Auftrag, die verfahrensgegenständliche Grundfläche mit zehn Stück "Linde" zu bepflanzen, entspreche nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 59 Abs. 1 AVG, weil im Anhang des ForstG als Laubgehölze bloß die "Winterlinde" und die "Sommerlinde" angeführt seien.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg:

Zu a): Voraussetzung für die Erteilung eines Wiederbewaldungsauftrages nach § 172 Abs. 6 lit. a ForstG ist, dass es sich bei der wiederzubewaldenden Fläche zum Zeitpunkt des Beginnes der widerrechtlichen Entfernung des forstlichen Bewuchses und zum Zeitpunkt der Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages um Wald im Sinn des ForstG gehandelt hat. Wird die Waldeigenschaft der betreffenden Fläche gemäß § 5 ForstG rechtskräftig festgestellt, so ist die Behörde auch im forstpolizeilichen Verfahren an diese Feststellung gebunden (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2009, mwN). Die Waldeigenschaft der gegenständlichen Grundfläche wurde mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 9. November 2009, Zl. BMLFUW-LE.4.1.6/0218- I/3/2009 rechtskräftig festgestellt. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde wurde mit dem erwähnten hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2012 abgewiesen. Die belangte Behörde war daher an die Waldfeststellung gebunden.

Zu b): Eine Leistungsfrist muss nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes objektiv dazu geeignet sein, dem Leistungspflichtigen unter Anspannung aller seiner Kräfte nach der Lage des konkreten Falls die Erfüllung der aufgetragenen Leistung zu ermöglichen. Dies setzt voraus, dass die erforderlichen Arbeiten innerhalb der Erfüllungsfrist durchgeführt werden können. Dabei ist auf wirtschaftliche Umstände insoweit Bedacht zu nehmen, als dies die (von der Behörde in erster Linie zu wahrenden) öffentlichen Interessen nach den Umständen des Einzelfalls (also zB. nicht bei Gefahr für die Gesundheit von Menschen) zulassen, also nicht besondere Dringlichkeit geboten ist (vgl. zu all dem die bei Hengstschläger/Leeb, AVG, § 59 Rz 63, angeführte hg. Rechtsprechung).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist dem Beschwerdevorbringen entgegen zu halten, dass nach § 172 Abs. 6 ForstG die "umgehende" Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes geboten ist, woraus sich die Verpflichtung zur möglichst zeitnahen Durchführung von Wiederbewaldungsmaßnahmen ergibt, zumal die Wiederherstellung des Waldzustandes - entgegen dem Beschwerdevorbringen - ein besonderes öffentliches Interesse darstellt. Demnach erscheint die Festsetzung einer knapp zweimonatigen Leistungsfrist - der angefochtene Bescheid wurde am 1. September 2010 zugestellt - nicht generell unzulässig (vgl. etwa den dem hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, Zl. 2009/10/0089, zu Grunde liegenden Sachverhalt).

Fallbezogen hat die Beschwerdeführerin weder behauptet, dass es ihr unter Anstrengung all ihrer Kräfte nicht möglich sei, dem Auftrag zur Wiederbewaldung nachzukommen, noch hat sie vorgebracht, dass die Arbeiten innerhalb der eingeräumten Frist überhaupt nicht zu bewerkstelligen seien. Das bloße, nicht näher konkretisierte Vorbringen, die wirtschaftlichen Interessen der Beschwerdeführerin würden durch die knappe Frist in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, ist indes nicht geeignet, die Zulässigkeit der festgesetzten Leistungsfrist in Frage zu stellen.

Zu c): Die als "forstlicher Bewuchs" im Sinn des § 1a Abs. 1 ForstG zu qualifizierenden Straucharten sind im Anhang des ForstG nicht taxativ aufgezählt. Durch die Einfügung der (allgemeinen) Wortfolge "und für die Waldrand- und Biotopgestaltung geeignete Wildobstgehölze und Straucharten" am Ende des Anhangs durch die Novelle BGBl. I Nr. 59/2002 wollte der Gesetzgeber vielmehr den Biodiversitäts- und Artenvielfaltverpflichtungen Rechnung tragen (vgl. RV 970 BlgNR, 21. GP). Demnach obliegt es der Behörde, die für die Waldrand- und Biotopgestaltung geeigneten Wildobstgehölze und Straucharten - auf Grundlage von Sachverständigengutachten - im Einzelfall konkret zu bestimmen.

Im vorliegenden Fall stellt die Beschwerdeführerin weder die Eigenschaft der erwähnten Pflanzen (der Art Schlehdorn, Kornelkirsche, Liguster, Weißdorn, Gemeiner Schneeball, Heckenrose) als "Wildobstgehölze" bzw. "Straucharten" in Frage, noch tritt sie der Annahme der belangten Behörde, dass es sich fallbezogen um "geeignete" Pflanzenarten handelt, auf fachlicher Ebene entgegen. Das Beschwerdevorbringen, bei den erwähnten Pflanzenarten handle es sich nicht um "forstlichen Bewuchs" im Sinn des § 1a Abs. 1 (iVm mit dem Anhang zum) ForstG, erweist sich somit als unbegründet.

Zu d): Nach der hg. Rechtsprechung dürfen die Bestimmtheitserfordernisse an einen forstpolizeilichen Auftrag nicht überspannt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2011, Zl. 2009/10/0230). Der im angefochtenen Bescheid enthaltene Auftrag, 10 Stück "Linden" zu verwenden, kann bei gesetzeskonformer Interpretation daher nur dahin verstanden werden, dass die belangte Behörde auf der gegenständlichen Fläche (wahlweise) beide im Anhang zum ForstG erwähnten Lindenarten - nämlich sowohl die "Winterlinde" als auch die "Sommerlinde" - als standorttauglich angesehen hat.

Da sich die Beschwerde nach dem Gesagten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 27. März 2012

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