Normen
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 (insgesamt somit EUR 4.425,60) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer - ein Ehepaar, dessen Tochter und ein Neffe - sind russische Staatsbürger und gehören der tschetschenischen Volksgruppe an. Sie gelangten am 15. September 2007 von der Slowakei kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellten hier nach ihrem Aufgriff am 16. September 2007 einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag wurde über sie mit im Wesentlichen gleichlautenden Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha gemäß § 76 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) Schubhaft verhängt, um das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 bzw. ihre Abschiebung zu sichern.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde dagegen erhobene Beschwerden gemäß § 83 FPG ab und stellte gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.
Die Beschwerdeführer erhoben Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung mit Beschlüssen vom 10. Juni 2008, B 1970 - 1973/07, ab und trat sie unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Über die ergänzten, wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Schubhaft der Beschwerdeführer wurde auf § 76 Abs. 2 Z 4 FPG gestützt. Dabei haben jedoch sowohl die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha als auch die belangte Behörde nicht ausreichend berücksichtigt, dass ungeachtet eines "Dublinbezugs" eine Schubhaftnahme nach der genannten Bestimmung nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die in diesem (frühen) Stadium des Asylverfahrens ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen.
Derartige Umstände vermochten am Maßstab der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, auf dessen Entscheidungsgründe des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - weder die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha in ihren Schubhaftanordnungen noch die belangte Behörde in den gegenständlich bekämpften Bescheiden aufzuzeigen. Insbesondere reichen die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Umstände (Äußerung, nicht in die Slowakei zurückkehren zu wollen; mangelnde berufliche und soziale Verankerung im Bundesgebiet) nicht aus, um im gegebenen Zusammenhang ein nur durch Schubhaft abzudeckendes Sicherungsbedürfnis zu begründen. Demgegenüber wäre wesentlich zu berücksichtigen gewesen, dass die Beschwerdeführer zu ihrer Identität und Fluchtroute offenkundig richtige Angaben erstattet haben (vgl. zu ähnlich gelagerten Konstellationen im Falle eines Aufgriffs von Fremden unmittelbar nach illegalem Grenzübertritt die hg. Erkenntnisse vom 28. Mai 2008, Zl. 2007/21/0332, vom 17. Juli 2008, Zl. 2008/21/0346, und vom 8. Juli 2009, Zl. 2007/21/0093).
Nach dem Gesagten waren die bekämpften Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 30. August 2011
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