VwGH 2010/06/0224

VwGH2010/06/022418.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des HB in G, vertreten durch Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Kalchberggasse 6-8, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. August 2010, Zl. FA13B-12.05-G455/2010-2, betreffend Anordnung einer Ersatzvornahme und Kostenvorauszahlung, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §828;
ABGB §833;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;
VVG §4;
ABGB §828;
ABGB §833;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;
VVG §4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. August 2010 hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 3. Februar 2009, mit dem eine (näher umschriebene) Ersatzvornahme angeordnet und dem Beschwerdeführer der Erlag eines Betrages von EUR 95.940,-- als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme auferlegt worden waren, als unbegründet abgewiesen.

In ihrer Begründung legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 28. Jänner 1993 sei an den Beschwerdeführer der Auftrag ergangen, binnen vier Monaten ab Rechtskraft des Bescheides sämtliche äußeren Fensterflügel bei einem näher angeführten Haus zu entfernen und durch einfach verglaste Kastenfenster (Grazer Stöcke) entsprechend dem ursprünglichen Bestand zu ersetzen. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Da der Fenstertausch nicht fristgerecht erfolgt sei, habe die Bau- und Anlagenbehörde der Stadt Graz das Verwaltungsvollstreckungsverfahren eingeleitet und zunächst mit Schreiben vom 16. Dezember 1993 die Ersatzvornahme angedroht und in weiterer Folge eine Kostenschätzung, datiert mit 26. November 1999, vorgenommen. In der Folge sei es immer wieder zu Fristerstreckungen gekommen, weil zwischenzeitig nachträgliche Baubewilligungsverfahren anhängig gewesen seien.

Mit weiterem Schreiben vom 2. April 2007 sei neuerlich für die Erbringung der Leistung eine Frist von vier Wochen gesetzt worden und für den Fall der Nichterfüllung eine Ersatzvornahme angedroht worden. Nach Einholung einer aktualisierten Kostenschätzung, deren Ergebnis dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden sei, sei schließlich mit dem erstinstanzlichen Bescheid die Ersatzvornahme angeordnet worden und als Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme der Erlag eines Betrages von EUR 95.940,-- vorgeschrieben worden.

Nach der Aktenlage sei hinsichtlich des Fenstertausches eine Baubewilligung mit Bescheid vom 6. April 2009 erteilt worden.

Auf Grund einer Überprüfung am 22. Juli 2010 durch den zuständigen Baukontrollor ergebe sich, dass bislang die Fenster nicht ausgetauscht worden seien, weshalb sich die Anordnung einer Ersatzvornahme und der Auftrag zur Kostenvorauszahlung als rechtmäßig erweise.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 4 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG), BGBl. Nr. 53/1991 lautet:

"Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungen

a) Ersatzvornahme

(1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar."

Der Beschwerdeführer erachtet sich insbesondere in seinem subjektiv öffentlichen Recht auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung ohne rechtskräftigen, vollstreckbaren Bescheid bzw. rechtskräftigen Titel zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung an alle Miteigentümer und Nichtvorschreibung unangemessener Kostenvorauszahlungen als verletzt.

Er bringt im Wesentlichen vor, der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz habe sich im Bescheid vom 3. Februar 2009 über die Anordnung der Ersatzvornahme und Kostenvorauszahlung auf einen Bescheid vom 28. Jänner 1993 gestützt, mit dem dem Beschwerdeführer die Beseitigung der Fensterflügel und der Einbau einfachverglaster Kastenfenster aufgetragen worden sei. Tatsächlich sei ein solcher Bescheid nicht existent. Weiters verkenne die belangte Behörde, wie die Vollstreckungsbehörde erster Instanz, dass der Auftrag vom 11. Dezember 1991 nicht an alle damaligen Miteigentümer der gegenständlichen Liegenschaft ergangen sei, sodass auch aus diesem Grund keine Zwangsvollstreckung zulässig sei (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/06/0211).

Schon mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, bedeutet der Umstand, dass eine Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrages im Falle von Miteigentum nur dann in Betracht kommt, wenn sich der Beseitigungsauftrag an alle Miteigentümer richtet, nicht, dass der Beseitigungsauftrag auch in einem einheitlichen Bescheid gegen alle Miteigentümer erlassen werden müsse. Der Auftrag könne rechtens auch an einzelne Miteigentümer ergehen, könne in diesem Fall aber nicht vollstreckt werden, eher er nicht gegenüber allen Miteigentümern rechtskräftig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 1997, Zl. 95/06/0132, mwN).

Die belangte Behörde vertritt - wie sich dies insbesondere aus der Gegenschrift ergibt - die Ansicht, es liege eine rechtskräftiger Titelbescheid gegen alle (damaligen) Miteigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft vor.

Nach den vorgelegten Verwaltungsakten wurde im Beschwerdefall mit Bescheid des Gemeinderates der Stadt Graz vom 27. Februar 1992 die Berufung des Beschwerdeführers gegen den in erster Instanz ergangenen Bescheid des Stadtsenates Graz vom 11. Dezember 1991, mit dem an den Beschwerdeführer und die Miteigentümerin GG der Auftrag ergangen war, binnen 4 Wochen ab Rechtskraft des Bescheides sämtliche äußeren Fensterflügel bei dem gegenständlichem Haus wieder zu entfernen und durch einfach verglaste Kastenfenster (Grazer Stöcke) entsprechend dem ursprünglichen Bestand zu ersetzen, als unbegründet abgewiesen.

Als Grundlage für den angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde allerdings der Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 28. Jänner 1993 angeführt. Mit diesem Bescheid wurde aber wiederum spruchgemäß dem Beschwerdeführer und GG der vorerwähnte Auftrag erteilt, auch die Bescheidbegründung ist wortident, lediglich in der Zustellverfügung werden JK und Ing. JV (Anmerkung: die übrigen Miteigentümer) angeführt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es für die "Gültigkeit" eines Bescheides erforderlich, dass der Adressat der Erledigung insgesamt eindeutig entnommen werden kann. Dieses Erfordernis ist dann erfüllt, wenn bei schriftlichen Ausfertigungen aus Spruch, Begründung und Zustellverfügung im Zusammenhang mit den anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig erkennbar ist, welchem individuell bestimmten Rechtsträger gegenüber die Behörde einen Bescheid erlassen wollte. Entscheidend ist, dass für die Beteiligten des Verfahrens als Betroffene des Bescheides sowie für die Behörde und in weiterer Folge für den Verwaltungsgerichtshof die Identität des Bescheidadressaten zweifelsfrei feststeht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. November 2008, Zl. 2006/03/0097).

Dadurch, dass mit dem Bescheid vom 28. Jänner 1993 im Spruch der baupolizeiliche Auftrag an den Beschwerdeführer und GG (wie im Bescheid vom 11. Dezember 1991) wiederholt, dieser aber den übrigen Miteigentümern zugestellt wurde, ist jedenfalls gegenüber diesen Miteigentümern der Auftrag nicht ergangen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgeht, dass dieser Bescheid gegenüber dem Beschwerdeführer erlassen worden sei, in der Gegenschrift hingegen, dass dieser Bescheid Jana K und Ing. Josef V betroffen hätte.

Da sohin der Auftrag zur Entfernung der äußeren Fensterflügel und zum Einbau einfachverglaster Kastenfenster nicht an alle Miteigentümer ergangen ist, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. Oktober 2012

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