VwGH 2010/09/0203

VwGH2010/09/020324.3.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des Mag. P, vertreten durch Mag. Andreas Jeidler, Rechtsanwalt in 7350 Oberpullendorf, Rosengasse 55, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 7. Juni 2010, Zl. E 019/12/2010.018/004 (und Zl. E 109/12/2009.022/008), betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AÜG §4 Abs2;
AuslBG §2 Abs2 idF 2007/I/078;
AuslBG §2 Abs2 lita idF 2007/I/078;
AuslBG §2 Abs2 litb idF 2007/I/078;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs7;
AuslBG §3 Abs1;
AÜG §4 Abs2;
AuslBG §2 Abs2 idF 2007/I/078;
AuslBG §2 Abs2 lita idF 2007/I/078;
AuslBG §2 Abs2 litb idF 2007/I/078;
AuslBG §2 Abs4;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs7;
AuslBG §3 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Juni 2010 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der H. GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft den polnischen Staatsangehörigen Piotr K. im Zeitraum vom 8. Juli bis zum 10. Juli 2008 mit dem Verspachteln von Gipskartonplatten entgegen den Vorschriften des § 3 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG beschäftigt habe. Es wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.000,--

(im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Die H. GmbH mit Sitz in M. betreibe neben dem Güterbeförderungsgewerbe und dem freien Gewerbe des Vermietens von Kraftfahrzeugen auch das freie Gewerbe des Befestigens von Gipskartonwänden und Mineralfaserplatten auf vorgefertigten Elementen unter Ausschluss jeder an eine Befähigung gebundenen Tätigkeit. Mit Vertrag vom 7. April 2008 habe die B. GmbH einen Auftrag, Rigipswände bei einer zu errichtenden Wohnhausanlage in P. zu montieren und zu verspachteln, in "Sub" an die H. GmbH weitergegeben. Diese habe den polnischen Staatsangehörigen Piotr K. beauftragt, die Verspachtelungsarbeiten zu einem Quadratmeterpreis von EUR 2,-- durchzuführen. Piotr K. sei im Besitz einer in die deutsche Sprache übersetzten "Bestätigung" (eines polnischen Gemeindevorstehers) vom 21. November 2007 gewesen, aus der hervorgegangen sei, dass er mit seiner Firma S. nicht näher bezeichnete "Dienstleistungen" im Staatsgebiet Polens und der Europäischen Union erbringe, die der Einkommensteuer unterliegen würde (Piotr K. gab darin bekannt, dass er "die Einkommensteuer für natürliche Personen in pauschalierter Form seit dem 12.07.2006" entrichte und eine Evidenz der Einnahmen führen werde). Über den Auftrag, für die H. GmbH Verspachtelungsarbeiten für das Bauvorhaben in P. durchzuführen, existiere eine vertragliche Vereinbarung ("Subunternehmervertrag" vom 25. Juni 2008). Ein zu errichtendes Werk und ein Werklohn seien dabei nicht angeführt worden.

Am 10. Juli 2008 sei die Baustelle gegen 08.45 Uhr von Beamten des Finanzamtes G. - Team KIAB - kontrolliert worden. Piotr. K. sei bei der Verspachtelung von Gipskartonplatten angetroffen worden. Er habe ein Personalblatt ausgefüllt, worin er angegeben habe, bereits seit zwei Tagen für die H. GmbH auf der Baustelle als Verspachtler zu arbeiten. Das Arbeitsmaterial sei von der Firma B. GmbH zur Verfügung gestellt worden. Das für die Verspachtelung notwendige Handwerkszeug habe Piotr. K. selbst auf die Baustelle mitgenommen. Für ihn habe es nur insoweit Arbeitszeitvorgaben gegeben, als er sich an den Arbeitsfortschritten der übrigen an den Gipskartonplatten arbeitenden Professionisten habe orientieren müssen und er daher nur an einer bestimmten Wand habe arbeiten können, wenn die erforderlichen Vorarbeiten an dieser Wand zuvor fertiggestellt worden seien. Die Koordinierung, wo und wann er auf der Baustelle gerade arbeiten sollte, habe der Vorarbeiter der H. GmbH, Joszo M., der auch die Arbeiten für die H. GmbH kontrolliert habe, übernommen. Piotr K. sei auf der Baustelle allein für die Verspachtelung der Gipskartonplatten zuständig gewesen.

Piotr K. habe Verspachtelungsarbeiten im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an andere Tätigkeiten an den Rigipswänden verrichten sollen. Damit werde kein Werk, sondern eine Pflicht zur Verrichtung einer Arbeit beschrieben. Ein abgrenzbares Werk sei nicht ersichtlich. Derartige einfache Hilfsarbeiten, die im unmittelbaren zeitlichen Arbeitsablauf zu erbringen seien, stellten kein selbständiges Werk dar. Das Vorhandensein einer Gewerbeberechtigung sei für die Beurteilung, ob eine selbständige Tätigkeit oder eine unselbständige Beschäftigung vorliege, nicht maßgeblich. Es liege ein in der persönlichen Weisungsunterworfenheit reduziertes ("arbeitnehmerähnliches") Beschäftigungsverhältnis iSd § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. September 2010, B 948/10-4, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass nach Anhang XII Z. 2 der Beitrittsakte Polens und Anhang XIV Z. 2 der Beitrittsakte der Slowakei zur Europäischen Union die früheren Mitgliedstaaten berechtigt sind, während eines Übergangszeitraumes bis zu sieben Jahren (Z. 5) den Zugang polnischer und slowakischer Staatsangehöriger zu ihren Arbeitsmärkten zu regeln. Österreich hat von dieser Möglichkeit durch die Erlassung des § 32a Abs. 1 AuslBG Gebrauch gemacht, wonach polnische und slowakische Staatsangehörige den Bestimmungen des AuslBG unterfallen.

Gemäß § 2 Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 in der zum Tatzeitpunkt anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 78/2007, gilt als Beschäftigung u.a. die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis (lit. a) oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis (lit. b).

Maßgebend für die Einordnung in den Beschäftigungsbegriff des § 2 Abs. 2 lit. a und b AuslBG ist u.a., dass die festgestellte Tätigkeit in persönlicher (Arbeitsverhältnis) bzw. wirtschaftlicher (arbeitnehmerähnliches Verhältnis) Abhängigkeit des Arbeitenden vom Beschäftiger ausgeübt wird. Dabei ist der Beschäftiger derjenige, der gegenüber dem Arbeitnehmer bzw. dem arbeitnehmerähnlich Beschäftigten Aufträge erteilt, Arbeitsmittel zur Verfügung stellt bzw. eine Dienst- und Fachaufsicht im Sinne einer organisatorischen Eingliederung des Arbeitnehmers in seinen Betrieb ausübt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2005, Zl. 2002/09/0167, mwN).

Das Tatbestandselement der Beschäftigung ist ausschließlich nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit zu beurteilen (§ 2 Abs. 4 AuslBG). Auf eine zivilrechtliche Betrachtung, ob überhaupt ein Arbeitsvertrag zustande kam, ob dieser (etwa im Hinblick § 879 ABGB oder mangels einer rechtsgeschäftlichen Willensübereinstimmung) Mängel anhaften, oder wie die Vertragsparteien die Tätigkeit bezeichnet haben, kommt es nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 2000/09/0190, mwN).

Wird ein Ausländer im Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Baustellen eines Unternehmens angetroffen, die im Allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich sind, ist gemäß § 28 Abs. 7 AuslBG das Vorliegen einer nach dem AuslBG unberechtigten Beschäftigung von der Bezirksverwaltungsbehörde ohne weiteres anzunehmen, wenn der Beschäftiger nicht glaubhaft macht, dass eine unberechtigte Beschäftigung nicht vorliegt. Es obliegt dem Beschuldigten, das Fehlen eines solchen Beschäftigungsverhältnisses glaubhaft zu machen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Dezember 2009, Zl. 2009/09/0129 und Zl. 2009/09/0065, mwN). Dies entbindet die Behörde zwar nicht von ihrer - angesichts der im Grund des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 37 und § 39 Abs. 2 AVG gegebenen - Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen festzustellen, die dafür notwendigen Beweise aufzunehmen, Parteiengehör einzuräumen und ein dem Art. 6 EMRK entsprechendes Verfahren durchzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 2010, Zl. 2009/09/0018).

Diese Grundsätze hat die belangte Behörde jedoch nicht verletzt. Baustellen sind Arbeitsstellen eines Unternehmens, die im Allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 2004, Zl. 2003/09/0109). Bei den gegenständlichen Tätigkeiten handelt es sich nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt (§ 2 Abs. 4 AuslBG) um Hilfsarbeiten bzw. einfache manipulative Tätigkeiten. Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend und unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten (wie dies bei Verspachtelungsarbeiten der Fall ist), dann ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen. Die Behörde ist in einem solchen Fall nicht gehalten, Ermittlungen und weitwendige Überlegungen zu der Frage anzustellen, ob der Hilfsarbeiter in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht, da dies - wenn anders lautende konkrete Behauptungen samt Beweisanboten nicht vorliegen - unter den gegebenen Umständen ohne weiteres vorausgesetzt werden konnte (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2009/09/0018). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in zahlreichen ähnlich gelagerten Fällen ausgesprochen, dass einfache Hilfsarbeiten, die in einem einheitlichen Arbeitsablauf im Zusammenwirken mit anderen Arbeitern erbracht werden müssen, kein selbständiges Werk darstellen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 2010, Zl. 2010/09/0150).

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, bei den genannten Arbeiten habe es sich um Werkleistungen gehandelt, Herr Piotr K. habe die Verspachtelungsarbeiten auf Grund eines Werkvertrages selbständig erwerbstätig ausgeführt, er sei im Falle eines Misserfolges gewährleistungspflichtig gewesen und ihn habe daher das unternehmerische Risiko getroffen, ist zu erwidern, dass Piotr K. nach dem wahren wirtschaftliche Gehalt seiner für die H. GesmbH ausgeführten Verspachtelungsarbeiten letztlich nur über seine eigene Arbeitskraft disponiert und sich - wie dies bei unselbständig tätigen Arbeitskräften in sozialtypischer Weise der Fall ist - in die betriebliche Organisation seiner Auftraggeberin eingefügt hat, ohne über nennenswerte eigene unternehmerische Strukturen und betriebliche Mittel zu verfügen, die eine selbständige Tätigkeit auch nur in den Blick kommen lassen könnten. Daran ändert der Umstand nichts, dass - ähnlich wie bei einem Akkordlohn - eine pro Quadratmeter verspachtelter Fläche vereinbart war und Piotr K. dem "Subunternehmervertrag" zu Folge die Pflicht auferlegt worden ist, die Flächen mängelfrei zu verspachteln und dafür einzustehen.

Gegen die Strafbemessung wird in der Beschwerde nichts vorgebracht. Auch beim Verwaltungsgerichtshof sind bezüglich ihrer Rechtmäßigkeit keine Bedenken entstanden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. März 2011

Stichworte