VwGH 2008/07/0209

VwGH2008/07/020926.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerden des Bundesamtes für Ernährungssicherheit p.A. Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH in 1220 Wien, Spargelfeldstraße 191, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich jeweils vom 7. Oktober 2008, 1.) Zl. VwSen- 200281/7/BP/Se und 2.) Zl. VwSen-200283/7/BP/Se, betreffend Übertretung des PMG (mitbeteiligte Partei: Mag. K F in H, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Südtirolerstraße 12a; weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
EMRK Art7 Abs1;
PMG 1997 §2 Abs10;
PMG 1997 §3;
PMG 1997 §34 Abs1 Z1 lita;
PMG 1997 §34 Abs4 idF 2007/I/055;
VStG §1 Abs2;
VStG §1;
VStG §24;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §32 Abs3;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §66 Abs4;
EMRK Art7 Abs1;
PMG 1997 §2 Abs10;
PMG 1997 §3;
PMG 1997 §34 Abs1 Z1 lita;
PMG 1997 §34 Abs4 idF 2007/I/055;
VStG §1 Abs2;
VStG §1;
VStG §24;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §32 Abs3;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Erstmitbeteiligte ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der F. GmbH (F-GmbH).

Mit Straferkenntnis vom 11. Juni 2008 legte die Bezirkshauptmannschaft L. (BH) dem Mitbeteiligten folgende Verwaltungsübertretung zur Last:

"Sie haben als zur Vertretung nach außen berufener

handelsrechtlicher Geschäftsführer der F-GmbH in H., und

somit als Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 1 VStG der Firma F-

GmbH in H., zu vertreten, dass am 1.6.2006 - wie von einem

Organ des Bundesamtes für Ernährungssicherheit am 1.6.2006

festgestellt wurde - 11 x 1 Liter des Präparates Bladex flüssig

mit der Pfl. Reg. Nr. 2140, dessen Zulassung mit 25.7.2003

aufgehoben wurde und dessen Abverkaufrist mit 31.12.2003 endete,

im Lagerraum/LKW-Werkstätte ... am Standort der F-GmbH in

H. zum Verkauf vorrätiggehalten wurde und somit ... in

verbotener Weise in Verkehr gebracht wurde."

Der Mitbeteiligte wurde wegen Übertretung des § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und 4 PMG bestraft und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 365,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Stunden) verhängt.

Mit Straferkenntnis vom 10. Juni 2008 legte die BH dem Mitbeteiligten folgende Verwaltungsübertretung zur Last:

"Sie haben als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer der F-GmbH in H., und somit als Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 1 VStG der Firma F-GmbH in H., zu vertreten, dass am 7.6.2006 - wie von einem Organ des Bundesamtes für Ernährungssicherheit am 7.6.2006 festgestellt wurde - 3 x 6 Liter des Präparates Dicopur DP mit der Pfl.Reg.Nr. 1737, dessen Zulassung mit 25.7.2003 aufgehoben wurde und dessen Abverkaufrist mit 31.12.2003 endete, im PSM-Lager/LKW-Werkstätte am Standort der F-GmbH in H. zum Verkauf

vorrätiggehalten wurde, und somit ... in verbotener Weise in

Verkehr gebracht wurde.

Der Mitbeteiligte wurde wegen Übertretung des § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 PMG bestraft und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) verhängt.

Gegen diese Straferkenntnisse erhoben sowohl der Mitbeteiligte als auch die F-GmbH Berufung.

Die belangte Behörde gab den Berufungen des Mitbeteiligten mit den beiden - im Wesentlichen gleichlautenden - angefochtenen Bescheiden vom 7. Oktober 2008 Folge, behob das jeweilige Straferkenntnis und stellte die Verfahren gemäß §§ 24, 44a und 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden - im Wesentlichen gleichlautenden - Amtsbeschwerden des Bundesamtes für Ernährungssicherheit.

Die belangte Behörde legte jeweils die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie der Mitbeteiligte - Gegenschriften mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres inhaltlichen, sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat darüber erwogen:

Die vorliegenden Beschwerdefälle gleichen sowohl hinsichtlich der anzuwendenden Rechtslage als auch hinsichtlich der Beurteilung der Legitimation zur Erhebung der vorliegenden Amtsbeschwerden jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, Zl. 2008/07/0027, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zu Grunde lag.

Die Beschwerden sind somit zulässig.

In den beiden gegenständlichen Fällen ist die Stellung des Mitbeteiligten als strafrechtlich Verantwortlicher der F-GmbH im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG unstrittig.

Die belangte Behörde wich von der Beurteilung der erstinstanzlichen Behörde, es seien die verfahrensgegenständlichen Pflanzenschutzmittel entgegen den Bestimmungen des PMG "zum Verkauf vorrätig gehalten" worden, ohne Durchführung eines weiteren Ermittlungsverfahrens ab und vertrat die Auffassung, dass im Hinblick auf die Ermittlungsergebnisse der erstinstanzlichen Behörde der Erstmitbeteiligte die näher bezeichneten Pflanzenschutzmittel bloß gelagert habe und der objektive Tatbestand des Inverkehrbringens im Sinne des § 2 Abs. 10 PMG nicht erfüllt und darüber hinaus die Tat im Spruch des angefochtenen Bescheides mangelhaft angelastet worden sei, weshalb das Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen gewesen sei.

Die Beschwerden sind begründet.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 10 PMG in seiner Stammfassung BGBl. Nr. 60/1997 ist unter dem Begriff des Vorrätighaltens zum Verkauf auch das Lagern von Pflanzenschutzmitteln, soweit sie dem (späteren) Verkauf (in einen anderen EU-Mitgliedsstaat oder Drittstaat) zugeführt werden sollen, zu verstehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. März 2008, Zlen. 2007/07/0038, 0136, sowie vom 26. Juni 2008, Zl. 2006/07/0033).

Diese Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, Zl. 2008/07/0027, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, bekräftigt und ausgeführt, dass das bloße Lagern kein Inverkehrbringen im Sinne des § 2 Abs. 10 PMG darstellt.

Insoweit die belangte Behörde der Ansicht ist, der objektive Tatbestand des Inverkehrbringens im Sinne des § 2 Abs. 10 PMG sei nicht erfüllt worden, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie sich nicht weiter mit der entscheidungswesentlichen Frage des Zwecks der Lagerung der vorgefundenen Pflanzenschutzmittel auseinandergesetzt hat.

Der Mitbeteiligte gab zwar im Rahmen der Beschuldigteneinvernahme vor der BH an, die verfahrensgegenständlichen Pflanzenschutzmittel "an den Hersteller

... retournieren" zu wollen. Weitere Anhaltspunkte dafür lassen

sich dem Akteninhalt aber nicht entnehmen. Ganz im Gegenteil hat der Mitbeteiligte in seiner Berufung gegen den erstangefochtenen Bescheid ausgeführt, dass das Pflanzenschutzmittel mit der Handelsbezeichnung "Bladex flüssig" zum Tatzeitpunkt in Dänemark und in der tschechischen Republik unter den Handelsbezeichnungen "Bladex 50 SC" bzw. "Bladex 500 SC" registriert und zugelassen sei, weshalb diese nach Dänemark oder in die tschechische Republik verkauft werden könnten. Ähnliches findet sich auch in dem Berufungsvorbringen zum zweitangefochtenen Bescheid, wonach das Pflanzenschutzmittel mit der Handelsbezeichnung "Dicopur DP" und der dabei verwendete Wirkstoff, nämlich "Dichlorprop (2,4-DP)" vom selben Hersteller in Frankreich unverändert verwendet und in Verkehr gebracht werde und die Pflanzenschutzmittel somit nach Frankreich verkauft werden könnten.

Die belangte Behörde hat es unterlassen, ergänzende Ermittlungen in dieser Richtung durchzuführen (vgl. in diesem Zusammenhang das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2010), sodass sie zu Unrecht gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG die Einstellung der in Rede stehenden gegen den Erstmitbeteiligten geführten Verwaltungsstrafverfahren verfügte, weil ihrer Auffassung nach auf Grund der von der Erstbehörde geführten Ermittlungstätigkeiten der objektive Tatbestand der jeweils zur Last gelegten Tat nicht vorgelegen sei.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Insoweit die belangte Behörde der Ansicht ist, es liege eine unzureichende und somit rechtswidrige Tatanlastung vor, weil die Tat im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides nur mangelhaft angelastet worden sei und dies zwischenzeitlich zu einer Verfolgungsverjährung im Sinne des § 31 Abs. 1 VStG geführt habe, so trifft dies gleichfalls nicht zu.

Nach § 45 Abs. 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen. Das ist gemäß § 31 Abs. 1 VStG dann der Fall, wenn gegen eine Person binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3 VStG) vorgenommen worden ist. Eine derartige Verfolgungshandlung muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben; das erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 2009, Zl. 2008/07/0067, m.w.N.).

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch des Strafbescheides, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG - unter Rechtsschutzüberlegungen - dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch des Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z 1 VStG genügt oder nicht genügt. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. September 2009, m.w.N.).

Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt oder nicht. Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. das bereits mehrfach zitierte hg. Erkenntnis vom 17. September 2009, m.w.N.).

Die belangte Behörde ist fallbezogen zu dem Ergebnis gekommen, dass die - ihrer Meinung nach - unzureichende Umschreibung der Tat zum Eintritt der Verfolgungsverjährung geführt hat. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes besteht allerdings im vorliegenden Fall kein Zweifel, dass die in der jeweiligen Aufforderung zur Rechtfertigung sowie in dem jeweiligen erstinstanzlichen Straferkenntnis dem Mitbeteiligten zur Last gelegte Tat so ausreichend konkret umschrieben ist, dass er in die Lage versetzt war, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, und dass er davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens noch einmal zur Verantwortung gezogen zu werden.

Einer weiteren Umschreibung des Vorrätighaltens zum Verkauf bedurfte es verfahrensgegenständlich nicht.

Der Mitbeteiligte äußerte in dieser Hinsicht im Verfahren vor den Verwaltungsstrafbehörden auch keine Zweifel, dass er genaue Kenntnis davon habe, weswegen er beschuldigt wurde und nahm auch im Verwaltungsverfahren inhaltlich zu den konkreten Tatvorwürfen Stellung, sodass davon auszugehen ist, dass die jeweilige Tatumschreibung der dem Mitbeteiligten jeweils vorgeworfenen Straftat - sowohl im Straferkenntnis als auch in der jeweiligen Aufforderung zur Rechtfertigung - in genügend eindeutiger Weise erfolgte.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist somit weder eine mangelhafte Tatanlastung (§ 45 Abs. 1 Z 2 VStG) noch eine Verfolgungsverjährung (in diesem Fall § 45 Abs. 1 Z 3 VStG) eingetreten, weshalb sich die auf § 45 Abs. 1 Z 2 VStG gegründete Verfahrenseinstellung als rechtswidrig erweist.

Die angefochtenen Bescheide sind aber noch in einem weiteren Punkt rechtswidrig. Die belangte Behörde ging in Verkennung der Rechtslage von einem Fall des § 51e Abs. 2 Z 1 VStG aus und belastete, indem sie keine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs. 1 VStG durchführte, diesen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel.

Für das fortzuführende Verfahren wird darauf hingewiesen, dass der Zweck der Lagerung sowie die allfällig ins Treffen geführte Ausnahme von der Verpflichtung zur Zulassung im Sinne des § 3 Abs. 2 Z 2 PMG zu prüfen sein wird (vgl. weiterführend das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. 2006/07/0033).

Auf Grund dieses Ergebnisses erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 26. Jänner 2011

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