VwGH 2008/08/0059

VwGH2008/08/00597.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des T K in P, vertreten durch Mag. Otto Stadler, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 32, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 16. November 2007, Zl. GS8-SV-354/004-2007, betreffend Feststellung der Beitragsgrundlagen und der monatlichen Beiträge nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84- 86), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
GSVG 1978 §40;
AVG §13a;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;
GSVG 1978 §40;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 6. Juli 2007 wurde über Antrag des Beschwerdeführers für die Jahre 1987 bis 1993 die jeweilige monatliche endgültige Beitragsgrundlage in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG festgelegt (Spruchpunkt 1) und ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer verpflichtet sei, betragsmäßig näher bestimmte monatliche Beiträge zur Pensionsversicherung (Spruchpunkt 2) sowie zur Krankenversicherung (Spruchpunkt 3) zu entrichten.

Begründend wurde dabei im Wesentlichen angeführt, dass mit rechtskräftigem Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 16. September 2005 festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer vom 1. November 1986 bis zum 31. Dezember 1993 als geschäftsführender Gesellschafter der K GmbH der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG unterlegen sei.

Nach Darlegung der Einkünfte des Beschwerdeführers laut der rechtskräftigen Einkommensteuerbescheide der Jahre 1984 bis 1990 wurde im erstinstanzlichen Bescheid dargelegt, wie sich die jeweilige Beitragsgrundlage und daraus abgeleitet die zu entrichtenden Beiträge in der Pensions- und Krankenversicherung errechnen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch, in dem er im Wesentlichen ausführte, dass der K GmbH während der Jahre 1988 bis 1993 die Gewerbeberechtigung entzogen gewesen sei und es in dieser Zeit auch keine Versicherungsleistung der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt für ihn und seine Angehörigen gegeben habe. Dafür, dass der Masseverwalter der K GmbH ihn "nicht aus dem Firmenregister für diese Zeit 'ruhend' gestellt" habe, könne der Beschwerdeführer nicht verantwortlich sein.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass - aufgrund des rechtskräftigen Bescheids der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 16. September 2005, der mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. März 2006, Zl. 2006/08/0028, bestätigt worden sei - feststehe, dass der Beschwerdeführer vom 1. November 1986 bis 31. Dezember 1993 als geschäftsführender Gesellschafter der K GmbH der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG unterlegen sei. Weiters lägen für die Jahre 1984 bis 1990 rechtskräftige Einkommensteuerbescheide vor. Der Beschwerdeführer habe in seinem Einspruch teilweise Umstände vorgebracht, die bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens betreffend die Feststellung der Pflichtversicherung gewesen seien. Eine rechnerische Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Bescheides könne nicht festgestellt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Bescheid verletze ihn "in seinem Recht auf Unterbleiben der Feststellung, dass die von der SVA der gewerblichen Wirtschaft Landesstelle NÖ festgestellten monatlichen Beiträge für die Zeit vom 01.01.1987 bis 31.12.1993 zur Pensions- und Krankenversicherung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach verjährt und gegenüber dem Beschwerdeführer nicht mehr zu Recht geltend machbar" seien.

Dieser Beschwerdepunkt bezieht sich damit ausschließlich auf die mit dem angefochtenen Bescheid (in Bestätigung der Spruchpunkte 2. und 3. des erstinstanzlichen Bescheides) ausgesprochene Verpflichtung zur Entrichtung der monatlichen Beiträge, nicht jedoch auf die Feststellung der Beitragsgrundlagen (Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Bescheides). Auch die Beschwerdegründe betreffen ausschließlich die Verpflichtung zur Beitragsentrichtung.

2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der Manuduktionspflicht sowohl durch die erstinstanzliche als auch durch die belangte Behörde, da ihn diese nicht angeleitet hätten, auf die seiner Ansicht nach eingetretene Verjährung hinzuweisen.

Gemäß § 13a AVG hat die Behörde Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren.

Diese Pflicht zur Rechtsbelehrung verhält die Behörde nicht dazu, eine Partei zur Erhebung bestimmter Einwendungen bzw. zur Erstattung eines konkreten, ihrem Anliegen förderlichen Tatsachenvorbringens und dessen Untermauerung anzuleiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1990, Zl. 90/19/0243); die belangte Behörde war daher auch nicht verpflichtet, den Beschwerdeführer - der im Verfahren kein Vorbringen im Hinblick auf eine allfällige Verjährung erstattet hat - zur Erhebung eines Verjährungseinwands anzuleiten.

Zudem ist festzuhalten, dass die Behörde auf die Verjährung nach § 40 GSVG auch von Amts wegen Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 95/08/0098, Slg. Nr. 14.637 A/1997, zur vergleichbaren Bestimmung des § 68 ASVG).

Der Beschwerdeführer behauptet auch in seiner Beschwerde, dass Verjährung der Beitragsforderungen eingetreten sei, unterlässt aber eine weitere Konkretisierung. Dem vorgelegten Verwaltungsakt lassen sich keine Hinweise auf das Vorliegen von Verjährung entnehmen. Der Beschwerdeführer ist diesbezüglich darauf hinzuweisen, dass gemäß § 40 GSVG die Verjährung des Feststellungsrechtes durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen wird, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Zudem ist die Verjährung gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung (von Bedeutung für den vorliegenden Fall ist das mit Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 16. September 2005, Zl. BMSG-320516/0001-II/A/3/2005, abgeschlossene Verwaltungsverfahren und das daran anschließende, mit Erkenntnis vom 29. März 2006 abgeschlossene Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, Zl. 2006/08/0028) oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist.

3. Soweit der Beschwerdeführer, gestützt auf § 67d AVG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (in der Fassung vor der Wiederverlautbarung des EGVG durch BGBl. I Nr. 87/2008), das Unterbleiben einer mündlichen Berufungsverhandlung rügt, beruht dies offensichtlich auf einem Irrtum, da es sich beim angefochtenen Bescheid weder um einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates noch um einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates handelt.

4. Auch soweit die Beschwerde darauf hinweist, dass es der Behörde nicht gestattet sei, die Partei mit einer Rechtsansicht zu überraschen, lässt sich ein Bezug zum vorliegenden Beschwerdefall nicht herstellen, zumal mit dem angefochtenen Bescheid der erstinstanzliche Bescheid zur Gänze und auf Grund der selben rechtlichen Erwägungen bestätigt wurde.

5. Die Ausführungen zur Verpflichtung der belangten Behörde, von Amts wegen den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln, vermögen schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, da der Beschwerdeführer auch in seiner Beschwerde keine Hinweise darauf gibt, welche Sachverhaltselemente die belangte Behörde seiner Ansicht nach nicht oder nur unzureichend ermittelt hätte. Dass die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt rückständige Beiträge des Beschwerdeführers im Exekutionsweg einzubringen sucht, wie der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ausführt, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Bedeutung.

6. Die Beschwerde rügt eine unzureichende Begründung des angefochtenen Bescheides, da die belangte Behörde teilweise auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen habe.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist es jedoch nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Einspruchsbehörde auf Feststellungen der ersten Instanz verweist, wenn sie in der Frage des Sachverhalts und der rechtlichen Beurteilung mit der ersten Instanz einer Meinung ist und ihr keine durch die Begründung der ersten Instanz offen gelassene Frage vorgelegt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2008, Zl. 2007/03/0041).

7. Schließlich kann dem Beschwerdeführer auch nicht darin gefolgt werden, dass die belangte Behörde maßgebliche Feststellungen unterlassen hätte, die eine zutreffende rechtliche Beurteilung erst möglich gemacht hätten. Auch diesbezüglich bezieht sich die Beschwerde ausschließlich auf die erstmals in der Beschwerde behauptete Verjährung der Beitragsforderung, zeigt aber auch in diesem Zusammenhang nicht auf, auf Grund welcher Feststellungen die belangte Behörde zum vom Beschwerdeführer gewünschten Ergebnis hätte kommen können.

8. Da sich die Beschwerde damit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des - hier vorliegenden - Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson, ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0083, und vom 14. Mai 2003, Zl. 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Wien, am 7. September 2011

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