Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2 impl;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2 impl;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1975 geborene Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 18. November 2008 bei der österreichischen Botschaft in New Delhi den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" für die Dauer von 30 Tagen. Bei der Frage nach dem Zweck der Reise war das Feld "Besuch von Familienangehörigen oder von Freunden" ("visit to family or friends") angekreuzt. Als einladende Person wurde die an einer näher genannten Adresse in Wien 16 wohnhafte D. K., eine österreichische Staatsbürgerin, angegeben und die von dieser abgegebene Verpflichtungserklärung mit dem Antrag vorgelegt. Dazu wurde in einem Begleitschreiben vom 11. November 2008 vorgebracht, der Beschwerdeführer sei von seinem in Österreich lebenden Schwager (dem Bruder seiner Ehefrau) zu einem Besuch eingeladen worden. Nach der Aktenlage ist D. K. die Ehefrau des Schwagers des Beschwerdeführers. Weiters lässt sich dem Antrag entnehmen, dass der Beschwerdeführer bei einem mit Name und Adresse in C. und mit Telefonnummer angeführten Unternehmen beschäftigt ist. Auf diese Beschäftigung war auch in dem genannten Begleitschreiben Bezug genommen worden; ebenso darauf, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers ein eigenes Unternehmen (nach den angeschlossenen Unterlagen: einen Schönheitssalon) betreibe. Abschließend wurde dort noch darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer keine Absicht habe, in Österreich zu bleiben, weil er all seine Familienbindungen in Indien habe, so seinen Beruf und das erwähnte Unternehmen, den Wohnsitz und anderes Vermögen sowie viele soziale und geschäftliche Bindungen. Aus einer dem Antrag angeschlossenen Bestätigung zu den Familienverhältnissen geht schließlich noch hervor, dass der am 1. Mai 1996 geschlossenen und aufrechten Ehe des Beschwerdeführers zwei minderjährige Kinder entstammen. Dem Antrag war auch eine Buchungsbestätigung hinsichtlich des Hin- und Rückfluges (mit Austrian Airlines von Delhi nach Wien für 12. Dezember 2008 bzw. retour für 10. Jänner 2009) beigelegt worden.
Mit Schreiben vom 28. November 2008 teilte die genannte Botschaft dem Beschwerdeführer mit, seitens der Behörde würden keine weiteren Dokumente mehr benötigt. Dem Antrag könne jedoch nicht stattgegeben werden, weil Grund zu der Annahme bestehe, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen werde. Er habe nämlich nicht überzeugend nachweisen können, dass er feste familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindungen an seinem derzeitigen Wohnsitz habe. Als Nachsatz wurde dazu (in Englisch) ergänzend bemerkt, die vorgelegten Dokumente, auf die sich der Antrag stütze, seien mit keinem für die Botschaft zufriedenstellenden Ergebnis überprüft worden. Vor einer endgültigen Entscheidung über seinen Antrag werde dem Beschwerdeführer jedoch noch eine Äußerungsmöglichkeit binnen einer Frist von zwei Wochen gegeben.
In der hierauf von der einladenden D. K. (per Mail) erstatteten Äußerung vom 11. Dezember 2008 wurde vorgebracht, dass "wir" schon seit über 17 Jahren in Wien in wohlhabenden Verhältnissen (Wohnung, Arbeit, Einkommen) leben. Ebenso wohne der Beschwerdeführer in C. mit seiner Familie in "normalen Verhältnissen". Er sei schon seit über 10 Jahren für eine "gute Firma" tätig und arbeite fleißig. Alle von der Botschaft verlangten Dokumente seien "ordentlich" beigebracht und auch die Gebühr bezahlt worden. Wenn von "uns" oder vom Beschwerdeführer eine Garantie für den Rückflug benötigt werde, so könne diese gerne schriftlich vorgelegt werden. Abschließend erging die Bitte mitzuteilen, welche Schritte notwendig seien, um zu einer positiven Entscheidung zu kommen, denn "unsererseits scheint alles richtig gemacht" worden zu sein.
Darauf reagierte die Botschaft mit dem (ebenfalls per Mail an D. K. übermittelten) Schreiben vom 12. Dezember 2008, wonach "die Überprüfung der eingereichten Unterlagen zu groben Widersprüchen geführt" habe. Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit, dazu binnen der eingeräumten Frist Stellung zu nehmen. Weitere Details könnten aus Gründen des Datenschutzes nicht an Dritte mitgeteilt werden.
In der Folge wurde der Botschaft noch eine notariell bestätigte Erklärung des Beschwerdeführers vom 15. Dezember 2008 übermittelt, wonach er nur für "drei Monate" nach Österreich zu reisen beabsichtige, um seinen Schwager zu besuchen, er nach "drei Monaten" nach Ablauf des Visums wieder zurückkommen werde und seine Familie in Indien lebe.
Ungeachtet dessen wies die Österreichische Botschaft New Delhi (die belangte Behörde) den Antrag auf Erteilung des begehrten Visums mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Dezember 2008 unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Ankreuzen des dafür vorgesehenen Feldes zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde die Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG als nicht erfüllt erachtete.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die (allgemeinen) Voraussetzungen für die Erteilung von Visa finden sich in § 21 FPG. Diese Bestimmung lautet samt Überschrift - auszugsweise - wie folgt:
"Erteilung von Visa
§ 21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn
- 1. …
- 2. die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint;"
Die belangte Behörde begründete die Versagung des Visums nur mit dem Hinweis auf die für maßgeblich angesehene Gesetzesstelle, nämlich auf § 21 Abs. 1 Z 2 FPG, was - entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde - noch keinen Begründungsmangel darstellt, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest im Akt nachvollziehbar ist (vgl. ausführlich den hg. Beschluss vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0216).
Diesbezüglich finden sich im vorgelegten Verwaltungsakt auf der vom Beschwerdeführer zu seiner Beschäftigung beigebrachten Bestätigung und auf einer Bankbestätigung handschriftliche Vermerke in englischer Sprache. Dazu wird in der Gegenschrift vorgebracht, dass die Existenz des im Antrag und in der Arbeitsbestätigung angegebenen Unternehmens weder über die Festnetztelefonnummer noch über die angegebene Website habe verifiziert werden können. Es sei auch versucht worden, die vorgelegte Bankbestätigung zu überprüfen, um regelmäßige Ein- und Ausgänge (am Konto des Beschwerdeführers) festzustellen. In mehreren telefonischen Versuchen habe jedoch nicht verifiziert werden können, dass es sich tatsächlich um eine Bankfiliale handle. Die vorgelegten Dokumente, wie Bankauszüge und Arbeitgeberbestätigung, die geeignet gewesen wären, eine regelmäßige Geschäftstätigkeit oder Beschäftigung nachzuweisen, seien somit als nicht echt zu qualifizieren gewesen. Nachdem die vorgelegte Erklärung über den Familienstand keine überprüfbare Unterlage darstelle, habe eine Bindung des Beschwerdeführers an den Heimatstaat nicht festgestellt und die Zweifel der belangten Behörde an seiner Wiederausreise hätten nicht beseitigt werden können. Das Schreiben der D. K. sei nicht geeignet, einen Nachweis über die Echtheit der vorgelegten Dokumente zu erbringen oder die Wiederausreise des Beschwerdeführers zu belegen. Die ebenfalls vorgelegte Erklärung (offenbar gemeint: des Beschwerdeführers vom 15. Dezember 2008) stelle "kein überprüfbares Dokument betreffend die Familienverhältnisse des Antragstellers" dar.
Im Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0104, beschäftigte sich der Verwaltungsgerichtshof näher mit der in der Z 2 des § 21 Abs. 1 FPG genannten Erteilungsvoraussetzung. Zunächst kann daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden. Insbesondere wurde dort zum Ausdruck gebracht, es dürfe nicht ohne Weiteres ("generell") unterstellt werden, dass Fremde - mag es auch einzelne Gesichtspunkte geben, die auf ein Naheverhältnis zu Österreich oder auf eine bloß "lockere" Verbindung zum Herkunftsland hinweisen - unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums weiterhin in Österreich (unrechtmäßig) aufhältig bleiben werden. Es bedürfe vielmehr konkreter Anhaltspunkte in diese Richtung, andernfalls werde davon auszugehen sein, dass die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint (vgl. in diesem Sinne im Anschluss an die genannte Entscheidung unter anderem auch das Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0207, und das ebenfalls die hier belangte Behörde betreffende Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/21/0427; siehe etwa auch das Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/21/0229).
Liegen allerdings entsprechende Anhaltspunkte für den Verdacht eines Verbleibens in Österreich über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus vor, welche die Behörde im Rahmen ihrer sich aus § 11 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG resultierenden Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs gegenüber dem Fremden konkret darzulegen hat, so ist es dessen Sache, die sich daraus ergebenden Bedenken durch unter Beweis zu stellendes geeignetes Vorbringen zu zerstreuen (vgl. das schon genannte Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/21/0229, und darauf Bezug nehmend etwa das Erkenntnis vom 18. Februar 2009, Zl. 2008/21/0548).
Der belangten Behörde ist - wie auch die Beschwerde der Sache nach zutreffend rügt - im vorliegenden Fall der Vorwurf zu machen, dass sie die dargestellte Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs verletzt hat. Sie hätte nämlich vor Erlassung des bekämpften Bescheides nicht nur unsubstantiiert auf das Fehlen "fester familiärer, sozialer oder wirtschaftlicher Bindungen" verweisen dürfen, sondern dem Beschwerdeführer konkret vorhalten müssen, aus welchen Gründen sie im Einzelnen davon ausgehe, die für maßgeblich erachteten Bestätigungen (zum Beschäftigungsverhältnis und zum Einkommen des Beschwerdeführers) seien nicht echt und der Beschwerdeführer habe diesbezüglich gegenüber der belangten Behörde falsche Angaben gemacht, sodass die Wiederausreise des Beschwerdeführers nicht gesichert erscheine, um ihm eine darauf Bezug nehmende Erwiderung zu ermöglichen. Die Unterlassung eines solchen Vorhalts, dem vor dem Hintergrund der den österreichischen Vertretungsbehörden eingeräumten Begründungserleichterung besondere Bedeutung zukommt (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/21/0229, mwN; siehe daran anschließend beispielsweise das Erkenntnis vom 8. Juli 2009, Zl. 2008/21/0388, und aus der letzten Zeit etwa auch das Erkenntnis vom 19. Mai 2011, Zl. 2008/21/0403), bewirkte somit einen relevanten Verfahrensfehler. Dass es insoweit einer näheren Konkretisierung bedurft hätte, musste der belangten Behörde im Übrigen auch aufgrund der oben dargestellten, das Ersuchen um ergänzende Mitteilungen enthaltenden Reaktion auf ihren Vorhalt vom 28. November 2008 klar sein, zumal in diesem Vorhalt im Widerspruch zum "nicht zufriedenstellenden" Ergebnis der Überprüfung der Antragsunterlagen einleitend auch bemerkt wurde, dass keine weiteren Dokumente mehr benötigt werden.
Diese Überlegungen gelten sinngemäß auch für die Annahme der belangten Behörde, die behaupteten familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Indien seien nicht überprüfbar, was im Ergebnis darauf hinausläuft, dass die Richtigkeit dieser Angaben des Beschwerdeführers bezweifelt wurde. Auch diese Beurteilung wäre in konkretisierter Form dem Parteiengehör zu unterziehen gewesen.
Im Übrigen hat die belangte Behörde - worauf noch hinzuweisen ist - dem Umstand, dass der Beschwerdeführer eine Bestätigung für die Buchung von Hin- und Rückflug vorgelegt hat, zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen (siehe dazu die Nachweise aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 23. Oktober 2010, Zl. 2008/21/0483; vgl. idS zuletzt auch den Beschluss vom 29. September 2011, Zl. 2010/21/0289).
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 17. November 2011
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