Normen
ÄrzteG 1998 §109;
ÄrzteG 1998 §2 Abs2;
ÄrzteG 1998 §2 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §41 Abs1;
ÄrzteG 1998 §109;
ÄrzteG 1998 §2 Abs2;
ÄrzteG 1998 §2 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §41 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Erledigung des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 30. April 2009 wurde dem Beschwerdeführer der Beitrag zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für das Jahr 2008 mit EUR 24.367,44 vorgeschrieben. In der Begründung wird Folgendes ausgeführt:
"Aufgrund Ihrer Angaben und der von der Ärztekammer für Wien getroffenen Feststellungen wurde Ihre Beitragsmessungsgrundlage auf Basis des Jahres 2005 wie folgt ermittelt:
Jahresbruttogehalt 2005 | EUR | 43.970,46 | |
anteilige Werbungskosten 2005 | EUR | - | 10.130,79 |
Gewinn 2005 EE | EUR | + | 115.637,22 |
Beitragszahlung 2005 BA | EUR | + | 4.747,39 |
Bemessungsgrundlage (BMG) | EUR | 154.224,28 | |
Berechnung Fondsbeitrag | |||
von der BMG 15,8 % gemäß Abschnitt I Abs. 1 BO für 12 Monat(e) | EUR | 24.367,44 | |
Fondsbeitrag 2008 | EUR | 24.367,44 | |
abzüglich vorläufiger Fondsbeitrag 2008 BB | EUR | - | 6.842,30 |
Rückstand Fondsbeitrag 2008 | EUR | 17.525,14" |
Dagegen erhob der Beschwerdeführer, der in seiner an die Erstbehörde gerichteten "Erklärung des Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit des Jahres 2005 zur Festsetzung des Fondsbeitrages und der Kammerumlage für das Jahr 2008" einen Betrag von EUR 1.773,54 als "Gewinn (Einkünfte aus selbständiger ärztlicher Tätigkeit)" für das Jahr 2005 genannt und in der einen Gesamtgewinn von EUR 115.637,22 ausweisenden Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für 2005 die Gesamteinnahmen von EUR 142.681,97 in "Erlöse Arzt (Klassegelder)" mit EUR 2.234,47, "medizinischer Berater", EUR 23.400,--, "Erlöse Vorträge gemäß § 109a EStG", EUR 1.000,-- und "Erlöse Studien", EUR 116.047,50, aufgegliedert hatte, Beschwerde und führte dazu Folgendes aus:
Er habe im Jahr 2008 keine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Arzt mehr bezogen; die Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit als Arzt hätten lediglich EUR 5.420,-- betragen.
Mit dem über die Beschwerde (Berufung) ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde diese abgewiesen und die erstinstanzliche Erledigung bestätigt.
Begründend führte die belangte Behörde - nach einer zusammenfassenden Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgangs und einer Darstellung der relevanten Bestimmungen der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien und des Ärztegesetzes 1998 - Folgendes aus:
"Die Ausübung des ärztlichen Berufes umfasst jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgeführte Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird (§ 2 Ärztegesetz 1998). Mit den Worten 'unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen' wird gesetzlich festgelegt, dass nicht nur die Tätigkeit jener Ärzte, die Patienten persönlich und unmittelbar behandeln, sondern auch die Tätigkeit von Ärzten, die mittelbar auf die Feststellung, die Diagnose, die Gesunderhaltung, Besserung oder Heilung von Menschen gerichtet ist, gleichgültig, ob es sich um einen bereits bestimmten Patienten oder um Menschen handelt, die in der Zukunft erkranken können oder krank werden, zur Ausübung der Heilkunde gehören.
Das wesentliche Merkmal, dafür ob es sich bei der Tätigkeit eines Arztes um eine Tätigkeit in Ausübung der Heilkunde handelt, ist, ob der Arzt im Interesse der Gesunderhaltung, Verhütung, Besserung oder Heilung von Menschen unmittelbar oder mittelbar tätig ist. Wissenschaftliche Studien über Medikamentenwirkungen werden ebenso als ärztliche Tätigkeiten gewertet, weil diese zumindest mittelbar im Interesse der Gesunderhaltung, Verhütung, Besserung oder Heilung von Menschen erfolgen.
Eine Tätigkeit als medizinischer Berater im Zuge der Durchführung klinischer Studien von Arzneimittel, um deren Wirksamkeit und Sicherheit zu erfahren, geschieht zumindest mittelbar im Interesse der Gesunderhaltung, Verhütung, Besserung bzw. Heilung von Menschen. Es handelt sich daher um eine ärztliche Tätigkeit, welche bei der Ermittlung bei der Bemessungsgrundlage mit einzubeziehen ist."
Der festgesetzte Fondsbeitrag von EUR 24.367,44 übersteige weder die individuelle Höchstgrenze des § 109 Abs. 3 ÄrzteG 1998 (18 % der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit) noch die absolute Höchstgrenze des Abschnitt I Abs. 5 der Beitragsordnung (EUR 25.435,49).
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, die auch eine weitere Stellungnahme erstattet hat, erwogen:
1. Im Beschwerdefall sind folgende Rechtsvorschriften von Bedeutung:
1.1. Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 idF BGBl. I Nr. 57/2008 (ÄrzteG 1998):
...
Der Beruf des Arztes
§ 2. (1) Der Arzt ist zur Ausübung der Medizin berufen.
(2) Die Ausübung des ärztlichen Berufes umfaßt jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere
1. | die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Mißbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind; |
2. | die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel; |
3. | die Behandlung solcher Zustände (Z 1); |
4. | die Vornahme operativer Eingriffe einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut; |
5. | die Vorbeugung von Erkrankungen; |
6. | die Geburtshilfe sowie die Anwendung von Maßnahmen der medizinischen Fortpflanzungshilfe; |
7. | die Verordnung von Heilmitteln, Heilbehelfen und medizinisch diagnostischen Hilfsmitteln; |
8. | die Vornahme von Leichenöffnungen. |
(3) Jeder zur selbständigen Ausübung des Berufes berechtigte Arzt ist befugt, ärztliche Zeugnisse auszustellen und ärztliche Gutachten zu erstatten.
…
§ 109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen oder zahnärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. …
(2) Bei der Festsetzung der Höhe der für den Wohlfahrtsfonds bestimmten Beiträge ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie auf die Art der Berufsausübung der beitragspflichtigen Kammerangehörigen Bedacht zu nehmen. Die Höhe der Beiträge kann betragsmäßig oder in Relation zu einer Bemessungsgrundlage festgesetzt werden. Als Bemessungsgrundlage können die Einnahmen, die Einkünfte oder beides herangezogen werden. Näheres ist in der Beitragsordnung zu regeln.
(3) Die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds darf 18 vH der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher oder zahnärztlicher Tätigkeit nicht übersteigen.
…"
1.2. Nach Abschnitt I Abs. 2 der Beitragsordnung besteht bei Fondsmitgliedern, die den ärztlichen Beruf ausschließlich im Rahmen von Arbeitsverhältnissen ausüben, die jährliche Bemessungsgrundlage aus der Summe der monatlichen Bruttogrundgehälter abzüglich der anteilig darauf entfallenden Werbungskosten; nach Abs. 3 ist bei allen übrigen Fondsmitgliedern Bemessungsgrundlage der "Überschuss aus der selbständigen ärztlichen Tätigkeit", ermittelt nach den Bestimmungen des EStG 1988. Die Bemessungsgrundlagen sind zusammenzurechnen, wenn der ärztliche Beruf gleichzeitig selbständig und unselbständig ausgeübt wird (Abs. 4).
2. Ausgehend von diesen Bestimmungen der Beitragsordnung ist die Begründung eines Bescheids, mit dem Beiträge zum Wohlfahrtsfonds festgesetzt werden, einer nachprüfenden Rechtskontrolle nur zugänglich, wenn der Bescheid darlegt, aus welchen Bestandteilen sich die Beitragsgrundlage im konkreten Fall zusammensetzt und wie sich die Höhe des vorgeschriebenen Beitrags errechnet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2005, Zl. 2003/11/0313, mwN).
Dies erfordert in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Behörde abweichend von der Erklärung des Beitragspflichtigen als "Gewinn" (Überschuss aus der selbständigen ärztlichen Tätigkeit; vgl. Abschnitt I Abs. 3 der Beitragsordnung) einen höheren Betrag angesetzt und in die der Ermittlung des Beitrags zum Wohlfahrtsfonds zu Grunde liegende Bemessungsgrundlage einbezogen hat, nachvollziehbare und schlüssig begründete Feststellungen, um dem Gerichtshof die Überprüfung des angefochtenen Bescheids auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit zu ermöglichen.
3. Im Beschwerdefall ist primär die Frage strittig, ob in die Bemessungsgrundlage zur Ermittlung des Beitrags des Beschwerdeführers zum Wohlfahrtsfonds für das Jahr 2008 der gesamte im Einkommensteuerbescheid 2004 ausgewiesene Gewinn von EUR 115.637,22 einzubeziehen ist (so die belangte Behörde), oder ob darunter auch - in die Bemessungsgrundlage nicht einzubeziehende - Erlöse aus nicht ärztlicher Tätigkeit sind, wie die Beschwerde meint, die die Auffassung vertritt, bei den Erlösen für Vorträge (EUR 1.000,--) und als medizinischer Berater sowie für Studien (EUR 139.447,50) handle es sich um Erlöse aus nichtärztlicher Tätigkeit.
Die belangte Behörde hat sich mit dem bereits im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringen, bei der in Rede stehenden Tätigkeit handle es sich (wie auch in den Vorjahren) um "klinische Studien im Rahmen der Rheumatologie", nicht aber um ärztliche Tätigkeit, nicht auseinandergesetzt und insbesondere keine Feststellungen zum Inhalt der vom Beschwerdeführer ausgeübten Tätigkeit getroffen. Der angefochtene Bescheid leidet daher an einem wesentlichen Begründungsmangel, der die beschwerdeführende Partei an der wirksamen Verfolgung ihrer Rechte und dem Verwaltungsgerichtshof an der inhaltlichen Kontrolle des Bescheides hindert. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass jede Vortrags- und Studientätigkeit eines Arztes, unabhängig von Inhalt und Art, zur ärztlichen Tätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 2 und Abs. 3 ÄrzteG 1998 zu zählen ist.
Ist aber die Prüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes nicht möglich, dann kann die Nachholung der unterlassenen Begründung in der Gegenschrift die der angefochtenen Entscheidung anhaftende Mangelhaftigkeit nicht beheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2004, Zl. 2003/11/0312).
4. Im Übrigen gleicht der vorliegende Beschwerdefall - in Ansehung der Frage, ob die erstinstanzliche Erledigung des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds als Bescheid zu qualifizieren ist - jenen, über welche bereits mit den hg. Erkenntnissen vom 22. Juni 2010, Zl. 2006/11/0058, und Zl. 2006/11/0108, und - was den Hinweis auf § 230 Abs. 7 ÄrzteG 1998 in der Fassung der 14. Ärztegesetz-Novelle durch die belangte Behörde anlangt - jenen, über welche mit den hg. Erkenntnissen vom 23. Februar 2011, Zl. 2008/11/0054, sowie vom 24. Mai 2011, Zl. 2008/11/0006, entschieden wurde. Es genügt daher, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf diese Erkenntnisse hinzuweisen.
5. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen, weil sich die Berufung des Beschwerdeführers gegen eine Erledigung richtete, die keinen Bescheid darstellt, und demnach unzulässig war, gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen (prävalierender) Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 30. September 2011
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