VwGH 2008/11/0033

VwGH2008/11/003323.2.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des Dr. W K in W, vertreten durch Dr. Karl Newole, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Zelinkagasse 6, gegen den Bescheid des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Spitzauer & Backhausen Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stock im Eisen-Platz 3, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 28. Juni 2006, Zl. B 16/06-47/280606, betreffend Zurückweisung der Beschwerde (Berufung) iA Festsetzung des Fondsbeitrags für 2001, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3 idF 2008/I/005;
AVG §66 Abs4;
AVG §13 Abs3 idF 2008/I/005;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem als "Schätzbescheid" betitelten Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 14. September 2005 wurde der Beitrag des Beschwerdeführers zum Wohlfahrtsfonds für das Jahr 2001 mit EUR 11.027,58 festgesetzt, festgehalten, dass der Beschwerdeführer hierauf EUR 7.803,09 an vorläufigen Fondsbeiträgen entrichtet habe, und der Beschwerdeführer verpflichtet, den daher bestehenden Beitragsrückstand von EUR 3.224,49, erhöht um einen Säumniszuschlag in Höhe von 10 %, binnen 6 Wochen nach Zustellung des Bescheides zu bezahlen.

Mit Schriftsatz vom 28. September 2005 erhob der Beschwerdeführer dagegen eine Beschwerde (Berufung) mit folgendem wesentlichen Inhalt:

"Die Beschwerde richtet sich gegen die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Schätzbescheides, weil der Wohlfahrtsfonds die Fondsbeiträge für das Jahr 2001 mit ... wesentlich zu hoch festgesetzt hat.

Ich stelle daher den Antrag, die von meiner steuerlichen Vertretung am 15.7.2001 und 6.10.2003 mit den entsprechenden Erklärungsformularen bekanntgegebenen Zahlen für 1998 zu berücksichtigen und lege zusätzlich ein Schreiben mit den Steuerbescheiden 1998 und der Einkommensteuererklärung 1998 der L Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. bei. ..."

Diesem Schriftsatz schloss er ein Schreiben der genannten Steuerberatungsgesellschaft bei, in welchem diese unter anderem ausführt:

"Die im Einkommensteuerbescheid angeführten Einkünfte aus selbständiger Arbeit beinhalten mit ATS 64.737,49 den Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben aus der Facharztordination (siehe Beilage zur Einkommensteuererklärung).

Der unecht umsatzsteuerbefreite Umsatz laut Umsatzsteuerbescheid 1998 betrifft mit ATS 1.528.113,14 die ärztliche Tätigkeit und mit ATS 600.000,00 einen Grundstücksumsatz."

Ferner wurden der Einkommensteuerbescheid 1998 und die Beilage zur Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 1998 beigeschlossen.

Daraufhin trug die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 1. März 2006 auf, die Beschwerde in Anbetracht der nicht nachvollziehbaren Angaben zur ärztlichen Tätigkeit zu

verbessern, und insbesondere die Einkünfte aus selbständiger

Arbeit laut Einkommensteuerbescheid 1998 aufzuschlüsseln und bekannt zu geben, woraus diese resultieren, sowie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzugeben, welche Liegenschaft an wen vermietet worden seien und ob es sich dabei um Räumlichkeiten handle, die als Ordination oder Ähnliches vermietet würden. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, diese Aufgliederung binnen sechs Wochen vorzulegen, widrigenfalls die Beschwerde gemäß § 13 Abs. 3 AVG abgewiesen werden würde.

Innerhalb der gesetzten Frist richtete die L Steuerberatungsgesellschaft das Schreiben vom 21. April 2006 an die belangte Behörde, in welchem sie im Wesentlichen die bereits gemachten Angaben "ausdrücklich" bestätigte, zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärt, dass diese keine Ordinationsräumlichkeiten beträfen und sie einen Zahlungsbeleg über den Kaufpreis beilege, sie ohnehin alle Angaben wahrheitsgemäß zu machen habe und im Übrigen der Datenschutz des Beschwerdeführers nicht verletzt werden dürfe.

Eine weitere Verbesserung erfolgte nicht.

Die belangte Behörde erließ daraufhin den angefochtenen Bescheid, mit welchem die Beschwerde vom 28. September 2005 gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen wurde.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher ihre Behandlung mit Beschluss vom 30. November 2007, B 1561/06-12, ablehnte und sie mit gesondertem Beschluss vom 30. Jänner 2008 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In seiner Beschwerdeergänzung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick darauf, dass der angefochtene Bescheid eine auf § 13 Abs. 3 AVG gestützte Zurückweisung zum Gegenstand hat, ist hier lediglich zu prüfen, ob die Entscheidung der genannten Bestimmung entspricht, also ob die sachliche Behandlung der Beschwerde mangels Erfüllung des Verbesserungsauftrages vom 1. März 2006 zu Recht verweigert wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2007, Zl. 2005/11/0144).

Soweit der Beschwerdeführer zunächst - wie bereits vor dem Verfassungsgerichtshof - die von der belangten Behörde als Grundlage ihres Auftrages vom 1. März 2006 unter anderem genannten Bestimmungen des Abschnittes IV Abs. 5 der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien als nicht gehörig kundgemacht ansieht und daher die Auffassung vertritt, die belangte Behörde hätte sie nicht anwenden dürfen, ist ihm zu entgegnen, dass er diese Behauptungen auch schon vor dem Verfassungsgerichtshof aufgestellt hat und im Lichte des eingangs erwähnten Ablehnungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 30. November 2007 die vom Beschwerdeführer genannten Bedenken vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden. Seine Behauptungen in der Beschwerdeergänzung bieten auch keinen Anlass, an den Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Überprüfung der in Rede stehenden Normen zu stellen.

Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, die belangte Behörde habe die Anwendbarkeit des § 13 AVG verkannt. Denn (die Nichtbeibringung von) Beilagen, die die belangte Behörde für die Sachentscheidung als notwendig erachtet habe, bewirkten nicht die Unzulässigkeit des Rechtsmittels, die Verweigerung der Sachentscheidung sei daher rechtswidrig.

Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend:

§ 13 Abs. 3 AVG in der seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 gültigen und hier maßgebenden Fassung lautet:

"§ 13. (...)

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat viel mehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."

§ 13a AVG hat folgenden Wortlaut:

"§ 13a. Die Behörde hat Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren."

Zwar verkennt der Beschwerdeführer, dass die hier maßgebende Fassung des § 13 Abs. 3 AVG nicht mehr nur auf Formgebrechen schriftlicher Anbringen abstellt, sondern ganz allgemein auf Mängel schriftlicher Anbringen, worunter auch inhaltliche Mängel zu verstehen sind. Es muss sich aber immer um verbesserungsfähige Mängel handeln (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 2003, Zl. 2003/11/0003, mit weiteren Nachweisen).

Es ist jedoch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen hat, dass die Beschwerde (Berufung) an sich mangelhaft gewesen sei, sondern dass die Behörde gemäß dem Abschnitt IV. Abs. 5 der Beitragsordnung das Recht habe, "entsprechende Unterlagen" zur Aufklärung der Bemessungsgrundlage anzufordern. Da das ärztliche Einkommen aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen nicht nachvollziehbar gewesen sei, habe die belangte Behörde diesen inhaltlichen Mangel in Erfüllung ihrer Anleitungspflicht und nach § 13 Abs. 3 AVG zu beseitigen versucht.

Damit hat die belangte Behörde verkannt, dass von den Mängeln des Anbringens im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG Umstände, die die Erfolgsaussichten betreffen, zu unterscheiden sind, die gegebenenfalls zur Abweisung führen (vgl. Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, 1. Teilband, Rz 27 zu § 13 AVG und die dort zitierte Rechtsprechung). Ob es sich um einen Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG oder um eine Erfolgsvoraussetzung im obigen Sinn handelt, ist durch Auslegung der Bestimmungen der Materiengesetze zu ermitteln (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2010, Zl. 2008/21/0302, mit weiterem Nachweis).

Die Bemessungsgrundlage für die von den Kammerangehörigen zu entrichtenden Beiträge regeln § 109 Abs. 1 - 4 Ärztegesetz 1998 und die im Grunde des Gesetzes erlassenen Satzungen und Beitragsordnungen. § 96a Ärztegesetz 1998 sieht Meldepflichten hinsichtlich beitragsrelevanter Daten vor. Nach § 109 Abs. 5 letzter Satz Ärztegesetz 1998 kann die Beitragsordnung nähere Bestimmungen vorsehen, wonach der Kammerangehörige verpflichtet ist, alle für die Errechnung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds erforderlichen Angaben zu machen und auf Verlangen die geforderten Nachweise über die Richtigkeit dieser Erklärung vorzulegen. Dem entsprechend normiert auch der Abs. 5 des Abschnitts IV der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, dass die Fondsmitglieder verpflichtet sind, die Erklärung über die Bemessungsgrundlage vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen und die Ärztekammer vom Betreffenden die Vorlage von (weiteren) Unterlagen verlangen kann. Diese Bestimmungen regeln somit, auf welcher Grundlage die Beiträge zu bemessen sind und dass der Betreffende an der Ermittlung der Bemessungsgrundlage mitzuwirken hat. Eine Regelung dahin, dass bei Nichtvorlage der Unterlagen die Zulässigkeit eines Anbringens nicht gegeben wäre, ist daraus jedoch - im Hinblick auf die im Fall der Nichtvorlage der abverlangten Unterlagen vom Gesetz vorgesehenen Konsequenzen (Abschnitt IV Abs. 7 der Beitragsordnung) - nicht ersichtlich.

Im vorliegenden Fall war somit entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer einem Verbesserungsauftrag im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG nicht entsprochen hätte. Allenfalls hätte die belangte Behörde, so sie der Auffassung war, nicht in der Sache selbst entscheiden zu können, den Beschwerdeführer im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zur Stellungnahme bzw. Urkundenvorlage auffordern müssen. Die Verweigerung der Sachentscheidung und Zurückweisung der Beschwerde (Berufung) waren dagegen jedenfalls verfehlt.

Da sich der angefochtene Bescheid schon deshalb als rechtswidrig erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf die vom Beschwerdeführer zweifach begehrte "Eingabengebühr".

Wien, am 23. Februar 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte