VwGH 2009/05/0338

VwGH2009/05/033813.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der I. K. in B., vertreten durch Mag. Helmut Marschitz, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Oserstraße 19, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. Juli 2009, Zl. RU1-BR-1184/001-2009, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde B. und 2. E. P. in G.), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §48 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
AVG §52;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §48 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Eingabe vom 11. November 2008 beantragte die zweitmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Bauwerberin) die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses samt Garage, PKW-Abstellplatz, Nebengebäude (Gartenhaus und Gerätehaus) und Pool auf dem im "Bauland-Agrargebiet" liegenden Grundstück Nr. 768/2, KG B.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des der Einfahrt dieses Baugrundstückes - getrennt durch eine öffentliche Verkehrsfläche - gegenüberliegenden Grundstückes Nr. 770, KG B.

Die Beschwerdeführerin erhob durch ihren Vertreter mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 gegen das Bauvorhaben Einwendungen mit dem Vorbringen, dass die Straße neben ihrem Haus für extremen Bauverkehr ungeeignet erscheine, "da schon jetzt schwere Fahrzeuge zu Erschütterungen unseres Hauses führen - und dieses in Mitleidenschaft zieht - (Unterbau der Straße nicht genügend befestigt?)". Es sei zu erwägen, die Zufahrt zu den auf den neuen Baugründen befindlichen Häusern über die Rückseite zu leiten, weil die Enge der Kurven ein oftmaliges Reversieren nötig mache und dieses (Reversieren) vor ihrem Fenster zu extremem Lärm und Abgasen führen werde bzw. es nur eine Frage der Zeit sei, bis jemand ihre Hausecke "niederräumt".

In der von der Baubehörde I. Instanz am 10. Dezember 2008 durchgeführten mündlichen Verhandlung gab die Beschwerdeführerin folgende Erklärung ab:

"Ich bin gegen das Gebäude, da die Einfahrt unmittelbar vor meinem Haus geplant ist."

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Dezember 2008 wurde der Bauwerberin die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die bestehenden Zufahrtspläne (der Bauwerberin) eine erhebliche Beeinträchtigung der Wohnqualität und Belastung durch Lärm und Abgase bedeuteten und der schwere Bauverkehr Auswirkungen auf die Bausubstanz ihrer Liegenschaft habe.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 15. April 2009 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen. In der Bescheidbegründung führte der Gemeindevorstand aus, dass eine Änderung der Zufahrt nicht möglich sei, weil das Baugrundstück über keine andere Zufahrtsmöglichkeit verfüge. Ein Verbot eines Bauvorhabens und dessen Betriebes deshalb, weil durch dessen Verwirklichung die Luft infolge der Abgase von den auf öffentlichen Straßen sich bewegenden Kraftfahrzeugen verschlechtert werde, kenne die NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden: BO) nicht, und es seien durch das Bauvorhaben keine unzumutbaren Belästigungen der Beschwerdeführerin zu erwarten.

Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juli 2009 als unbegründet abgewiesen. Nach Hinweis auf § 6 Abs. 1 Z 3 und § 6 Abs. 2 BO führte die belangte Behörde u.a. aus, dass in der Berufung lediglich eine Beeinträchtigung der Wohnqualität sowie die Belastung durch Lärm und Abgase auf Grund der Zufahrtssituation releviert worden seien und Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht zustehe, dass sich die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Straßen nicht änderten. Diesbezüglich könne die Beschwerdeführerin daher nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die mitbeteiligte Gemeinde hat mit Schreiben vom 29. Dezember 2009 eine Gegenschrift vorgelegt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 BO (in der für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Fassung LGBl. 8200-15) haben in einem Baubewilligungsverfahren (u.a.) die Eigentümer der Grundstücke, die vom Baugrundstück durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), Parteistellung. Nachbarn sind jedoch nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in § 6 Abs. 2 leg. cit. erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.

§ 6 Abs. 2 BO lautet:

"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

§ 48 BO hat folgenden Wortlaut:

"§ 48

Immissionsschutz

(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen

  1. 1. das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
  2. 2. Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.

(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."

2. Von den Verfahrensparteien wird nicht in Zweifel gezogen, dass die Beschwerdeführerin Nachbar im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 3 BO ist.

Nach der hg. Judikatur ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Daraus folgt, dass die Prüfungsbefugnisse der Berufungsbehörde sowie der Aufsichtsbehörde und auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Falle des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf Nachbarn nach der BO im Baubewilligungsverfahren zutrifft, auf jene Fragen beschränkt ist, hinsichtlich derer dieses Mitspracherecht als subjektivöffentliches Recht besteht und soweit rechtzeitig im Verfahren derartige Einwendungen erhoben wurden. Der Beschwerdeführer kann durch die von der Berufungsbehörde erteilte Baubewilligung nur dann in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein, wenn seine öffentlich-rechtlichen Einwendungen von den Baubehörden in rechtswidriger Weise nicht berücksichtigt worden sind (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 11. Oktober 2011, Zl. 2008/05/0187, mwN).

3.1. Die Beschwerde bringt vor, dass, um in die Einfahrt auf das Grundstück Nr. 768/2 zu gelangen, eine Kurve mit 90 Grad überwunden werden müsse sowie auf der einen Seite eine Straßenlaterne und auf der anderen Seite ein Bauwerk die Einfahrt behinderten. Fahrzeuge könnten entweder (nur) mit einem aufwändigen Fahrmanöver durch mehrmaliges Vor- und Rückwärtsfahren und Einlenken in die Einfahrt einfahren oder es müsste dieses Vorhaben aufgegeben werden. Dabei komme es zu einer Gefährdung des Hauses der Beschwerdeführerin und zu einem örtlich unzumutbaren Verkehrslärm sowie in der Nacht zusätzlich zu Lichtimmissionen. Werde von dem Baugrundstück in der Nacht ausgefahren, so leuchteten die Scheinwerfer direkt in das Haus der Beschwerdeführerin, vor deren Fenstern die Fahrmanöver stattfänden. Die Immissionsbelastung sei im Zusammenhalt mit dem Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan nicht durch einen Sachverständigen geprüft worden. Im Hinblick darauf, dass kein Sachverständiger beizogen worden sei, der das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen überprüft habe, liege ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach der in § 6 Abs. 2 Z 2 BO getroffenen Regelung haben Nachbarn subjektiv-öffentliche Rechte auf Schutz vor Immissionen (§ 48 leg. cit.) nur insoweit, als sich diese Immissionen nicht aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63 leg. cit.) ergeben. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen, dass hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen dem Nachbarn nach diesen Bestimmungen kein subjektiv-öffentliches Recht zusteht (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 29. April 2005, Zl. 2004/05/0203, und vom 22. November 2005, Zl. 2005/05/0137).

Da ein Nachbar aus der befürchteten Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse auf einer öffentlichen Verkehrsfläche kein subjektiv-öffentliches Recht ableiten kann, ist weder das Beschwerdevorbringen hinsichtlich des durch das Zufahren zum Baugrundstück verursachten Verkehrslärms noch das Vorbringen bezüglich der Lichtimmissionen durch Scheinwerferlicht von Fahrzeugen zielführend. Aus denselben Gründen geht auch das Beschwerdevorbringen, dass es im Zuge der Fahrmanöver im Zusammenhang mit dem Einfahren auf die Bauliegenschaft zu einer Gefährdung des Hauses der Beschwerdeführerin komme, ins Leere.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 16. Dezember 1997, Zl. 97/05/0248, und vom 27. Jänner 2004, Zl. 2002/05/0769; ferner in diesem Zusammenhang etwa auch das unter Bezugnahme auf § 48 BO zur Oö. Bauordnung 1994 ergangene Erkenntnis vom 21. Mai 2007, Zl. 2004/05/0254) sind die mit dem Wohnen üblicherweise verbundenen Immissionen - dies bezieht sich auch auf die normale Verwendung einer Zufahrt zu einem Garagen- bzw. Abstellplatz - von den Nachbarn hinzunehmen. Damit war - entgegen der Beschwerdeansicht - die Beiziehung eines Sachverständigen zur Erhebung der Immissionsauswirkungen durch vom Baugrundstück ausfahrende Fahrzeuge nicht geboten, weil die Behörden von einer Ortsüblichkeit der zu erwartenden Immissionen ausgehen durften (vgl. auch dazu etwa das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 2005/05/0137, mwN).

4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 13. Dezember 2011

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