VwGH 2010/03/0179

VwGH2010/03/017927.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des J M in W, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 9. September 2010, Zl uvs- 2010/28/1677-3 und 1678-3, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Normen

31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art5 Abs2;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art5 Abs4;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8;
GütbefG 1995 §7 Abs1;
GütbefG 1995 §9 Abs1;
VStG §5 Abs2;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art5 Abs2;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art5 Abs4;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8;
GütbefG 1995 §7 Abs1;
GütbefG 1995 §9 Abs1;
VStG §5 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer des tschechischen Beförderungsunternehmens S S.R.L zur Last gelegt, er habe nicht dafür Sorge getragen, dass am 8. Februar 2010 und am 13. Februar 2010 anlässlich zweier - näher umschriebenen - grenzüberschreitenden gewerbsmäßigen Güterbeförderungen die erforderliche Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr 881/92 mitgeführt worden sei.

Er habe dadurch jeweils gegen § 23 Abs 1 Z 8 iVm § 9 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Z 1 Güterbeförderungsgesetz 1995 idF BGBl I Nr 23/2006 (GütbefG) verstoßen und es wurden über ihn gemäß § 23 Abs 1 und 4 zweiter Satz GütbefG Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 1.453,-- (4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gleichzeitig wurden die eingehobenen Sicherheitsleistungen gemäß § 37 VStG für verfallen erklärt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, bei den gegenständlichen grenzüberschreitenden Güterbeförderungen seien Kraftfahrzeuge verwendet worden, die auf das tschechische Unternehmen S spol. s.r.o. zugelassen gewesen und der Firma S S.R.L., die in den gegenständlichen Fällen "Transporteurin" gewesen sei, aufgrund einer sogenannten "Benützungserlaubnis" jeweils vom 21. Dezember 2009 (zwischen der Firma S spol. s.r.o. als Überlasserin und der Firma S S.R.L. als Berechtigter) zur freien Benützung überlassen worden seien. Bei den Fahrten seien "ungültige Gemeinschaftslizenzen" (gemeint: Gemeinschaftslizenzen der Firma S spol. s.r.o., nicht aber der Firma S S.R.L.) mitgeführt worden.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass durch die festgestellte "Benützungserlaubnis" betreffend die Kraftfahrzeuge der Firma S S.R.L. "ein Recht iS der Verordnung (EWG) Nr 881/92" eingeräumt worden sei. Damit habe für die Firma S S.R.L. auch die Verpflichtung bestanden, bei mit diesem Kraftfahrzeug durchgeführten Transporten im Güterverkehr dafür zu sorgen, dass die beglaubigte Abschrift einer auf sie lautenden Gemeinschaftslizenz mitgeführt werde, was nicht geschehen sei. Für dieses Unterlassen müsse der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Firma S S.R.L. in objektiver und subjektiver Hinsicht einstehen. Ob zwischen den Firmen S S.R.L. und S spol. s.r.o. im Rahmen eines Konzernverhältnisses die vom Beschwerdeführer behaupteten personellen Zusammenhänge bestünden, sei für die gegenständlichen Angelegenheiten ohne Bedeutung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf eine Gegenschrift vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass im Beschwerdefall die Verordnung (EG) Nr 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs, mit der u a auch die im Folgenden genannte Verordnung (EWG) Nr 881/92 des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten neu gefasst wurde, noch nicht anzuwenden ist.

Gemäß § 23 Abs 1 Z 8 GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu ?? 7.267,-- zu ahnden ist, wer als Unternehmer nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.

Nach Art 1 Abs 1 der Verordnung (EWG) Nr 881/92 gilt diese Verordnung für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr auf den im Gebiet der Gemeinschaft zurückgelegten Wegstrecken.

Gemäß Art 3 Abs 1 dieser Verordnung unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz. Diese wird gemäß Art 5 Abs 1 der Verordnung von den zuständigen Behörden des Niederlassungsstaats ausgestellt. Dem Inhaber wird das Original der Gemeinschaftslizenz, das vom Transportunternehmen aufbewahrt wird, sowie so viele beglaubigte Abschriften ausgehändigt, wie dem Inhaber der Gemeinschaftslizenz Fahrzeuge als volles Eigentum oder aufgrund eines anderen Rechts, insbesondere aus Ratenkauf-, Miet- oder Leasingvertrag, zur Verfügung stehen (Art 5 Abs 2 leg cit). Die Gemeinschaftslizenz wird auf den Namen des Transportunternehmers ausgestellt, darf von diesem nicht an Dritte übertragen werden und es muss deren beglaubigte Abschrift im Fahrzeug mitgeführt werden und ist dem Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen (Art 5 Abs 4 leg cit).

2. Die Beschwerde zieht den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt grundsätzlich nicht in Zweifel. Sie macht jedoch geltend, bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre davon auszugehen gewesen, dass die Benützungserlaubnis vom 21. Dezember 2009 bezüglich der gegenständlichen Kraftfahrzeuge kein Mietverhältnis begründet habe. In jedem Fall wäre aber davon auszugehen gewesen, dass eine Gemeinschaftslizenz lautend auf die Firma S für die Durchführung der Transporte im Rahmen eines Konzernverhältnisses ausreichend gewesen wäre.

Dem ist zu erwidern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verpflichtung, für das Mitführen der Gemeinschafslizenz zu sorgen, den Transportunternehmer trifft, der die verfahrensgegenständliche Güterbeförderung veranlasst. Dabei muss es sich nicht notwendiger Weise um den Zulassungsbesitzer handeln (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl 2010/03/0021, mwN).

Es ist zwar richtig, dass nach Art 5 Abs 2 der Verordnung (EWG) Nr 881/92 einem Güterbeförderungsunternehmer nur so viele beglaubigte Abschriften der Gemeinschaftslizenz ausgehändigt werden, wie ihm Fahrzeuge im Eigentum oder aufgrund eines anderen Rechtes (genannt werden beispielsweise Rechte aus einem Mietvertrag) zur Verfügung stehen. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass ein Unternehmen, das über keine gemieteten Fahrzeuge verfügt, berechtigt wäre, grenzüberschreitende Güterbeförderungen mit Fahrzeugen eines anderen Unternehmens unter Verwendung von dessen Gemeinschaftslizenz durchzuführen. Deshalb ist für den Beschwerdeführer auch nichts gewonnen, wenn die Benützungsvereinbarung betreffend die gegenständlichen Kraftfahrzeuge nicht als Mietvertrag qualifiziert würde. Auch in diesem Fall bliebe nämlich der Vorwurf, das von ihm vertretene Unternehmen S S.R.L habe die gegenständlichen Beförderungen ohne die erforderliche Gemeinschaftslizenz vorgenommen, aufrecht. Aus diesem Grund kann auch dahingestellt bleiben, ob durch die gegenständliche "Benützungserlaubnis" ein "Recht" am Fahrzeug im Sinne des Art 5 Abs 2 der zitierten Verordnung eingeräumt worden ist.

Daran vermag auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die Unternehmen S S.R.L und S spol. s. r.o. "im Rahmen eines Konzernverhältnisses" verbunden seien, nichts zu ändern. In diesem Zusammenhang brachte der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren vor, dass Gesellschafter der Firma S spol. s.r.o. zu 20 % Herr C S und zu 80 % die Firma S Verwaltung und Beteiligungs-GmbH seien. Die Firma S Verwaltung und Beteiligungs-GmbH gehöre zu 100% Herrn C S, der auch zu 100% Gesellschafter der Firma S S.R.L. sei.

Gemäß Art 5 Abs 4 der Verordnung (EWG) Nr 881/92 darf die Gemeinschaftslizenz nicht an Dritte übertragen werden. Als "Dritter" ist aber auch ein juristisch selbständiges Unternehmen anzusehen, das durch gemeinsame Eigentümer mit dem Inhaber der Gemeinschaftslizenz "verflochten" ist. Deshalb war es für die Firma S S.R.L. auch unter Berücksichtigung der oben dargestellten Eigentümerstruktur nicht zulässig, die Gemeinschaftslizenz der S spol. s.r.o. für ihre Gütertransporte zu benützen und es reichte daher nicht aus, diese Lizenz anlässlich der gegenständlichen Fahrten mitzuführen.

3. Die Beschwerde rügt auch, die belangte Behörde habe keine Feststellungen dazu getroffen, dass der Beschwerdeführer vom tschechischen Rechtsanwalt M C dahingehend beraten worden sei, dass eine Benützungserlaubnis wie die gegenständliche und eine Gemeinschaftslizenz der Firma S spol. s.r.o. für die Durchführung von Transporten wie die gegenständlichen ausreichend seien. Es sei auch nicht festgestellt worden, dass diese Rechtsbelehrung durch den Rechtsanwalt unter Berufung auf eine Empfehlung des tschechischen Verkehrsministeriums erteilt worden sei, wonach aufgrund des Art 3 § 3 des Internationalen Abkommens über Straßenverkehr (Wien 1968) in Fällen, in denen das Fahrzeug im internationalen Verkehr benützt werde und nicht auf den Namen der Person registriert sei, die in ihm fahre, ein Nachweis über das Recht des Fahrers, dieses Fahrzeug in Besitz zu haben, mitzuführen sei. In diesen Zusammenhängen habe die belangte Behörde auch den Beweisantrag des Beschwerdeführers auf zeugenschaftliche Einvernahme des Rechtsanwalts M C zu Unrecht übergangen.

Mit diesem Vorbringen macht der Beschwerdeführer implizit einen - seiner Ansicht nach - unverschuldeten und damit entschuldigenden Rechtsirrtum im Sinne des § 5 Abs 2 VStG geltend. Ein solcher setzt jedoch voraus, dass dem Beschwerdeführer das Unerlaubte seines Verhaltens trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschuldigt auch eine irrige Gesetzesauslegung den Betroffenen nur dann, wenn sie unverschuldet war. Um sich darauf berufen zu können, bedarf es - zur Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht - einer Objektivierung der eingenommenen Rechtsauffassung durch geeignete Erkundigungen (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom 20. Juli 2004, Zl 2002/03/0251). Demnach ist der Gewerbetreibende bei Zweifel über den Inhalt der Verwaltungsvorschrift verpflichtet, hierüber bei der zuständigen Behörde Auskunft einzuholen; wenn er dies unterlässt, so vermag ihn die fehlerhafte Gesetzesauslegung grundsätzlich nicht von seiner Schuld zu befreien (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom 27. Juli 1994, Zl 94/09/0102). Dementsprechend kann sich der Betroffene im Regelfall allein unter Hinweis auf die ihm von seinem Rechtsfreund erteilte Rechtsauskunft nicht exkulpieren (vgl dazu etwa Raschauer/Wessely, VStG (201), 172, mit Verweisen auf die hg Rechtsprechung). Dass das Vertrauen des Beschwerdeführers auf die ihm gegebene rechtsfreundliche Beratung im gegenständlichen Fall ausnahmsweise entschuldigend gewesen wäre, lässt sich seinem Vorbingen nicht entnehmen. Dazu hätte es einer nachvollziehbaren Begründung bedurft, warum der Beschwerdeführer trotz Unterlassens einer Nachfrage bei der zuständigen Behörde im konkreten Fall auf die Auskunft seines Rechtsanwaltes vertrauen durfte. Dem entsprach der Beschwerdeführer schon deshalb nicht, weil seinem Vorbringen nicht entnommen werden kann, welche Begründung ihm seitens des Rechtsanwaltes für den eingenommenen Rechtsstandpunkt gegeben wurde und auf welche Grundlage er diese gestützt hatte. Für die Sorgfaltspflicht der Partei gilt gerade dann ein besonders strenger Maßstab, wenn eine Konstruktion entwickelt wurde, mit der - wie hier - die Grenzen einer innegehabten Berechtigung ausgelotet werden sollten (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 22. Februar 2006, Zl 2005/17/0195, mwN).

Dementsprechend kann sich der Beschwerdeführer allein unter Hinweis auf die ihm von einem Rechtsanwalt erteilte Rechtsauskunft, die Verwendung einer fremden Gemeinschaftslizenz sei in den gegenständlichen Fällen zulässig, nicht exkulpieren (vgl dazu etwa Raschauer/Wessely, VStG (2010), 172, mit Verweisen auf die hg Rechtsprechung). Dazu hätte es vielmehr einer näheren Begründung bedurft, warum der Beschwerdeführer trotz der im Ergebnis unrichtigen Rechtsauskunft auf deren Richtigkeit vertrauen durfte. Der Beschwerdeführer hat jedoch weder vorgebracht, welche Begründung ihm seitens des Rechtsanwaltes für den eingenommenen Rechtsstandpunkt gegeben wurde, noch, warum er gerade der Einschätzung dieses Juristen (etwa wegen der besonderen einschlägigen Fachkunde) folgte. Es lässt sich auch nicht erkennen, dass die angesprochene Empfehlung des tschechischen Verkehrsministeriums mit der im Beschwerdefall relevanten Frage, welche Gemeinschaftslizenz für die gegenständlichen Transporte erforderlich war, in Zusammenhang stünde. Damit reicht schon das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht aus, einen entschuldigenden Rechtsirrtum darzulegen. Ausgehend davon zeigt die Beschwerde auch nicht auf, dass die Einvernahme des beantragten Zeugen für das Verfahrensergebnis von Relevanz gewesen wäre.

Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 27. Jänner 2011

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