VwGH 2010/08/0038

VwGH2010/08/00386.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des G R in N, vertreten durch Greiter Pegger Kofler & Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 24, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 19. Juni 2009, Zl. LGSTi/V/0552/2168 07 07 73-706/2009, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1175;
AlVG 1977 §12 Abs1 Z1 idF 2007/I/104;
AlVG 1977 §12 Abs1 Z2 idF 2007/I/104;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §4 Abs1;
SchischulG Tir 1995;
ABGB §1175;
AlVG 1977 §12 Abs1 Z1 idF 2007/I/104;
AlVG 1977 §12 Abs1 Z2 idF 2007/I/104;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §4 Abs1;
SchischulG Tir 1995;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er einen Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1. bis zum 3. Mai 2009 nicht zuerkennt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom 20. April 2009 gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 iVm § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit abgewiesen.

Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde (im Wesentlichen) folgenden entscheidungserheblichen Sachverhalt fest:

Aus einer vom Beschwerdeführer vorgelegten Ruhens- und Wiederaufnahmeanzeige, die vom Tiroler Schilehrerverband ausgefertigt worden sei, gehe hervor, dass der Beschwerdeführer am 20. April 2009 das Ruhen seiner selbständigen Erwerbstätigkeit als Schischulleiter und/oder als Gesellschafter der Schischule I. mit Wirkung vom 1. Mai bis 30. November 2009 angezeigt habe.

Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe der belangten Behörde gegenüber telefonisch bestätigt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner selbständigen Erwerbstätigkeit als Schilehrer bei der Schischule I. seit dem 1. Jänner 2000 bis zum 30. April 2009 ohne Unterbrechungen in der Pensionsversicherung nach GSVG pflichtversichert gewesen sei. Für den Zeitraum vom 1. Mai bis 30. November 2009 habe der Beschwerdeführer über den Tiroler Schilehrerverband den Nichtbetrieb der Schischule gemeldet und die Pensionsversicherung nach dem GSVG sei für diesen Zeitraum ruhend gestellt worden.

Aus dem Leistungsakt der erstinstanzlichen Behörde sowie aus einem Versicherungszeitenauszug des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger ergebe sich, dass der Beschwerdeführer seit dem 4. Mai 2009 in einem unselbständigen, vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Firma K. stehe. Im Zeitraum vom 11. Dezember 2008 bis 3. Mai 2009 sei der Beschwerdeführer lediglich selbständig als Schilehrer erwerbstätig gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 AlVG sei eine Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld das Vorliegen von Arbeitslosigkeit gemäß § 12 AlVG. Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG sei arbeitslos, wer eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet habe, nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliege sowie keine neue oder weitere unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübe. Diese Bedingungen müssten kumulativ gegeben sein, damit Arbeitslosigkeit vorliege.

Wie das Ermittlungsverfahren ergeben habe, sei der Beschwerdeführer seit dem 1. Jänner 2000 bis zum 30. April 2009 aufgrund seiner selbständigen Erwerbstätigkeit als Schilehrer bei der Schischule I. ohne Unterbrechungen in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert gewesen. Für den Zeitraum vom 1. Mai bis 30. November 2009 habe der Beschwerdeführer der Sozialversicherungsanstalt den Nichtbetrieb der Schischule gemeldet und die Pensionsversicherung nach dem GSVG sei ruhend gestellt worden.

Als Schilehrer gelte der Beschwerdeführer als "neuer Selbständiger", da für die Ausübung dieser Erwerbstätigkeit keine Gewerbeberechtigung erforderlich sei. "Neue Selbständige" seien gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in der Pensionsversicherung pflichtversichert. Aus dem Fortbestehen der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG folge, dass der Beschwerdeführer eine selbständige Erwerbstätigkeit laufend ausübe. Weiters gehe aus dieser Tatsache hervor, dass der Beschwerdeführer der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gegenüber erklärt habe, ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze nach dem § 5 Abs. 2 ASVG zu beziehen. Nur im Falle einer solchen Erklärung komme gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG bei "neuen Selbständigen" eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG in Betracht.

Der Beschwerdeführer habe seine selbständige Erwerbstätigkeit als Schilehrer bei der Schischule I., die als Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem Recht (GesbR) geführt werde und bei der er als Gesellschafter beteiligt sei, gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 AlVG nicht beendet. Dies folge aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach wie vor in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG pflichtversichert sei und aus der vorgelegten Ruhens- und Wiederaufnahmsanzeige, wonach seine Gesellschafterstellung bei der Schischule I. nicht beendet, sondern lediglich das Ruhen seiner selbstständigen Tätigkeit vom 1. Mai bis 30. November 2009 angezeigt worden sei. Da die Gesellschafterstellung des Beschwerdeführers nicht beendet worden sei, habe er auch während der Ruhendmeldung seine Pflichten und Rechte als Gesellschafter nicht verloren. Er habe auch während dieser Zeit für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften und trage daher weiterhin das volle Unternehmerrisiko. Die Begründung des angefochtenen Bescheids verweist diesbezüglich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Fortbestehen der selbständigen Erwerbstätigkeit bei Gesellschaftern einer Offenen Gesellschaft oder Kommanditgesellschaft.

Somit sei beim Beschwerdeführer vom Zeitpunkt seiner Antragstellung auf Arbeitslosengeld bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens Arbeitslosigkeit gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 AlVG mangels Beendigung der selbständigen Erwerbstätigkeit als Skilehrer nicht gegeben.

Da weiters eine Pflichtversicherung des Beschwerdeführers in der Pensionsversicherung nach dem GSVG durchgehend vom 1. Jänner 2000 bis 30. April 2009 bestanden habe, sei Arbeitslosigkeit vom Tag der Geltendmachung, dem 20. April 2009, bis zum 30. April 2009 auch gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG nicht gegeben.

Schließlich stehe der Beschwerdeführer seit 4. Mai 2009 in einem vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, welches ab diesem Zeitpunkt Arbeitslosigkeit auch gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 AlVG ausschließe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 23. Februar 2010, Zl. B 919/09-3, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (unter anderem) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht.

Gemäß Abs. 2 steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer (unter anderem) arbeitslos (§ 12) ist.

§ 12 Abs. 1 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:

"§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer

1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt."

2. Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheids liegt dem Beschwerdefall ein Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld mit 20. April 2009 als Tag der Geltendmachung zugrunde. Der Beschwerdeführer geht in seiner Beschwerde erkennbar selbst davon aus, dass seine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG aufgrund seiner Ruhensanzeige mit dem 30. April 2009 endete. Für den Zeitraum bis 30. April 2009 bestreitet er das Vorliegen einer Pflichtversicherung (auch) in der Pensionsversicherung nach dem GSVG nicht.

Nach § 12 Abs. 1 AlVG in der hier maßgebenden Fassung führt jedoch nur eine solche Beendigung der Erwerbstätigkeit zur Arbeitslosigkeit, die auch zur Beendigung der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung im Sinne der Ausnahmetatbestände des § 4 Abs. 1 GSVG führt (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 7. September 2011, Zl. 2009/08/0195). Eine aufrechte Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG schließt hingegen Arbeitslosigkeit nach § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG jedenfalls aus (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 2. Mai 2012, Zl. 2009/08/0155).

Aufgrund der für den Zeitraum vom 21. April bis 30. April 2009 unstrittig vorliegenden Pflichtversicherung des Beschwerdeführers in der Pensionsversicherung nach dem GSVG (gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG) war die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung von Arbeitslosengeld in diesem Zeitraum richtet, daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht die Feststellung der belangten Behörde, wonach er ab dem 4. Mai 2009 wieder in einem vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand. Damit lag ab diesem Zeitpunkt gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 AlVG jedenfalls keine Arbeitslosigkeit mehr vor und die Beschwerde war auch, insoweit sie sich auf die Nichtzuerkennung von Arbeitslosengeld ab dem 4. Mai 2009 bezieht, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Im Beschwerdefall bleibt daher zu prüfen, ob die belangte Behörde zu Recht Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 3. Mai 2009 verneinte. Die belangte Behörde stützte sich hinsichtlich dieses Zeitraums ausschließlich auf § 12 Abs. 1 Z 1 AlVG und verneinte das Vorliegen von Arbeitslosigkeit, da der Beschwerdeführer aufgrund seines fortbestehenden Gesellschaftsanteils an der - als Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisierten - Schischule I. seine selbständige Erwerbstätigkeit nicht beendet habe.

In seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/08/0036, hat sich der Verwaltungsgerichtshof in einem nach der Sach- und Rechtslage vergleichbaren Fall und aufgrund einer inhaltlich weitgehend identen Beschwerde mit dieser Frage auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gekommen, dass die bloße Eigenschaft eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht für sich bereits eine selbständige Erwerbstätigkeit begründet, sondern es darauf ankommt, dass die auf Rechnung und Gefahr der Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebene Schischule tatsächlich eingestellt wurde (und der Beschwerdeführer auch keine weitere selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ausübt). In diesem Fall wäre die Arbeitslosigkeit nicht nach § 12 Abs. 1 Z 1 AlVG ausgeschlossen. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Im Umfang der Nichtzuerkennung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 3. Mai 2009 war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde beantragt, "allenfalls" eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof anzuberaumen. Ein solcher vor dem Verwaltungsgerichtshof bedingt erhobener Antrag ist jedoch unzulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 2004, Zl. 2001/10/0066, mwN).

Wien, am 6. Juni 2012

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