VwGH 2009/08/0254

VwGH2009/08/025419.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter, sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der U GmbH in I, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Universitätsstraße 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 16. September 2009, Zl. BMSK-220326/0001-II/A/3/2009, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Tiroler Gebietskrankenkasse in 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2-4, 2. S K in N, 3. J B, 4. R E, 5. V H in P, 6. L D, 7. M K, 8. K K, 9. K K,

  1. 10. S L, 11. J M, 12. M M, 13. V M, 14. R P, 15. P R, 16. V T,
  2. 17. J U in Wien, 18. R W in T, 19. V J, 20. T W in F, 21. K Z in T, 22. Z S, 23. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 24. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65- 67, 25. M M in S), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §35 Abs1;
ASVG §68 Abs1;
ASVG §35 Abs1;
ASVG §68 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 28,70 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zum Sachverhalt und zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2007, Zl. 2004/08/0127, zu verweisen. Jenem Verfahren lag ein Bescheid der belangten Behörde vom 24. Mai 2004 zugrunde, mit dem ausgesprochen worden war, dass 27 namentlich angeführte Dienstnehmer in näher angeführten Zeiträumen nicht bei der dort erstmitbeteiligten Partei, deren Rechtsnachfolgerin die hier beschwerdeführende Partei ist, sozialversicherungs- und arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien. Aufgrund einer Beschwerde der hier mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof in jenem Erkenntnis aus:

"Für die Dienstgebereigenschaft ist wesentlich, wer nach rechtlichen (und nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, wen also das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar trifft (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12325/A). Die belangte Behörde geht der Sache nach davon aus, dass die mitbeteiligten Fahrzeuglenker in einem Betrieb beschäftigt gewesen sind, der im Wesentlichen aus den von den mitbeteiligten Lenkern gefahrenen Lastkraftwagen bestanden haben dürfte, die in den fraglichen Zeiträumen - den Feststellungen der belangten Behörde zufolge - im Eigentum der erstmitbeteiligten Partei standen, deren Behauptungen zufolge an die 'belgische U' ... vermietet gewesen und in Belgien zum Verkehr zugelassen gewesen sind. Über diese Lastkraftwagen scheint überwiegend in Österreich, und zwar am Standort der erstmitbeteiligten Partei verfügt worden zu sein, und zwar von Personen, die sowohl bei der erstmitbeteiligten Partei als auch bei der 'belgischen U' Funktionen innehatten. Die Beantwortung der Frage, ob die erstmitbeteiligte Partei Dienstgeberin der mitbeteiligten Lenker gewesen ist, hängt daher maßgeblich davon ab, ob der solcherart konstituierte Betrieb der erstmitbeteiligten Partei wirtschaftlich zuzurechnen ist, d.h. ob die in Rede stehenden LKWs auf ihre Rechnung und Gefahr betrieben worden sind, mit anderen Worten, ob die erstmitbeteiligte Partei aus den in diesem Zusammenhang getätigten Umsatzgeschäften berechtigt und verpflichtet wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 2002, Zl. 99/08/0173, und vom 20. November 2002, Zl. 98/08/0017). Wer berechtigt und verpflichtet wird ist eine Rechtsfrage, die aufgrund rechtlicher Gegebenheiten (z.B. Eigentum am Betrieb) beantwortet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2001/08/0130), wobei eine Änderung dieser Zuordnung durch Rechtsakte möglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 98/08/0017).

Die belangte Behörde hat zu diesen Fragen aber keine Feststellungen getroffen. Ohne derartige Feststellungen lässt sich aber die Frage, ob die mitbeteiligten Lenker zur erstmitbeteiligten Partei in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden sind, nicht beantworten."

Im fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde ein Gutachten eines Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters, Dr. K, ein. Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid gab sie der Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 63 VwGG teilweise Folge und stellte fest, dass die in einer "Anlage Neu" angeführten Fahrer "nur in den dort angeführten Zeiträumen bei der Dienstgeberin U GmbH & Co KG sozialversicherungs- und arbeitslosenversicherungspflichtig gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 AlVG" beschäftigt gewesen seien.

Diese - dem angefochtenen Bescheid angeschlossene - "Anlage Neu" lautet:

"Dienstnehmer

Zeitraum der Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG

B J

01.07.2000-31.07.2000

D L

01.05.2000-15.10.2000

E R

keine Pflichtversicherung zur U KG im streitgegenständlichen Zeitraum

G H

16.07.2000-31.08.2000

H V

01.12.2000-31.12.2000

K M

01.05.2000-31.05.2000

K J

24.02.2001- 20.03.2001

K J

01.05.2000-30.09.2000

K K

01.05.2000-28.05.2000

K K

01.07.2000-30.11.2000

K J

01.11.2000-01.01.2001

K S

01.09.2000-20.09.2000

K G

keine Pflichtversicherung zur U KG im streitgegenständlichen Zeitraum

L S

01.05.2000-30.06.2000

M M

keine Pflichtversicherung zur U KG im streitgegenständlichen Zeitraum

M J

01.11.2000-01.01.2001

M M

01.06.2000-31.10.2000

M V

24.02.2001-14.03.2001

P R

keine Pflichtversicherung zur U KG im streitgegenständlichen Zeitraum

R P

01.10.2000

T V

01.05.2000-01.11.2000

U J

01.11.2000-28.02.2001

J V

27.08.2001-31.08.2001

W R

29.11.1999-15.02.2000

W T

keine Pflichtversicherung zur U KG im streitgegenständlichen Zeitraum

Z K

01.10.1999- 18.10.1999

Z S

keine Pflichtversicherung zur U KG im streitgegenständlichen Zeitraum"

Zu den Verfahrensparteien führte die belangte Behörde aus, dass die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse als Dienstgeberin herangezogene U GmbH & Co KG (im Folgenden: U KG) mit 9. September 2009 gelöscht worden sei: laut Firmenbuchauszug habe eine Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB an die beschwerdeführende Partei stattgefunden. Es habe daher eine Gesamtrechtsnachfolge von der U KG auf die beschwerdeführende Partei stattgefunden und sei diese nunmehr Partei des Verfahrens. Die Frage der Dienstgebereigenschaft sei allerdings zeitraumbezogen zu betrachten.

Zu den "Gesellschaftsverhältnissen" der beschwerdeführenden Partei führte die belangte Behörde aus, die beschwerdeführende Partei sei Komplementärin der damaligen U KG gewesen und habe als reine - nicht am Vermögen beteiligte - Geschäftsführungsgesellschaft fungiert. Handelsrechtlicher Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei sei U S. gewesen; dieser sei somit auch "Geschäftsführer der U KG" gewesen. Im streitgegenständlichen Zeitraum seien U S., die U S. BeteiligungsverwaltungsgmbH, M G., die M G. BeteiligungsverwaltungsgmbH, die U GüterbeförderungsgmbH und die U BeteiligungsverwaltungsgmbH (an der KG) als KommanditistInnen beteiligt gewesen. Alle Beteiligungen ließen sich auf drei natürliche Personen, nämlich M G., U S. und P G. zurückführen.

Bei der U S.A. handle es sich um eine Aktiengesellschaft nach belgischem Recht, Aktionäre seien die U GüterbeförderungsgmbH, P G. und U S. gewesen. Dem Verwaltungsrat der U S.A. hätten seit 1998 in den streitgegenständlichen Zeiträumen U S., P G. und M G. angehört. Zum delegierten Verwalter - diese Funktion entspreche dem Geschäftsführer nach österreichischem Recht - sei U S. bestellt worden. U S. sei sohin für alle operativ tätigen Gesellschaften der U-Gruppe der alleinige Geschäftsführer bzw. delegierte Verwalter gewesen. U S. habe sich in seiner Eigenschaft als delegierter Verwalter in unterschiedlichem Ausmaß in Belgien aufgehalten, manchmal fünf- bis sechsmal im Monat (durchschnittlich etwa zwei bis drei Mal).

Die damalige U KG mit Sitz in T sei im streitgegenständlichen Zeitraum im grenzüberschreitenden Güterbeförderungsgewerbe tätig gewesen und habe zu diesem Zweck, ebenso wie die U S.A., LKW-(Fern-)Fahrer beschäftigt.

Im Gutachten des Wirtschaftstreuhänders Dr. K. sei dargelegt worden, dass… (Unterstreichungen und Schreibweise wie im angefochtenen Bescheid):

"

"Name

von

bis

   

J K

21.03.2001

26.06.2001

J K

01.01.2001

31.12.2002

V H

01.01.2001

31.12.2002

J M

01.01.2001

31.12.2002.

S K

21.09.2000

26.04.2001

Z S

01.07.2000

31.12.2001

G K

01.09.1998

31.12.2002

V T

01.11.2000

31.12.2001"

Seitens des Office National de Securite Sociale in Brüssel seien im Dezember 2005 bzw. im Jänner 2006 die im Folgenden angeführten Formulare E 101 betreffend die Dienstgeberin U S.A. ausgestellt worden:

"Dienstnehmer

Beschäftigungszeiträume

E101 ausgestellt ab:

Zeitraum der Pflichtversicherung in Österreich

Drittstaats-angehöriger

B J

01.07.2000-31.07.2000

-

01.07.2000-31.07.2000

 

D L

01.05.2000- 15.10.2000

-

01.05.2000-15.10.2000

 

E R

27.08.2000-31.08.2000

27.08.2001

27 08.2000-1.08.2000-

ja

G H

16.07.2000-31.08.2000

16.07.2001

16.07.2000-31.08.2000

nein

H V

01.12.2000- 31.08.2001

15.03.2001

01.12.2000- 31.12.2000

ja

K M

01.05.2000-31.05.2000

 

01.05.2000-31.05.2000

 

K J

24.02.2001-31.05.2001

21.03.2001

24.02.2001-20.03.2001

ja

K J

01.05.2000- 30.09.2000

-

01.05.2000-30.09.2000

-

K K

01.05.2000-18.08.2000

29.05.2000

01.05.2000-28.05.2000

nein

K K

01.07.2000-30.11.2000

-

01.07.2000-30.11.2000

 

K J

01.11.2000-31.08.2001

02.01.2001

01.11.2000-01.01.2001

ja

K S

01.09.2000- 30.11.2000

21.09.2000

01.09.2000- 20.09.2000

nein

K G

01.09.1999-31.08.2001?

01.09.1999

01.01.1999-31.08.2001

nein

L S

01.05.2000-30.06.2000

-

01.05.2000-30.06.2000

ja

M M

01.1999-30.11.1999

04.02.2000-31.12.2000

01.03.2001-31.08.2001

18.01.1999

01.03.2001

-

nein

M J

01.11.2000-31.08.2001

02.01.2001

01.11.2000-01.01.2001

ja

M M

01.06.2000-31.10.2000

-

01.06.2000-31.10.2000

-

M V

24.02.2001-30.06.2001

15.03.2001

24.02.2001-14.03.2001

ja

P R

21.03.2001- 23.04.2001

21.03.2001

-

nein

R P

01.10.2000- 31.08.2001

02.10.2000

 

nein

T V

01.05.2000- 30.06.2001

02.11.2000

01.05.2000- 01.11.2000

ja

U J

01.11.2000-28.02.2001

-

01.11.2000-28.02.2001

-

J V

27.08.2001-31.08.2001

-

27.08.2001-31.08.2001

-

W R

29.11.1999-15.02.2000

09.01.2001-23.03.2001

09.01.2001

29.11.1999-15.02.2000

nein

W T

16.07.2001-25.07.2001

16.07.2001

-

nein

Z K

01.10.1999-31.12.1999

19.10.1999

01.10.1999-18.10.1999

nein

Z S

10.04.2000-31.08.2000

10.04.2000

-

ja"

Seitens der Finanzbehörden (Großbetriebsprüfung Innsbruck) seien die "Dienstverhältnisse zur U S.A. anerkannt und mehrere vom Verfahren berührte LKW-Fahrer mit den von der belgischen U ausbezahlten Löhnen als solche nicht der Lohnsteuerabzugspflicht unterliegenden ausländischen (belgischen) Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zur Einkommensteuer veranlagt" worden. Zur Steuerfreistellung der österreichischen Dienstnehmer hätten die jeweiligen zuständigen österreichischen Finanzämter den Fahrern Ansässigkeitsbescheinigungen ausgestellt und diese seien den belgischen Behörden zur Steuerfreistellung auch bereits vorgelegt worden. Gegenüber der beschwerdeführenden Partei sei seitens der österreichischen Finanzbehörden bisher kein Bescheid betreffend die Lohnsteuerpflicht der vom Verfahren umschlossenen Fahrer erlassen worden.

Zur Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, dass die wesentlichen "Fakten des Sachverhalts" durch die mit dem schlüssigen Gutachten vorgelegten Unterlagen belegt und im Wesentlichen in den Stellungnahmen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bzw. der U KG auch nicht bestritten worden seien.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Art. 13 und Art. 14 Abs. 1 lit. a der Verordnung Nr. 1408/71 aus, dass aus der Übersicht betreffend die ausgestellten Formulare E 101 hervorgehe, dass in bestimmten Zeiträumen Bestätigungen über die anzuwendenden Rechtsvorschriften ausgestellt und in bestimmten Zeiträumen die belgischen Vorschriften für anwendbar erklärt worden seien. Die Bescheinigungen der Freien Krankenkasse und die E 101-Formulare würden sich zeitlich decken. Ausnahme sei der Fünftmitbeteiligte, bei ihm sei (nur) auf die Bescheinigung der Freien Krankenkasse abgestellt worden.

Ungeachtet einer "Mit-Dienstgebereigenschaft" der U KG R könne für die in den Tabellen genannten Personen in den genannten Zeiträumen nicht die österreichische Pflichtversicherung festgestellt werden, weil dies der Bindungswirkung des "E 101" widersprechen würde. Im Sinne der Verordnung Nr. 574/72 (EWG) bescheinige das Formular E 101 nämlich, den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften welchen Staates eine Person unterworfen sei. Sei in einem Mitgliedstaat ein Formular E 101 ausgestellt worden, so sei der Versicherungsträger eines anderen Mitgliedstaates an die Angaben in der Bescheinigung gebunden und könne daher den fraglichen Arbeitnehmer nicht seinem eigenen System der sozialen Sicherheit unterstellen, solange die Bescheinigung nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt werde.

Die Zeiträume, in denen "österreichische Pflichtversicherung" nach dem ASVG aufgrund der gegenständlichen Beschäftigung festgestellt werden könne, sei daher auf jene Zeiträume zu beschränken, von denen vom Office National de Securite Social kein E 101 ausgestellt worden sei.

Einige der vom gegenständlichen Verfahren umfassten Personen seien im Zeitraum der Beschäftigung keine Staatsbürger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union gewesen. Im gegenständlichen Zeitraum sei die VO (EG) Nr. 859/2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der VO (EWG) 1408/71 und der VO (EWG) 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen, noch nicht in Kraft gewesen; diese Erweiterung sei erst auf Zeiträume nach dem 1. Juni 2003 anzuwenden gewesen.

Im genannten Zeitraum habe vielmehr für Drittstaatsangehörige mangels Anwendbarkeit der VO (EWG) 1408/71 in der Beziehung zu Belgien das Sozialversicherungsabkommen gegolten, das auch die Einbeziehung von Drittstaatsangehörigen vorsehe. Für eine Ausnahme vom Territorialitätsprinzip und damit für eine Entsendung unter Beibehaltung der Pflichtversicherung im Entsendestaat bestehe somit eine rechtliche Grundlage im Abkommen. Allerdings sehe das Abkommen nicht die Ausstellung einer Bescheinigung wie des E 101 vor.

Auch wenn im konkreten Fall die Ausstellung von Bescheinigungen E 101, die erst im Jahr 2005 im Nachhinein erfolgt sei, "vordergründig ohne Rechtsgrundlage" erfolgt sei, komme dennoch der dem Koordinationsrecht in Angelegenheiten der Sozialversicherung der EU innwohnende Grundsatz auch hier zum Tragen, dass für ein und dieselbe Tätigkeit nur in einem Staat Pflichtversicherung bestehen könne und dass die Entscheidung des Mitgliedstaats, der sich zuerst für zuständig erkläre, zu akzeptieren sei, bis diese Erklärung widerrufen werde. Die Erklärung - wenn auch auf dem für diesen Zeitraum falschen Formular - des belgischen Versicherungsträgers, dass die Genannten in Belgien versichert seien, sei daher zu respektieren.

Soweit daher für Zeiträume, die im erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse als Zeiträume der Pflichtversicherung angeführt seien, "E 101 (Bescheinigungen nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Belgien über Soziale Sicherheit)" vorlägen, seien diese Zeiträume auszuscheiden gewesen, weil hier keinesfalls österreichische Sozialversicherungszuständigkeit gegeben sei. Bei manchen Beschäftigten ergäben sich die im angefochtenen Bescheid festgestellten Zeiten der Pflichtversicherung in Österreich daraus, dass der im E 101 angeführte Zeitraum sich nicht mit dem Beschäftigungszeitraum decke.

Zur Dienstgebereigenschaft der beschwerdeführenden Partei führte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf das im ersten Rechtsgang ergangene aufhebende hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2007, Zl. 2004/08/0127, Folgendes aus:

"Wenn zwei - juristische oder physische - Personen durch Vertrag sich verpflichten, ihre Mühen oder ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen zu vereinigen, wird eine Gesellschaft zum gemeinschaftlichen Erwerb gegründet, d.h. es liegt der Sache nach eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor, geregelt in §§ 1175 ff ABGB, vgl. Rieder/Humer, Gesellschaftsrecht, facultas-Universitätsverlag, Wien 2009, Seite 69ff.

Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) - soweit keine Innengesellschaft vorliegt - kommt allen Gesellschaftern die Dienstgebereigenschaft zu. (…)

Die (belangte Behörde) geht davon aus, dass im gegenständlichen Fall - unter Betrachtung des oben festgestellten Sachverhaltes - eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, konkret eine Außengesellschaft vorliegt, dies aus folgenden Erwägungen:

1.)

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Unter einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ist zunächst das dienstliche Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Dienstnehmers im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu dem Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG zu verstehen. Ob jemand in einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 ASVG steht, ist immer nur in Bezug auf eine andere Person, nämlich - vom Fall der Indienstnahme durch Mittelspersonen abgesehen - den Dienstgeber zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. November 2005, Zl. 2005/08/0096).

Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Dienstgebereigenschaft wesentlich, wer nach rechtlichen (und nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, wen also das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, Zl. 2008/08/0030, uva).

Obwohl es für die (abschließende) Beantwortung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, nicht ausreicht festzustellen, wem das Eigentum an den Betriebsmitteln, mit deren Hilfe der Betrieb geführt wird, zukommt, so ist dennoch das Eigentum (Miteigentum) entsprechend dem Gegenstand der Betriebsführung schon nach sachenrechtlichen Grundsätzen die primär ausschlaggebende rechtliche Gegebenheit für die Zurechnung von Rechten und Pflichten aus der Betriebsführung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 2008, Zl. 2007/08/0296).

Eine sozialversicherungsrechtlich relevante Änderung der sich aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung setzt rechtswirksame (und rechtswirksam bleibende) dingliche (z.B. durch Einräumung eines Fruchtgenussrechtes) oder obligatorische Rechtsakte (z.B. durch Abschluss eines Pachtvertrages oder einer besonderen, einem Pachtvertrag nahekommenden Vereinbarung zwischen Miteigentümern) mit der Wirkung voraus, dass statt des Eigentümers (der Miteigentümer) ein Nichteigentümer (bzw. bei Vereinbarungen zwischen Miteigentümern einer der Miteigentümer allein) aus der Führung des Betriebes berechtigt und verpflichtet wird (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 2002, Zl. 99/08/0157 und vom 2. April 2008, Zl. 2007/08/0240).

2. Im gegenständlichen - fortgesetzten - Verfahren ist im Wesentlichen die Dienstgebereigenschaft der U KG als Rechtsvorgängerin der nunmehr beschwerdeführenden Partei in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen strittig. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis vom 4. Juli 2007, Zl. 2004/08/0127, ausgeführt hat, reichten die Feststellungen der belangten Behörde im ersten Verfahrensgang nicht aus, um die Frage zu beurteilen, ob die mitbeteiligten LKW-Lenker zur U KG in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden sind.

Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten eingeholt und - im Wesentlichen auf diesem Gutachten aufbauend - weitere Feststellungen dazu getroffen, wem der in Rede stehende Betrieb wirtschaftlich zuzurechnen war. Nach diesen Feststellungen war der verfahrensgegenständliche Betrieb folgendermaßen konstituiert:

Sowohl die U KG als auch die U S.A. waren im verfahrensgegenständlichen Zeitraum im Güterbeförderungsgewerbe tätig und beschäftigten zu diesem Zweck LKW-Fahrer. Die verwendeten LKW standen im Eigentum der U KG, waren jedoch (zum Teil) an die U S.A. vermietet. Eigenes Anlagevermögen der U S.A. bestand nicht. Die durch die U S.A. von der U KG angemieteten LKW waren auf die U S.A. angemeldet und in Belgien haftpflichtversichert. Wartungen dieser LKW wurden von der U KG an die U S.A. verrechnet. Die U S.A. trat nicht selbständig am Markt auf, um eigene Transportaufträge abzuschließen, sondern führte "(n)ahezu 100% der Transportaufträge" als Subunternehmerin für die U KG durch. Sämtliche Erlöse wurden direkt von der U KG fakturiert; wurde ein Transport von der U S.A. durchgeführt, so hat diese einen Anteil des Umsatzes lukriert. Das Gewährleistungs- und Ausfallsrisiko gegenüber Endkunden lag bei der U KG. Das von der belangten Behörde herangezogene Gutachten kam weiters zu dem Schluss, dass betriebswirtschaftlich betrachtet die U S.A. unter der Leitung der U KG gestanden sei.

Diese Feststellungen werden in der Beschwerde nicht bestritten.

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorliege, deren Gesellschafterinnen die U S.A. und die U KG seien. Beide Gesellschafterinnen hätten Betriebsmittel zur Erreichung eines gemeinsamen Betriebsziels eingebracht. Für die Frage der Dienstgebereigenschaft sei es allerdings rechtens, bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur eine Gesellschafterin als Dienstgeberin in Anspruch zu nehmen.

3. Die beschwerdeführende Partei wendet sich in ihrer Beschwerde im Wesentlichen gegen diese Rechtsansicht der belangten Behörde und bestreitet das Vorliegen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Vermögensverhältnisse zwischen der U KG und der U S.A. seien strikt getrennt gewesen, die zur Verfügung stehenden Betriebsmittel seien einer gemeinschaftlichen Nutzung unzugänglich gewesen und die Leistungen zwischen der U KG und der

U S.A. seien jeweils lückenlos verrechnet worden. Zudem sei die beschwerdeführende Partei im Rahmen des fortgesetzten Verfahrens nicht mit der Rechtsansicht konfrontiert worden, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorliege, diesbezüglich liege daher eine Verletzung des Parteiengehörs vor.

Selbst unter der Annahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts könne zudem nicht darauf geschlossen werden, dass die Pflichtversicherung der mitbeteiligten Dienstnehmer zu jedem einzelnen der Gesellschafter bestehe.

4. Anknüpfungspunkt für die Dienstgebereigenschaft im Sinne des § 35 ASVG ist der Betrieb, in dem der Dienstnehmer beschäftigt ist. Ungeachtet der festgestellten rechnungsmäßigen Trennung zeigt der gesamte festgestellte Sachverhalt, dem die Beschwerde auch nicht entgegentritt, einen einheitlichen Güterbeförderungsbetrieb, in dem im Eigentum der beschwerdeführenden Partei stehende LKW nach Erfordernis - insbesondere zur Erlangung von Beförderungsgenehmigungen - an die U S.A., in deren Eigentum keine eigenen Anlagegüter standen, vermietet und auch Dienstnehmer zwischen den Gesellschaften überlassen wurden, und bei dem trotz formaler rechtlicher und verrechnungstechnischer Trennung zwischen den Unternehmen ein einheitlicher Marktauftritt gegenüber Endkunden - gegenüber denen mit einer Ausnahme ausschließlich die beschwerdeführende Partei in Erscheinung trat - erfolgte. Umstände, die gegen das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes sprechen, wurden von der beschwerdeführenden Partei in der Beschwerde nicht dargetan.

Da somit in wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Sinne des § 539a Abs. 1 ASVG ein einheitlicher Betrieb vorlag, der jedenfalls auch auf Rechnung der beschwerdeführenden Partei geführt wurde, kann im Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde, dass die beschwerdeführende Partei als Dienstgeberin der mitbeteiligten Dienstnehmer im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG in den im angefochtenen Bescheid näher dargelegten Zeiträumen anzusehen war, nicht entgegengetreten werden.

Ob die mitbeteiligten LKW-Lenker ihr Entgelt direkt von der

U KG ausbezahlt bekamen oder von einem Dritten (etwa der U S.A.) war schließlich für die Beurteilung der Dienstgebereigenschaft im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG (wie schon der Wortlaut der Bestimmung zeigt) nicht von Relevanz (vgl. unter vielen das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, Zl. 2008/08/0030).

5. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, dass "(a)llfällige Sozialversicherungsansprüche" ihr gegenüber jedenfalls verjährt seien und nicht mehr geltend gemacht werden könnten.

Mit diesem Vorbringen verkennt die beschwerdeführende Partei, dass im vorliegenden Fall einzig die Feststellung der Versicherungspflicht und nicht etwa die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen Gegenstand des Verfahrens ist. Die Regelung über die Verjährung der Beiträge in § 68 ASVG ist auf die Feststellung der Pflichtversicherung nicht anzuwenden. Die Pflichtversicherung kann daher auch für Zeiträume festgestellt werden, für die das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen nach § 68 Abs. 1 ASVG - möglicherweise - verjährt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. November 2011, Zl. 2008/08/0152, mwN)

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens für die hg. Verfahren der Zlen. 2009/08/0254 und 2009/08/0255 gemeinsam vorgelegt, weshalb der Vorlageaufwand hier nur zur Hälfte zuzusprechen war.

Wien, am 19. Dezember 2012

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