Normen
ABGB §828;
ABGB §833;
AVG §59 Abs1;
AVG §8;
BauO Tir 1989 §44;
BauRallg;
VVG §4;
ABGB §828;
ABGB §833;
AVG §59 Abs1;
AVG §8;
BauO Tir 1989 §44;
BauRallg;
VVG §4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der beschwerdeführenden Gemeinde wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 8. September 1993 wurde der Wohnungseigentümerin S (nach dem Wohnungseigentumsgesetz) der Wohnung Top 7 des Hauses X im Gemeindegebiet der beschwerdeführenden Stadtgemeinde baupolizeilich aufgetragen, den zu dieser Wohnung gehörenden Rauchabzug im Bereich des Austrittes aus dem Mauerwerk in Form einer wärmegedämmten Edelstahlausführung auf eine Höhe von 3,50 m ab bestehendem Kamin zu verlängern. Begründet wurde dies damit, daß durch die Situierung der Rauchabzugsmündung die Gefahr der Beeinträchtigung der angrenzenden Wohnung insbesondere durch Rauch- und Geruchsbelästigung bestehe. Nach der mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 24. November 1977 erteilten Bewilligung für die Wohnhausanlage sind für die einzelnen Wohnungen Notrauchfänge vorgesehen, die nach den Angaben der beschwerdeführenden Gemeinde auch tatsächlich errichtet wurden.
Der Mitbeteiligte erhob als Miteigentümer nach dem Wohnungseigentumsgesetz "Einspruch" gegen diesen Bescheid; dieser Einspruch wurde vom Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde als Berufung behandelt und die Berufung als unzulässig zurückgewiesen. Begründet wurde diese Zurückweisung damit, daß der Berufungswerber als Miteigentümer nicht Nachbar im Sinne der Tiroler Bauordnung sei, weshalb ihm auch der gegenständliche Baubescheid nicht zugestellt worden sei. Die Erhebung einer Berufung setze zwingend die Erlassung eines damit angefochtenen Bescheides voraus, wobei diese Voraussetzung auf seiten des Berufungswerbers nicht gegeben sei.
Aufgrund der Vorstellung des Mitbeteiligten erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem der Bescheid des Gemeindevorstandes aufgehoben wurde. Begründend führt die belangte Behörde aus, daß unvorgreiflich einer inhaltlichen Beurteilung dahingehend, ob die vorgenommene nachträgliche Vorschreibung einer heiztechnisch erforderlichen Ausstattung eines Kamins in Form eines baupolizeilichen Auftrages, der offenbar auf § 44 TBO gestützt werde, rechtlich zulässig sei, die Aberkennung der Parteistellung auf Grund der Aktenlage nicht zu Recht erfolgt sei. Adressat eines baupolizeilichen Auftrages sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Eigentümer der baulichen Anlage, im Falle des Miteigentums alle Miteigentümer. Eine Auftragserteilung ausschließlich an einen Miteigentümer sei durch die Rechtslage dann nicht gedeckt, wenn dies dazu führen würde, daß einer Person alleine eine Verpflichtung auferlegt werde, welche diese nur zusammen mit anderen Miteigentümern erfüllen könne. Eine Vollstreckung einer derartigen Verpflichtung würde zudem auch daran scheitern, daß gegenüber den übrigen Miteigentümern kein vollstreckbarer Titel vorliege, dem Leistungsbescheid also das wesentliche Merkmal seiner Vollstreckbarkeit fehle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht, der Eigentümerin der Wohneinheit Top 7 des Hauses X baupolizeilich aufzutragen, den zu dieser Wohnung gehörenden Rauchabzug im Bereich des Austrittes aus dem Mauerwerk in Form einer wärmegedämmten Edelstahlausführung auf eine Höhe von 3,50 m ab bestehendem Kamin zu verlängern, geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 44 Abs. 1 und 2 Tiroler Bauordnung 1989, LGBl. Nr. 33, in
der Fassung LGBl. Nr. 7/1994, lauten:
"(1) Der Eigentümer einer bewilligungspflichtigen baulichen Anlage hat dafür zu sorgen, daß diese Anlage in einem der Bewilligung entsprechenden Zustand erhalten wird. Baugebrechen, durch die die Standfestigkeit, die Feuersicherheit, die Sicherheit und Gesundheit von Menschen und die Sicherheit des Eigentums gefährdet oder das äußere Erscheinungsbild der baulichen Anlage beeinträchtigt wird, hat der Eigentümer zu beheben. Diese Verpflichtung des Eigentümers besteht unabhängig davon, wen das Verschulden am Baugebrechen trifft.
(2) Kommt der Eigentümer seinen Verpflichtungen nach Abs. 1 nicht nach, so hat ihm die Behörde die Instandsetzung innerhalb einer angemessenen Frist aufzutragen oder, soweit die Voraussetzungen des Abs. 3 vorliegen, den Abbruch der baulichen Anlage anzuordnen."
Im Falle von Miteigentum ist bei der Erlassung von baupolizeilichen Aufträgen zwischen folgenden Fragen zu unterscheiden:
- einerseits der Frage, wem der Auftrag zu erteilen ist (damit er letztlich auch vollstreckt werden könnte), und
- andererseits der Frage, ob ein Auftrag, der mehreren Miteigentümern gegenüber zu ergehen hat, auch in einem einzigen Bescheid zu erlassen ist, und verneinendenfalls, ob - bei getrennter Führung der Verfahren gegen die verschiedenen Miteigentümer - diese jeweils im Verfahren gegen den anderen Miteigentümer Parteistellung haben.
Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß BAUAUFTRÄGE, die sich AN DEN EIGENTÜMER des Grundstückes oder des Bauwerkes zu richten haben, IM FALLE DES MITEIGENTUMS GRUNDSÄTZLICH AN ALLE MITEIGENTÜMER ZU RICHTEN sind, sofern nicht - wie insbesondere für den hier vorliegenden Fall des Wohnungseigentums - eine ausdrückliche (abweichende) Sondervorschrift besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/06/0211, zu § 44 Tiroler Bauordnung 1989, und das hg. Erkenntnis vom 29. März 1994, Zl 93/05/0289, zu § 129 Abs. 10 Wiener Bauordnung; in diesem Erkenntnis führt der Gerichtshof unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 17. November 1975, Zl 1259/75, aus, daß dann, wenn eine bewilligungspflichtige Maßnahme nur mit Zustimmung aller Miteigentümer ausgeführt werden kann, auch der verwaltungspolizeiliche Auftrag an alle Miteigentümer zu ergehen habe).
Wie der Verwaltungsgerichtshof jedoch in dem oben bereits zitierten Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/06/0211, zu § 44 Tiroler Bauordnung 1989, ausgesprochen hat, BEDEUTET der Umstand, daß eine Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrages im Falle von Miteigentum nur dann in Betracht kommt, wenn der Beseitigungsauftrag sich gegen alle Miteigentümer richtet, NICHT, DAß DER BESEITIGUNGSAUFTRAG AUCH IN EINEM
EINHEITLICHEN BESCHEID GEGEN ALLE MITEIGENTÜMER ERLASSEN WERDEN
MÜSSE. Der Auftrag könne rechtens auch an einzelne der Miteigentümer ergehen, könne in diesem Fall aber nicht vollstreckt werden.
Im Beschwerdefall wurde der baupolizeiliche Auftrag gegenüber der Miteigentümerin S (der Wohnungseigentümerin der betroffenen Wohneinheit) erlassen. Die Berufung des Mitbeteiligten als Miteigentümer des Grundstückes wurde von der Gemeindebehörde als unzulässig zurückgewiesen. Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde diese Zurückweisung mit der Begründung auf, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein verwaltungspolizeilicher Auftrag an alle Miteigentümer zu erteilen sei und ein Auftrag lediglich an einen der Miteigentümer diesem eine Verpflichtung auferlegen würde, welche er nur zusammen mit anderen Miteigentümern erfüllen könne.
Bei dieser Begründung übersieht die belangte Behörde zum einen, daß - worauf die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im übrigen selbst auch hinweist - nach der dargestellten Rechtsprechung ein Auftrag, der nur an einen der Miteigentümer ergangen ist, nicht vollstreckbar wäre (und damit der von der belangten Behörde gezogene Schluß, daß der Eigentümerin S eine Verpflichtung auferlegt würde, die sie nur gemeinsam mit anderen erfüllen könnte, unzutreffend ist), und zum anderen, daß der Mitbeteiligte als weiterer Miteigentümer selbst für den Fall, daß die Erteilung des Auftrages NUR an die Miteigentümerin S DIESE in ihren Rechten verletzen würde, aus diesem Blickwinkel nicht in seinen Rechten verletzt wäre. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, daß S nicht eine Verpflichtung auferlegt werden könne, die sie nur gemeinsam mit den anderen Miteigentümern erfüllen könne, sind daher nicht geeignet, die Parteistellung des Mitbeteiligten im Verfahren zur Erlassung eines baupolizeilichen Auftrags gegen S zu begründen.
Die Zurückweisung der Berufung des Mitbeteiligten durch die Berufungsbehörde auf Gemeindeebene war dann rechtmäßig, wenn diesem im Verfahren zur Erlassung des baupolizeilichen Auftrages gegenüber der Miteigentümerin S keine Parteistellung zukam.
Wie sich aus der Rechtsprechung zu verwaltungspolizeilichen Aufträgen nach anderen Bauordnungen ergibt, kommt demjenigen, an den ein verwaltungspolizeilicher Auftrag zu richten gewesen wäre, in dem Verfahren zur Erlassung eines Auftrages an jemanden anderen keine Parteistellung zu (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1994, Zl. 94/05/0075, für den Fall der Erlassung eines Auftrages an eine Gebäudeverwaltung ohne Nennung der Miteigentümer des Hauses als Verpflichtete; für den Fall der Zurückweisung der Vorstellung des Eigentümers eines Grundstückes gegen die Aufhebung eines baupolizeilichen Auftrages an den Pächter vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. August 1996, Zl. 96/06/0175).
Wie sich aus dem oben genannten Erkenntnis vom 16. Dezember 1993 zur Tir. BauO ergibt, besteht AUCH IM FALL DER ERLASSUNG EINES BAUPOLIZEILICHEN AUFTRAGES NUR AN EINEN MITEIGENTÜMER im Hinblick darauf, daß dieser Auftrag gegenüber anderen Adressaten nicht vollstreckbar ist, KEINE NOTWENDIGKEIT ZUR ANNAHME, DAß DEN ÜBRIGEN MITEIGENTÜMERN DIE PARTEISTELLUNG IM
VERFAHREN ZUR ERLASSUNG DES AUFTRAGES AN EINEN ANDEREN
MITEIGENTÜMER ZUKOMMEN MÜßTE. Es sind vielmehr die Rechte der übrigen Miteigentümer durch einen Bescheid, der sich nur an einen der Miteigentümer richtet, (noch) nicht betroffen (vgl. den Hinweis auf das Fehlen einer Vorschrift betreffend eine "unzertrennliche Streitgenossenschaft" im genannten Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/06/0211).
Auch die Ausführungen in der Gegenschrift, daß die Gemeindebehörde "zumindest als Vorfrage" prüfen hätte müssen, ob dem Mitbeteiligten zivilrechtlich ein Mitspracherecht zukomme, sind nicht geeignet, an dieser Beurteilung etwas zu ändern. Der Umstand, daß der in Rede stehende Bauauftrag nach der Tiroler Bauordnung an ALLE Miteigentümer zu erteilen ist, wenn er vollstreckt werden soll, steht vielmehr außer Streit. Entscheidend ist jedoch, ob aus dieser Rechtslage folgt, daß dem Mitbeteiligten Parteistellung im Verfahren betreffend den Auftrag an die Wohnungseigentümerin S zukam. Dies ist im Hinblick auf die obigen Ausführungen zu verneinen.
Die Gemeindebehörde hat daher die Berufung des Mitbeteiligten zutreffend zurückgewiesen. Die Aufhebung dieser Zurückweisung durch die belangte Behörde erweist sich als rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens der beschwerdeführenden Gemeinde betrifft den geltend gemachten Ersatz von Stempelaufwand, von dem die Gemeinde gemäß § 2 Z. 2 Gebührengesetz 1957 befreit ist.
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