VwGH 2009/21/0045

VwGH2009/21/004520.10.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 16. Jänner 2009, Zl. 2Fr-295/08, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §7 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
AsylG 2005 §7 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste gemäß seinen Angaben am 10. Februar 2003 in das Bundesgebiet ein und stellte hier einen Asylantrag. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 12. Juni 2003 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 Asylgesetz 1997 für zulässig. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Jänner 2008 abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, mit Beschluss vom 27. Mai 2008, Zl. 2008/20/0146, ab.

In der Folge wies die Bundespolizeidirektion Klagenfurt den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 16. Jänner 2009 gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten (die belangte Behörde) der dagegen erhobenen Berufung keine Folge. Zugleich gewährte sie dem Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 FPG einen Durchsetzungsaufschub in der Dauer von drei Monaten.

Der Beschwerdeführer halte sich - so die Begründung des bekämpften Bescheides - seit endgültiger Erledigung seines Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die demnach in Betracht kommende Ausweisung greife zwar in sein Privatleben, nicht jedoch auch in sein Familienleben ein. Er sei nämlich nicht verheiratet und lebe mit niemandem im gemeinsamen Haushalt; was die beabsichtigte Eheschließung mit einer ungarischen Staatsangehörigen anlange, so habe er angegeben, dass weder der Zeitpunkt der Eheschließung noch ein gemeinsamer Wohnsitz feststünden. Dem Beschwerdeführer werde allerdings - so die belangte Behörde weiter - zu Gute gehalten, dass er immer unbescholten geblieben sei und die deutsche Sprache bereits gut beherrsche. Es seien (auch) die von ihm vorgebrachten - privaten - Bindungen für einen Verbleib im Bundesgebiet gegeben (die belangte Behörde bezog sich dabei erkennbar auf die in der Berufung geltend gemachten Umstände, insbesondere auf die Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, auf das Bestehen eines großen Freundes- und Bekanntenkreises sowie auf die Existenz einer ortsüblichen Unterkunft in Klagenfurt). Das vom Beschwerdeführer "vorgebrachte Interesse" an einem Verbleib in Österreich sei aber keineswegs so stark ausgeprägt, dass das maßgebliche gegenläufige Interesse (gemeint: an seiner Aufenthaltsbeendigung) in den Hintergrund zu treten habe. Es liefe nämlich dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens grob entgegen, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm geschaffen worden seien, während er rechtens nicht mit einem längeren Aufenthalt in Österreich hätte rechnen dürfen, den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen komme aber aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn Personen - wie der Beschwerdeführer - illegal nach Österreich einreisten und sich nach rechtskräftig negativem Abschluss ihres Asylverfahrens unerlaubt weiterhin in Österreich aufhielten. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte und legal eingereist wäre.

Über die gegen die Ausweisung erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer hält sich seit endgültiger Erledigung seines Asylverfahrens unbestritten unrechtmäßig in Österreich auf. Der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG (in der hier anzuwendenden Fassung vor dem FrÄG 2011) ist daher erfüllt.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG (in der genannten Fassung) aber nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Unter diesem Gesichtspunkt tritt der Beschwerdeführer zunächst der behördlichen Auffassung entgegen, sein Verbleib in Österreich nach rechtskräftiger Erledigung seines Asylverfahrens stelle eine maßgebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung dar. Er sei nicht nach Österreich gekommen, um sich hier niederzulassen, sondern um hier um Asyl anzusuchen. Sein langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet sei alleine auf die von ihm nicht beinflussbare Länge seines Asylverfahrens zurückzuführen, was ausschließlich von der Republik Österreich zu verantworten sei. Auch seine seinerzeitige illegale Einreise könne ihm im Hinblick auf Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Dieses Vorbringen ändert nichts daran, dass der Beschwerdeführer einen letztlich unberechtigten Asylantrag stellte und durch seinen Verbleib in Österreich dem geltenden Einwanderungsregime widerspricht. Im Hinblick auf das Ergebnis des Asylverfahrens ist ihm aber auch die 2003 erfolgte illegale Einreise als relevanter Verstoß gegen das Einwanderungsrecht anzulasten. Allein die Länge des Asylverfahrens - zumal die erstinstanzliche Entscheidung bereits wenige Monate nach der Einreise des Beschwerdeführers erging - vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern; mit der Konstellation, die dem - aufhebenden - Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 2010, B 950 bis 954/10, zugrunde lag, lässt sich der vorliegende Fall nicht vergleichen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stellt sein Gesamtverhalten somit eine relevante Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Es trifft aber auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293, Punkt 2.2.2.2. der Entscheidungsgründe). Das hat, anders als der Beschwerdeführer meint, auch der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur zum Ausdruck gebracht (siehe etwa das vom Beschwerdeführer selbst zitierte Erkenntnis vom 29. September 2007, B 328/07, Punkt 2.2. der Entscheidungsgründe).

Das sich nach dem Gesagten ergebende öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers hatte die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles gegen die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers - der zutreffenden Beurteilung der belangten Behörde, familiäre Interessen seien mangels Bestehens seiner Lebensgemeinschaft mit der ungarischen Verlobten nicht berührt, tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen - abzuwägen. Die in diesem Sinn von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung ist aber, anders als der Beschwerdeführer meint, weder grundsätzlich (vgl. etwa nur das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348, Punkt 2.3.3. der Entscheidungsgründe) noch in ihrer konkreten Ausgestaltung zu beanstanden. Die in diesem Zusammenhang mit Recht ins Treffen geführten Umstände (sechsjähriger Aufenthalt in Österreich, ortsübliche Unterkunft, sehr gute Sprachkenntnisse, ein großer Freundes- und Bekanntenkreis, Interesse für die österreichische Kultur und Lebensart sowie Identifizierung mit dem in Österreich geltenden politischen System und seinen demokratischen Werten) sind nämlich insgesamt nicht von einem solchen Gewicht, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen ("fait accompli") zu schaffen. Soweit der Beschwerdeführer weiter auf seine Absicht verweist, seine Verlobte, eine ungarische Staatsangehörige, in Österreich zu heiraten und hier mit ihr ein gemeinsames Familienleben zu führen, ist ihm zu entgegnen, dass durch diese Absicht - und im Hinblick auf den Wohnsitz seiner Verlobten in Ungarn - für sich betrachtet noch keine schützenswerte Anknüpfung zu Österreich begründet werden kann. Auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer während seines gesamten bisherigen Aufenthalts in Österreich immer bereit gewesen sei, einer Beschäftigung nachzugehen, lässt sich für ihn nichts gewinnen, weil dies nichts daran zu ändern vermag, dass er keine berufliche Integration aufweist. Angesichts der erst im Alter von 29 Jahren erfolgten Ausreise aus Nigeria ist aber auch nicht zu erkennen, dass eine Reintegration bei einer Rückkehr dorthin unmöglich oder unzumutbar wäre. Letztlich fällt auch die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nicht entscheidend ins Gewicht, und dem im Zusammenhang mit der Regelung des § 7 Abs. 2 AsylG 2005 erstatteten Vorbringen ist schließlich noch zu erwidern, dass sich aus dieser Regelung im vorliegenden Zusammenhang nichts gewinnen lässt (vgl. zu all dem abermals das schon genannte, eine in wesentlichen Passagen inhaltsgleiche Beschwerde betreffende hg. Erkenntnis Zl. 2009/21/0293, Punkt 2.2.2.1. und Punkt 2.2.2.3. der Entscheidungsgründe; wie dort gilt überdies auch hier, dass die für den Standpunkt des Beschwerdeführers ins Treffen geführten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 5. März 2008, B 16/08 und B 1918/07, ebenso wie die hg. Erkenntnisse vom 5. Juli 2005, Zl. 2004/21/0124, und vom 27. Februar 2007, Zl. 2005/21/0374, mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Konstellationen betrafen).

Zusammenfassend begegnet die Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung des Beschwerdeführers sei im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG als dringend geboten anzusehen, sohin keinen Bedenken.

Da auch, anders als der Beschwerdeführer meint, die von ihm erstattete Anregung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "aus humanitären Gründen" der erlassenen Ausweisung - auch unter Ermessensgesichtspunkten - nicht im Wege steht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 2008, Zl. 2008/21/0220), war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 20. Oktober 2011

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