VwGH 2010/06/0045

VwGH2010/06/00459.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des L S in H, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 9. Juli 2009, Zl. UVS- 1-374/E10-2009, UVS-1-375/E10-2009, betreffend Übertretung des Vorarlberger Baugesetzes 2001, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
BauG Vlbg 2001 §18 Abs1 litb;
BauG Vlbg 2001 §18;
BauG Vlbg 2001 §2 Abs1 litp;
BauG Vlbg 2001 §55 Abs1 lita idF 2007/044;
BauG Vlbg 2001 §55 Abs1 lita;
BauG Vlbg 2001 §55 Abs1 litb;
BauG Vlbg 2001 §55;
BauRallg;
BauTV Vlbg 2007 §13;
BauTV Vlbg 2007 §14;
BauTV Vlbg 2007 §9;
VStG §1 Abs2;
VStG §1;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §44a;
VStG §51c;
VwRallg;
AVG §1;
BauG Vlbg 2001 §18 Abs1 litb;
BauG Vlbg 2001 §18;
BauG Vlbg 2001 §2 Abs1 litp;
BauG Vlbg 2001 §55 Abs1 lita idF 2007/044;
BauG Vlbg 2001 §55 Abs1 lita;
BauG Vlbg 2001 §55 Abs1 litb;
BauG Vlbg 2001 §55;
BauRallg;
BauTV Vlbg 2007 §13;
BauTV Vlbg 2007 §14;
BauTV Vlbg 2007 §9;
VStG §1 Abs2;
VStG §1;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §44a;
VStG §51c;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in dessen Spruchpunkt 1 (Übertretung gemäß § 55 Abs. 1 lit. a iVm § 18 Abs. 1 lit. b Baugesetz 2001) in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 25. Mai 2010, Zl. UVS-1-374/E10-2009, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom 24. November 2003 wurde die Baubewilligung für den Einbau einer Ferienwohnung im Wirtschaftsteil des Wohnhauses 260, Gst. Nr. .270/4, KG S, mit u.a. der Auflage erteilt, dass die Ferienwohnung höchstens mit zehn Personen belegt werden darf. Im Bauplan waren, wie sich aus dem Text des Bescheides ergibt, zehn Schlafstellen ausgewiesen.

Die Bezirkshauptmannschaft B forderte mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 den Beschwerdeführer u.a. hinsichtlich folgender Verwaltungsübertretung zur Rechtfertigung auf: Er habe im Tatzeitraum vom 9. Mai 2006 bis 2. September 2008 auf dem Grundstück Nr. .270/4, KG S, ein nach § 18 Baugesetz bewilligungspflichtiges Bauvorhaben (wesentliche Änderung der Verwendung einer Ferienwohnung im Wirtschaftsteil) ohne Baubewilligung ausgeführt, indem die bewilligte Belegungszahl der Ferienwohnung von zehn Personen ohne Bewilligung auf zwanzig Personen erhöht und eine Sauna eingebaut worden sei. (Weiters wurden dem Beschwerdeführer auch noch - hier nicht gegenständliche - Übertretungen der Gewerbeordnung vorgeworfen.)

In Stellungnahmen vom 30. Oktober 2008, 11. Dezember 2008 und 16. März 2009 brachte der Beschwerdeführer - soweit hier Wesentlich - vor, er habe nach Rücksprache mit dem damals amtierenden Bürgermeister am 29. März 2005 bei der Gemeinde S einen Antrag, der inhaltlich als Anzeige der Planabweichung zu verstehen gewesen sei, eingebracht und vom Bürgermeister auch mündlich genehmigt erhalten. Es könne ihm nicht angelastet werden, wenn die Behörde mit der schriftlichen Bescheidausfertigung mehr als dreieinhalb Jahre säumig sei. Die Sauna werde ausschließlich von Familienangehörigen, nicht jedoch von Dritten betrieben bzw. benützt.

Laut Stellungnahme der Abteilung II der Bezirkshauptmannschaft B vom 14. November 2008 ergebe sich aus dem Bauakt der Gemeinde S kein Hinweis auf eine mündliche Erteilung einer Baubewilligung durch den Bürgermeister.

In einer Einvernahme am 30. Jänner 2009 gab der zur fraglichen Zeit amtierende Bürgermeister zeugenschaftlich zu Protokoll, dass er dem Beschwerdeführer weder eine Zusicherung noch eine mündliche Genehmigung der Bauführung zur Beherbergung von zwanzig Personen erteilt habe. Dass der Beschwerdeführer einen diesbezüglichen Antrag bei der Gemeinde gestellt habe, sei ihm nicht bekannt.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B vom 8. April 2009 wurde der Beschwerdeführer unter (dem hier relevanten) Spruchpunkt 1 der oben genannten Verwaltungsübertretung gemäß § 55 Abs. 1 lit. a iVm § 18 Abs. 1 lit. b Vorarlberger Baugesetz (BauG) für schuldig erkannt, und es wurde über ihn gemäß § 55 Abs. 2 BauG deshalb eine Geldstrafe von EUR 1.000,--, im Nichteinbringungsfall 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Es wurde ihm - soweit hier wesentlich - zur Last gelegt, er habe entgegen der Baubewilligung die Bettenanzahl von zehn auf zwanzig erhöht und eine Sauna eingebaut, was eine wesentliche Änderung der Verwendung des Gebäudes darstelle, da dies auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach den baurechtlichen Vorschriften von Einfluss sein könne. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er vom ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde S eine mündliche Baubewilligung zur Änderung der Verwendung erhalten habe, sei auf Grund dessen gegenteiliger Aussage nicht glaubhaft.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. Juli 2009 gab die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers, soweit sie den hier gegenständlichen

Spruchpunkt 1 betraf, gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis.

In der Begründung stellte die belangte Behörde als maßgeblichen Sachverhalt fest, mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom 24. November 2003 habe der Beschwerdeführer die Baubewilligung für den Einbau einer Ferienwohnung im Wirtschaftsteil des Wohnhauses erhalten. Diesem Baubescheid sei ein Bauantrag vom 25. September 2003 zu Grunde gelegen. Diesem Antrag seien Planunterlagen angeschlossen gewesen, die im Dachgeschoss acht Schlafstellen und im Erdgeschoss zwei Betten ausgewiesen hätten. Der Einbau einer Sauna könne weder den Beschreibungs- noch den Planunterlagen entnommen werden. Aus dem Bescheid vom 24. November 2003 ergebe sich, dass Gegenstand der Bewilligung der Einbau einer Ferienwohnung für höchstens zehn Personen in das Wirtschaftsgebäude sei. Als Auflage sei vorgeschrieben worden, dass die Ferienwohnung mit höchstens zehn Personen belegt werden dürfe. Mit Schreiben des Beschwerdeführers, bei der Gemeinde S eingelangt am 29. März 2005, habe dieser einen Antrag auf Baugenehmigung für die Unterbringung von zwanzig Personen gestellt. Ein Protokoll über die mündliche Verkündung eines Bewilligungsbescheides betreffend diesen Antrag finde sich im Bauakt nicht. Über diesen Antrag sei bis zum Ende des Tatzeitraumes nicht entschieden worden. Im Unterkunftsverzeichnis der Gemeinde S, Stand 06/2006, werde die Unterkunft als "Ferienhaus/-hütte mit 20 Betten" beschrieben. Aus der Legende ergebe sich, dass Zimmer mit Fließwasser, eine Etagendusche, ein Erlebnisprogramm, eine Sauna und eine Wohnküche vorhanden seien bzw. angeboten würden. Die Gäste seien als Gäste bei der Gemeinde S gemeldet worden. Es sei Gästetaxe entrichtet worden. In der mündlichen Verhandlung habe der Beschwerdeführer ausgesagt, dass im Tatzeitraum fallweise mehr als zehn Leute untergebracht gewesen wären. Er wäre davon ausgegangen, dass er eine Genehmigung für 20 Personen hätte.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt 1 im Wesentlichen aus, sowohl die Erhöhung der Belegungszahl der Ferienwohnung von zehn auf zwanzig Personen als auch der Einbau der Sauna würden Änderungen darstellen, aus denen sich nach allgemeinem menschlichen Erfahrungsgut andere Anforderungen hinsichtlich der Erschließung, des Immissionsschutzes, der erforderlichen Anzahl von Stellplätzen oder hinsichtlich der Sicherheit, insbesondere des Brandschutzes, ergeben könnten. Auch könne die Änderung der Belegungszahl auf die widmungsrechtliche Zulässigkeit des Bauwerkes von Einfluss sein, weil die geänderte Nutzung eine gewerbliche Nutzung darstellen könnte. Es sei daher davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführer durch die vorgeworfenen Maßnahmen eine nach § 18 Abs. 1 lit. b BauG bewilligungspflichtige Verwendungszweckänderung eines Gebäudes durchgeführt habe.

Zum Vorbringen, die entsprechende Baubewilligung in Erledigung des Antrages, der am 29. März 2005 eingelangt sei, sei mündlich erteilt worden, sei auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Erlassung eines mündlichen Bescheides einer Beurkundung sowohl des Bescheidinhaltes als auch der Tatsache seiner Verkündung in Form einer Niederschrift bedürfe, ohne die von einer Bescheiderlassung nicht gesprochen werden könne. Der Aktenlage sei keine Niederschrift über die Erlassung eines mündlichen Bescheides über diesen Antrag zu entnehmen. Schon aus diesem Grund könne von der Existenz eines solchen Bescheides nicht ausgegangen werden. Auch fänden sich im Baugesetz keine Bestimmungen dahin, dass im Falle des Verstreichens einer gewissen Zeit ab Einbringung eines Antrages auf Baubewilligung eine solche als erteilt gelte. Aus diesen Gründen gehe die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe über eine entsprechende Baubewilligung verfügt, ins Leere.

Das Verschulden des Beschwerdeführers begründete die belangte Behörde damit, Schutzzweck der übertretenen Normen sei, die gesetzlich geschützten Interessen einer Prüfung im Rahmen eines Bewilligungs- bzw. Genehmigungsverfahrens zu unterziehen, um sicherzustellen, dass diese Schutzinteressen nicht verletzt würden. Diesem Schutzzweck habe der Beschwerdeführer erheblich zuwidergehandelt. Dem Beschwerdeführer sei die Bewilligungspflicht nach dem Baugesetz bekannt gewesen. Er habe diesbezüglich einen Antrag auf Baubewilligung bei der Gemeinde S gestellt. Dass von der Baubehörde über diesen Antrag nicht entschieden worden sei, ändere nichts am Verschulden des Beschwerdeführers. Vor Erteilung der Bewilligung hätte er das in Rede stehende Objekt nur im Rahmen der schon erteilten Bewilligung nutzen dürfen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluss vom 9. Dezember 2009, B 1099/09-5, ablehnte und sie in der Folge gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluss vom 9. Februar 2010, B 1099/09-8, dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

Der Beschwerdeführer ergänzte auftragsgemäß die Beschwerde und machte Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde berichtigte mit Bescheid vom 25. Mai 2010 in ihrer Begründung des Bescheides vom 9. Juli 2009 die Fassung der anzuwendenden Bestimmungen des Vorarlberger Baugesetzes, da sie die Rechtslage betreffend § 55 Abs. 1 und 2 BauG vor und nach der Novelle LGBl. Nr. 44/2007 darstellen habe wollen und aus Versehen zweimal die Rechtslage nach der Novelle LGBl. Nr. 44/2007 dargestellt worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde, auf die der Beschwerdeführer replizierte, in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht im Zusammenhang mit der Zuständigkeit der belangten Behörde geltend, dass die belangte Behörde - wie dies in der Berufung ausdrücklich beantragt worden sei - eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Senatsbesetzung hätte durchführen müssen.

Dazu ist zunächst zu bemerken, dass die belangte Behörde eine öffentliche mündliche Verhandlung am 12. Juni 2009 durchgeführt hat, zu der der Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen wurde und auch erschienen ist.

Gemäß § 51c VStG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000,-- EUR übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder.

Im Beschwerdefall waren im erstinstanzlichen Straferkenntnis über den Beschwerdeführer wegen vier Verwaltungsübertretungen vier Geldstrafen verhängt worden, die jeweils unter 2.000,-- EUR lagen, zusammengerechnet aber diese Grenze überstiegen. Dass auch in einem Fall wie diesem die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes zur Entscheidung über die Berufung gegeben ist, folgt daraus, dass hier - wenngleich in einer einzigen Bescheidausfertigung zusammengefasst - vier Bescheide mit ebenso vielen selbständigen (trennbaren) Absprüchen über vier verschiedene Taten vorliegen (so auch Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5, S. 510 mwN).

Über die verfahrensgegenständliche Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B vom 8. April 2009 war somit gemäß § 51c VStG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden und zu verhandeln.

Weiters erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 55 Abs. 1 lit. a BauG iVm dem Baubewilligungsbescheid vom 24. November 2003 bestraft zu werden, und macht im Wesentlichen geltend, der angefochtene Bescheid enthalte keine Sachverhaltsfeststellungen zur Abgrenzung der Tatbestände des § 55 Abs. 1 lit. a und b BauG. Eine nachträgliche Nutzungsänderung nach § 55 Abs. 1 lit. a BauG scheide schon angesichts der Tatsache aus, dass die Vollendung der Bauausführung im Sinne der Baubewilligung vom 24. November 2003 nie der Baubehörde gemeldet worden sei und insoweit auch keine ordnungsgemäße Schlussüberprüfung durch die Baubehörde stattgefunden habe. Falls eine Nutzungsänderung vorliegen sollte, könne diese nur eine solche nach § 55 Abs. 1 lit. b BauG sein, wozu die belangte Behörde jedoch keine Feststellungen getroffen habe. Die belangte Behörde habe vom Beschwerdeführer beantragte (näher genannte) Beweise nicht aufgenommen. Feststellungen über die tatsächliche Belegungszahl von über zehn Personen würden fehlen. Für die kleine Sauna sei keine Bewilligung oder Anzeige notwendig.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. o BauG ist die wesentliche Änderung eines Bauwerkes oder einer sonstigen Anlage: ein Zu- oder ein Umbau; eine Änderung, durch die die äußere Erscheinung des Bauwerkes oder der sonstigen Anlage erheblich geändert wird; eine Änderung, durch die die Sicherheit oder die Gesundheit von Menschen oder die Verkehrssicherheit gefährdet, die Nachbarn belästigt oder die Einhaltung der Abstandsflächen oder Mindestabstände beeinflusst werden können.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. p BauG ist die wesentliche Änderung der Verwendung eines Gebäudes: eine Verwendungsänderung, die auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach den bau- oder raumplanungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein kann.

§ 18 Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr 52/2001 (BauG), idF LGBl. Nr. 44/2007 (die Novelle LGBl. Nr. 44/2007 ist auf Grund des Art. 37 des Verfassungsgesetzes über die Verfassung des Landes Vorarlberg mit 13. Juli 2007 in Kraft getreten) lautet auszugsweise:

"§18

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

(1) Einer Baubewilligung bedürfen

a) die Errichtung oder wesentliche Änderung von Gebäuden;

ausgenommen sind jene kleinen Gebäude, die nach § 19 lit. a bis c nur anzeigepflichtig sind;

b) die wesentliche Änderung der Verwendung von Gebäuden;

..."

§ 55 Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr 52/2001 (BauG), idF

LGBl. Nr. 44/2007 lautet auszugsweise:

"§ 55

Strafen

(1) Eine Übertretung begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, wer

a) Bauvorhaben nach § 18 ohne Bewilligung oder Bauvorhaben nach § 19 ohne Berechtigung (§ 34) ausführt; dazu zählt auch die wesentliche Änderung der Verwendung eines Gebäudes ohne Baubewilligung;

b) Bauvorhaben entgegen den aufgrund dieses Gesetzes durch Verordnung erlassenen Vorschriften ausführt;

c) gegen Auflagen verstößt, die in der Baubewilligung oder im Freigabebescheid vorgeschrieben wurden;

(2) Übertretungen nach Abs. 1 lit. a, i und j sind von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe bis zu 28.000 Euro, sonstige Übertretungen nach Abs. 1 mit einer Geldstrafe bis zu 14.000 Euro zu bestrafen.

…"

§ 55 Vlbg. BauG in der Fassung vor der Novelle

LGBl. Nr. 44/2007 lautete auszugsweise:

"§ 55

Strafen

(1) Eine Übertretung begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, wer

a) Bauvorhaben nach § 18 ohne Baubewilligung oder Bauvorhaben nach

  1. b) § 19 ohne Berechtigung (§ 34) ausführt;
  2. c) Bauvorhaben entgegen der Baubewilligung, dem Freigabebescheid oder sonst der Bauanzeige ausführt;

(2) Übertretungen nach Abs. 1 sind von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe bis zu 14.000 Euro zu bestrafen. Bei Vorliegen erschwerender Umstände können auch Geldstrafen bis zu 28.000 Euro verhängt werden.

…"

§ 1 VStG lautet:

"§ 1. (1) Als Verwaltungsübertretung kann eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.

(2) Die Strafe richtet sich nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre."

§ 44a VStG lautet:

"44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

  1. 1. die als erwiesen angenommene Tat;
  2. 2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;
  3. 3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;
  4. 4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;
  5. 5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten."

    Bei der vorgeworfenen Tat handelt es sich um ein Dauerdelikt, weil nach dem Tatbild das strafbare Verhalten in der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes besteht. Auch bei einem solchen sind die §§ 1 und 44a VStG zu beachten, sodass bei einer Änderung der Rechtslage während der Tatzeit die jeweils für die Zeitabschnitte nach den genannten Bestimmungen des VStG maßgeblichen Normen heranzuziehen sind. Das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten stand im gesamten Tatzeitraum (9. Mai 2006 bis 2. September 2008) grundsätzlich (zur konkreten Anlastung siehe näher unten) unter Strafdrohung. Abgesehen davon ist aber Folgendes zu beachten:

    In dem hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2007, Zl. 2005/06/0314, auf das sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde bezieht, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass, wenn eine - als wesentliche Änderung der Verwendung von Gebäuden anzusehende und somit bewilligungspflichtige - Nutzungsänderung der Beherbergung zu beurteilen ist, sich die Tatbestände des § 55 Abs. 1 lit. a und b BauG dadurch unterscheiden, dass § 55 Abs. 1 lit. a BauG eine nachträgliche Nutzungsänderung betrifft, lit. b hingegen eine Nutzungsänderung, die schon im Zuge der Bauausführung bzw. als erste Nutzungsart erfolgt. Für eine Abgrenzung ist daher entscheidend, ob zunächst eine der Baubewilligung entsprechende Nutzung erfolgt ist und erst nachträglich die vorgeworfene Nutzungsänderung vorgenommen wurde oder ob sofort - ohne dass jemals eine konsensgemäße Benutzung erfolgt wäre - die Nutzung geändert wurde.

    Diese Abgrenzungsproblematik bezieht sich auf § 55 BauG in seiner Stammfassung gemäß LGBl. Nr. 52/2001, nicht jedoch auf die Fassung gemäß LGBl. Nr. 44/2007, da nach § 55 Abs. 1 lit. a BauG in dieser zuletzt genannten Fassung zu bestrafen ist, wer ein Bauvorhaben nach § 18 BauG ohne Bewilligung ausführt, und ebenso die wesentliche Änderung der Verwendung eines Gebäudes ohne Baubewilligung. Dies bedeutet, dass neben einer nachträglichen Nutzungsänderung eine Nutzungsänderung, die schon im Zuge der Bauausführung bzw. als erste Nutzungsart erfolgte, seit der Novelle LGBl. Nr. 44/2007 auch nach § 55 Abs. 1 lit. a leg cit. zu bestrafen ist (vgl. MB Blg. 38/2007 28. LT, abgedruckt bei Germann/Bertsch, Das Vorarlberger Baugesetz, 2. Auflage, S. 193).

    Für den Tatzeitraum vor der Novelle LGBl. Nr. 44/2007 wäre aber schon im Hinblick auf § 44a VStG entsprechend der oben genannten Differenzierung zu klären gewesen, ob der Beschwerdeführer nach § 55 Abs. 1 lit. a oder b BauG idF LGBl. Nr. 52/2001 zu bestrafen ist.

    Im Hinblick auf § 1 Abs. 2 VStG ist allerdings darauf hinzuweisen, dass bei fortgesetzten Delikten und Dauerdelikten wie dem hier vorliegenden die Strafdrohung in der Zeit des Tatendes bzw. des letzten Teilaktes entscheidend ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. März 2000, Zl. 96/05/0107), wobei aber eine Berücksichtigung bei der Strafbemessung iSd § 19 VStG zu erfolgen hat.

    Insgesamt bedeutet dies für den Spruchpunkt 1, dass es die belangte Behörde, die den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides diesbezüglich übernahm, unterließ, den Erfordernissen des § 44a VStG Genüge zu tun (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 6. November 1995, Zl. 95/04/0005).

    Die belangte Behörde ist, abgesehen von den bisherigen Darlegungen, davon ausgegangen, dass die Erhöhung der Belegungszahl und der Einbau der Sauna eine bewilligungspflichtige Änderung der Verwendung im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. b BauG darstellten.

    Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2009 ausgesagt, es sei richtig, dass im Tatzeitraum fallweise mehr als zehn Personen untergebracht gewesen seien. Sofern der Beschwerdeführer dies in der Beschwerde in Abrede stellt und dazu weitere Feststellungen der belangten Behörde verlangt, ist dieses Vorbringen schon im Hinblick auf das Neuerungsverbot im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtlich.

    Im Übrigen ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass die Erhöhung der Belegungszahl - entgegen der im Bauplan sowie im Spruch und in der Auflage im Baubewilligungsbescheid vom 24. November 2003 festgelegten Belegungszahl von höchstens zehn Personen - eine Änderung der Verwendung darstellt. Eine solche Änderung der Verwendung ist dann im Grunde des § 18 Abs. 1 lit. b BauG bewilligungspflichtig, wenn es sich um eine "wesentliche Änderung" iS des § 2 Abs. 1 lit. p BauG handelt, die nämlich auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach den bau- und raumplanerischen Vorschriften von Einfluss sein kann. Diese Möglichkeit ("kann") begründet die Bewilligungspflicht; ob die neue Verwendung solche Auswirkungen hat oder nicht bzw. ob die Änderung der Verwendung bewilligungsfähig ist, ist erst im Baubewilligungsverfahren zu prüfen.

    Eine Erhöhung der Belegungszahl begründet schon insofern eine "wesentliche Änderung" iS des § 2 Abs. 1 lit. p BauG, weil sich dadurch geänderte bzw. erhöhte Anforderungen beispielsweise hinsichtlich der Fluchtwege nach § 9 Bautechnikverordnung (BTV), der Sanitäreinrichtungen nach § 13 BTV oder der Abwässer nach § 14 BTV ergeben können. Die Bewilligungspflicht der vorgenommenen Verwendungsänderung wurde daher zutreffend bejaht (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, Zl. 2010/06/0238).

    Dass der Einbau der Sauna eine bewilligungspflichtige Änderung der Verwendung im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. b BauG darstellt - und nicht etwa eine wesentliche Änderung im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. a BauG -, ist ohne nähere Begründung nicht einsichtig. Jedenfalls hätte es zunächst der Feststellung bedurft, was in dem Raum, in dem sich nunmehr die Sauna befindet, ursprünglich bewilligt war. Anhand dieser Bewilligung wäre zu prüfen gewesen, inwiefern die erfolgte Änderung wesentlich sein sollte. Ob eine solche Änderung bewilligungspflichtig ist, wird im Lichte des § 2 Abs. 1 lit. o (und allenfalls p) BauG beispielsweise im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf den Brandschutz nach § 5 BTV, die Feuchtigkeitsisolierung nach § 18 BTV und die Belüftung und Beheizung nach § 23 BTV zu beurteilen sein. Entsprechende Feststellungen dazu hat die belangte Behörde aber nicht getroffen.

    Der angefochtene Bescheid war aus den dargestellten Gründen somit im spruchgemäßen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

    Die beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren betreffend die doppelte Eingabegebühr war abzuweisen, da diese nur einmal angefallen ist.

    Die Entscheidung hinsichtlich der Bestrafungen nach der Gewerbeordnung 1994 ist durch den zuständigen Senat mit dem hg. Beschluss vom 22. April 2010, Zl. 2010/04/0015, erfolgt. Wien, am 9. November 2011

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