VwGH 2010/04/0048

VwGH2010/04/00482.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde des X in Y, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. März 2010, Zl. M63/006490/2009, betreffend Feststellung der individuellen Befähigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
GewO 1994 §18 Abs1;
GewO 1994 §19;
GewO 1994 §94 Z76;
VwRallg;
AVG §52;
GewO 1994 §18 Abs1;
GewO 1994 §19;
GewO 1994 §94 Z76;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer die individuelle Befähigung für das Gewerbe "Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten" nicht besitze.

Begründend führte die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und maßgeblicher Rechtsvorschriften, etwa von Bestimmungen der Versicherungsmakler und -berater-Verordnung, im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am 18. Juni 2009 die Feststellung seiner individuellen Befähigung für das genannte Gewerbe beantragt und im Zuge des Verfahrens folgende Unterlagen vorgelegt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, es komme nach § 19 GewO 1994 lediglich darauf an, dass der Besitz der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nachgewiesen werde, wobei nicht entscheidend sei, in welcher Form dies geschehe. Der Beschwerdeführer könne keinen Grund erkennen, nach dem die belangte Behörde die Feststellung über das Vorliegen der individuellen Befähigung anhand der Versicherungsmakler und - berater-Verordnung treffen wolle.

Gutachten wie das vorgelegte Gutachten der Wirtschaftskammer Wien seien seit jeher ein wesentliches Mittel zum Nachweis der individuellen Befähigung gewesen. Auch nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Gewerberechtsnovelle 2002, BGBl. I Nr. 111/2002, bleibe es der Behörde unbenommen, "auch in Zukunft ein Gutachten der zuständigen Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft zur Frage der Erbringung des Befähigungsnachweises einzuholen"; der Gesetzgeber gehe daher davon aus, dass ein positives Gutachten der Wirtschaftskammer "den Nachweis über die Erbringung des individuellen Befähigungsnachweises" indiziere.

Schließlich weist die Beschwerde wiederum auf die Begleitung des Beschwerdeführers durch einen Coach hinsichtlich der Vermittlung anderer Versicherungen als Lebens- und Unfallversicherungen in einem Zeitraum "von mehr als drei Jahren" hin, nämlich "vom 01.03.2006 bis 30.04.2009"; die belangte Behörde habe in diesem Zusammenhang die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z. 4 Versicherungsmakler und -berater-Verordnung unrichtig angewandt.

2. Voraussetzung für die Ausübung von reglementierten Gewerben - zu denen gemäß § 94 Z. 76 GewO 1994 auch das Gewerbe der "Versicherungsvermittlung (Versicherungsagent, Versicherungsmakler und Beratung in Versicherungsangelegenheiten)" gehört - ist gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 der Nachweis der Befähigung.

Unter Befähigungsnachweis ist gemäß § 16 Abs. 2 GewO 1994 der Nachweis zu verstehen, dass der Einschreiter die fachlichen einschließlich der kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, um die dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten selbständig ausführen zu können.

Gemäß § 18 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (jetzt: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend) für jedes reglementierte Gewerbe durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege - für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander - die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe, gegebenenfalls für dessen eingeschränkte Ausübung, im Hinblick auf die hiefür erforderliche fachliche Befähigung jedenfalls als erfüllt anzusehen sind.

Die im gegenständlichen Fall maßgebliche Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das verbundene Gewerbe Versicherungsmakler; Berater in Versicherungsangelegenheiten (Versicherungsmakler und -berater-Verordnung), BGBl. II Nr. 97/2003, lautet - soweit hier von Relevanz - wie folgt:

"§ 1. (1) Durch die im Folgenden angeführten Belege ist die fachliche Qualifikation zum Antritt des verbundenen Gewerbes der Versicherungsmakler und der Berater in Versicherungsangelegenheiten (§ 94 Z 77 GewO 1994) als erfüllt anzusehen:

1. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Befähigungsprüfung für das unbeschränkte reglementierte Gewerbe der Versicherungsmakler oder

2. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Prüfung für das unbeschränkte reglementierte Gewerbe der Berater in Versicherungsangelegenheiten oder

3. Belege über eine ununterbrochene vierjährige einschlägige Tätigkeit als Selbstständiger oder in leitender Stellung oder

4. Belege über eine ununterbrochene zweijährige einschlägige Tätigkeit als Selbstständiger oder in leitender Stellung und dreijährige einschlägige Tätigkeit als Unselbstständiger oder

5. Belege über eine einjährige einschlägige Tätigkeit als Selbstständiger oder in leitender Stellung, nachdem eine staatlich anerkannte Ausbildung für das Versicherungsmaklergewerbe erfolgreich absolviert wurde.

(2) Die in Abs. 1 Z 3 bis 5 genannten Tätigkeiten müssen Kenntnisse in der Vermittlung oder Beratung sowie der Abwicklung von Sach-, Personen- und Haftpflichtversicherungsverträgen in einem der Befähigungsprüfung entsprechenden ausreichenden Ausmaß mit sich bringen.

(3) (…)

(4) Eine Tätigkeit in leitender Stellung in einem einschlägigen Unternehmen im Sinne von Abs. 1 Z 3 bis 5 übt aus, wer in dem entsprechenden Tätigkeitsbereich in folgenden Positionen beschäftigt oder mit folgenden Aufgaben betraut war:

1. als Leiter des Unternehmens oder als Leiter einer Zweigniederlassung oder

2. als Stellvertreter des Leiters des Unternehmens oder als Bevollmächtigter, wenn mit dieser Stellung eine Verantwortung verbunden ist, die der des vertretenen Leiters des Unternehmens entspricht, oder

3. bei einem Versicherungsunternehmen mit Aufgaben der Anleitung oder Überwachung von Versicherungsagenten.

(5) Staatlich anerkannte Ausbildungen im Sinne von Abs. 1 Z 5 sind die Folgenden: rechts-, sozial- oder wirtschaftswissenschaftliche Studienrichtungen; Lehrgang für den akademisch geprüften Versicherungskaufmann oder sonstiger facheinschlägiger Universitätslehrgang; Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Versicherungskaufmann; andere als die genannten Schulen und Ausbildungen, durch die die Lehrabschlussprüfung in diesem Lehrberuf nach den Vorschriften des Berufsausbildungsgesetzes, BGBl. Nr. 142/1969, ersetzt wird; sonstige staatlich anerkannte Ausbildungen mit gleichwertiger Schwerpunktsetzung."

3. Kann der gemäß § 18 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Behörde gemäß § 19 GewO 1994 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt.

Beim "individuellen Befähigungsnachweis" im Sinn des § 19 GewO 1994 wird der gemäß § 18 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschriebene Befähigungsnachweis durch sonstige Nachweise ersetzt, die jene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegen, die für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes erforderlich sind. Die Beurteilung, ob durch diese (sonstigen) Nachweise die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegt werden, hat daher am Maßstab der den Befähigungsnachweis im Sinn des § 18 Abs. 1 GewO 1994 festlegenden Vorschriften (Zugangsvoraussetzungen) zu erfolgen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 2011, Zl. 2008/04/0031, und vom 30. April 2008, Zl. 2007/04/0140, jeweils mwN).

4. Die belangte Behörde hat somit - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - zur Beurteilung, ob der Beschwerdeführer durch die von ihm beigebrachten Beweismittel die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen iSd § 19 GewO 1994 nachgewiesen hat, zu Recht die Bestimmungen der Versicherungsmakler und -berater-Verordnung als Maßstab herangezogen.

Beizupflichten ist der belangten Behörde auch darin, dass der Beschwerdeführer, der unstrittig nicht über einen gemäß § 18 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschriebenen Befähigungsnachweis verfügt, eine einschlägige Tätigkeit im Sinn insbesondere des § 1 Abs. 1 Z. 3 oder Z. 4 Versicherungsmakler und -berater-Verordnung nachweisen hätte müssen, wobei diese Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung "Kenntnisse in der Vermittlung oder Beratung sowie der Abwicklung von Sach-, Personen- und Haftpflichtversicherungsverträgen in einem der Befähigungsprüfung entsprechenden ausreichenden Ausmaß mit sich bringen" hätte müssen.

Selbst wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers von einer derartigen Tätigkeit während der (im Übrigen auch von der belangten Behörde in diesem Ausmaß festgestellten) Zeit der Zusammenarbeit mit seinem Coach bei der A.-GmbH vom 1. März 2006 bis 30. April 2009 ausginge, kann der Beschwerdeführer nach den von ihm im Verwaltungsverfahren vorgelegten Beweismitteln nicht eine Tätigkeit nachweisen, die der in § 1 Abs. 1 Z. 4 der Verordnung zusätzlich geforderten (arg. "und") ununterbrochenen zweijährigen einschlägigen Tätigkeit als Selbständiger oder in leitender Stellung gleichwertig ist (vgl. zur Nachweispflicht das hg. Erkenntnis vom 30. November 2006, Zl. 2005/04/0163), umfasst doch das von ihm unstrittig ausgeübte Gewerbe der gewerblichen Vermögensberatung lediglich die "Berechtigung zur Vermittlung von Lebens- und Unfallversicherungen in der Form Versicherungsmakler und Beratung in Versicherungsangelegenheiten" und entspricht somit nicht der nach § 1 Abs. 2 der Verordnung erforderlichen (umfassenderen) einschlägigen Tätigkeit.

Aus diesem Grund geht die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers wegen der nicht erfolgten Befragung des als Zeugen beantragten Coach A.K. ins Leere.

5. Die Beschwerde weist - an sich zutreffend - darauf hin, dass die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Gewerberechtsnovelle 2002 (BGBl. I Nr. 111/2002) auf die Möglichkeit der Behörde hinweisen, ein Gutachten der zuständigen Wirtschaftskammergliederung "zur Frage der Erbringung des Befähigungsnachweises einzuholen" (1117 BlgNR XXI. GP, 88). Allerdings sind nach den Erläuternden Bemerkungen auch im Fall der Vorlage eines positiven Gutachtens "die Schlüssigkeit des Gutachtens und die Vollständigkeit der hiefür herangezogenen Unterlagen und Belege zu prüfen" (1117 BlgNR XXI. GP, 77).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde das Gutachten der Wirtschaftskammer Wien vom 2. Juni 2009 samt einem bloß stichwortartig erstellten Protokoll eines "Fachgesprächs" vom 27. April 2009 im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegeben. Dem Gutachten und dem genannten Protokoll sind keine über die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen hinausgehenden Belege zu entnehmen; das "Fachgespräch" ist lediglich hinsichtlich der darin behandelten Fragen in knappesten Stichworten dokumentiert, zu den Antworten des Beschwerdeführers ist dem Protokoll nichts zu entnehmen. Insgesamt lässt sich daher aus dem "Gutachten zum Vorliegen der individuellen Befähigung" überhaupt nicht ableiten, aus welchen Gründen die Fachgruppe Wien der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten zu der "Überzeugung" gelangt ist, dass "die für das angestrebte Gewerbe erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen sind".

Die Auffassung der belangten Behörde, das Gutachten sei unschlüssig und nicht nachvollziehbar, ist daher nicht zu beanstanden.

6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 2. Februar 2012

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