VwGH 2008/05/0174

VwGH2008/05/01746.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz, sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des Dr. H M und 2. der Dr. B M, vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 66, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 26. Juni 2008, Zl. BOB-193/08 (mitbeteiligte Partei: P GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Hannes Lattenmayer, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Siolygasse 10/7), betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Wr §134a Abs1;
BauO Wr §69;
BauO Wr §81 Abs2;
BauO Wr §81 Abs6;
BauRallg;
AVG §8;
BauO Wr §134a Abs1;
BauO Wr §69;
BauO Wr §81 Abs2;
BauO Wr §81 Abs6;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A. Zum angefochtenen Bescheid

1. Mit Schreiben vom 8. März 2007 beantragte die mitbeteiligte Bauwerberin die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung zweier Doppelhaushälften in gekuppelter Bauweise, jeweils auf einem eigenen Bauplatz, in Wien X, Siedlung

H prov. ONr. 7 und 9 (ehemals Los Nr. 8 und 8a), Gst. Nr. 987/40, 987/41, 987/86 und 987/87, EZ 3124 der KG O.

Bei der am 10. Oktober 2007 durchgeführten mündlichen Verhandlung erhoben die beschwerdeführenden Parteien ihre zuvor mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2007 erhobenen Einwendungen insbesondere betreffend die Gebäudehöhe und den Gebäudeumriss.

2. Mit Bescheid vom 4. März 2008 wurde der mitbeteiligten Bauwerberin die beantragte Baubewilligung erteilt, dieser Bescheid enthielt folgenden Spruch:

" 'Nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, wird gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO) und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes, die Bewilligung erteilt, auf der im Betreff genannten Liegenschaft die nachstehend beschriebene Bauführung vorzunehmen:

Es wird ein voll unterkellertes ebenerdiges Kleinhaus mit 2 Wohnungen mit ausgebautem Dachgeschoss errichtet. Die anfallenden Schmutzwässer werden in Senkgruben gesammelt, die anfallenden Dachwässer werden auf der eigenen Liegenschaft ohne Belästigung der Anrainer oberflächig zur Versickerung gebracht. An der Baulinie wird eine fundierte Einfriedung in provisorischer Höhenlage hergestellt. In den seitlichen Abstandsflächen wird je ein Pflichtstellplatz hergestellt.

Der zwingenden Vorschrift des § 36 Abs. 1, in Verbindung mit § 36a des Wiener Garagengesetzes zur Schaffung von 2 Stellplätzen wird somit zur Gänze entsprochen.

- sämtliche Stellplätze werden auf dem gegenständlichen Bauplatz geschaffen.

Die Bauführung wird in öffentlich-rechtlicher Beziehung für zulässig erklärt."

An die Erteilung der Baubewilligung wurde eine Reihe von Vorschreibungen geknüpft.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde insbesondere Folgendes festgehalten: Die Beschwerdeführer seien Miteigentümer der benachbarten Liegenschaft in Wien X, EZ 2266 der KG O, und hätten infolge ihrer Einwendungen bei der mündlichen Verhandlung Parteistellung im vorliegenden Baubewilligungsverfahren erworben. Allerdings würden sie durch das Bauvorhaben in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt.

Betreffend die Gebäudehöhe komme dem Nachbar auf dem Boden des § 81 der Bauordnung für Wien (BO) lediglich ein Rechtsanspruch darauf zu, dass die ihm zugekehrte Front des geplanten Gebäudes die höchstzulässige Gebäudehöhe nicht überschreite. Nach dem Bescheid über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen vom 10. März 2006 sei für die vom Bauvorhaben betroffene Liegenschaft nach Maßgabe des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, Plandokument Nr. 6508, die Widmung Wohngebiet, die Bauklasse I mit einer maximalen Gebäudehöhe von 5,50 m sowie die offene oder gekuppelte Bauweise festgesetzt, wobei eine Firsthöhenbeschränkung nicht bestehe. Entlang der Baulinie an der Hochwiese sei durch die Festsetzung einer vorderen Baufluchtlinie ein Vorgarten vorgesehen. Der bebaubare Bereich der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft erstrecke sich von der vorderen Baufluchtlinie bis zu der festgesetzten inneren Baufluchtlinie. Für den daran anschließenden Teil der Liegenschaft sei die gärtnerische Ausgestaltung angeordnet. Nach den bekanntgegebenen Bebauungsbestimmungen dürfe der oberste Abschluss der Dächer der errichteten Gebäude im Bauland nicht höher als 1,50 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen. Des Weiteren komme für die gegenständliche Liegenschaft die Besondere Bebauungsbestimmung zur Anwendung, wonach auf den mit BB1 bezeichneten Flächen die Errichtung von Gebäuden mit einer bebauten Fläche von maximal 150 m2 zulässig sei.

Da das in Aussicht genommene Gebäude entsprechend den Bebauungsbestimmungen unter Einhaltung der festgelegten Vorgärten nicht an der Baulinie errichtet sei, sei die zulässige Gebäudehöhe nach § 81 Abs. 2 BO zu ermitteln. Wie sich aus der auf dem Einreichplan dargestellten Berechnung der Gebäudehöhe (Flächenabwicklung iSd § 81 Abs. 2 BO) ergebe, werde die höchstzulässige Gebäudehöhe von 5,50 m durch das Bauvorhaben eingehalten. Der in den Einreichplänen ausgewiesenen und vom bautechnischen Amtssachverständigen überprüften Berechnung der Gebäudehöhe iSd § 81 Abs. 2 BO könne entnommen werden, dass die Summe der Flächeninhalte aller Gebäudefronten des durch das Bauvorhaben geplanten Gebäudes (272,69 m2) nicht größer als das Produkt aus der Summe der Längen aller Gebäudefronten und der nach den bekanntgegebenen Bebauungsbestimmungen höchstzulässigen Gebäudehöhe von 5,50 m (272,69 m2) sei. Demnach ergebe sich für das vom Bauvorhaben betroffene Gebäude eine gemittelte Gebäudehöhe von 5,50 m, die der höchstzulässigen Gebäudehöhe entspreche. Weiters lasse sich dem Einreichplan zweifelsfrei entnehmen, dass auch der Bebauungsbestimmung, wonach der oberste Abschluss der Dächer der errichteten Gebäude im Bauland nicht höher als 1,50 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen dürfe, entsprochen werde. Schließlich könne (entgegen dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien) den Einreichplänen nicht entnommen werden, dass der zulässige Gebäudeumriss durch unzulässige Bauteile überschritten werde. Der projektierte oberste Abschluss durch die Dachterrasse liege bloß 88 cm über der Gebäudehöhe und unterschreite somit den zulässigen obersten Abschluss bei Weitem.

Beim gegenständlichen Bauvorhaben werde der gemäß § 81 Abs. 4 ?O gebildete zulässige Gebäudeumriss lediglich durch die beiden Aufzugstriebwerksräume und Stiegenhäuser sowie durch eine 1 m hohe Glasbrüstung überschritten. Nach § 81 Abs. 6 BO dürfe der nach Abs. 1 bis 4 dieser Bestimmung zulässige Gebäudeumriss durch Aufzugstriebwerksräume und Stiegenhäuser im unbedingt notwendigen Ausmaß überschritten werden. Dieses unbedingt notwendige Ausmaß ergebe sich dabei aus der Funktion dieser Dachaufbauten und werde nicht dadurch überschritten, dass die Bauteile (wie die beschwerdeführenden Parteien vermeinten) durch eine andere Planung vermeidbar wäre bzw. dass die Überschreitung des Gebäudeumrisses technisch nicht notwendig sei. Die jeweils vom Erdgeschoß bis ins Dachgeschoß führenden und für die Erschließung der getrennten zwei Wohneinheiten unbedingt erforderlichen Stiegenhäuser sowie Aufzugsschächte erfüllten mit ihren Aufbauten nach dem Einreichplan diese Funktion, entsprechend den Feststellungen des bautechnischen Amtssachverständigen werde der zulässige Gebäudeumriss jeweils nur im unbedingt notwendigen Ausmaß überschritten. Die Stiegenhaus- sowie Aufzugsschachtaufbauten erwiesen sich somit im Sinn des § 81 Abs. 6 BO als zulässig.

Das Terrassengeländer aus Glas überschreite den zulässigen Gebäudeumriss (wie ausgeführt) nur mit einem geringen Teil, der jedenfalls nur ein untergeordnetes Ausmaß aufweise und nicht raumbildend sei. Ferner fände auf die Glasbrüstung § 81 Abs. 7 BO Anwendung, wonach der zulässige Gebäudeumriss auch durch Verglasungen untergeordneten Ausmaßes überschritten werden dürfe. Die Brüstung aus Glas erweise sich daher als zulässig iSd § 81 Abs. 7 BO. Schließlich ergebe sich aus § 107 Abs. 1 BO, dass alle dem Zutritt offenstehenden, absturzgefährlichen Stellen innerhalb von Baulichkeiten oder an Baulichkeiten mit einem standsicheren, genügend dichten und festen Geländer zu sichern seien, wobei anstelle von Geländern auch Brüstungen zulässig seien. Das projektierte Terrassengeländer erweise sich daher nach § 107 Abs. 1 BO als zur Absturzsicherung erforderlich. Damit stelle sich das Berufungsvorbringen, dass die Bebauungsbestimmungen betreffend die Höhenbeschränkung des obersten Abschlusses der Dächer nicht die Errichtung einer Brüstung (die das Gebäude erhöhe) anstelle eines Daches vorsähen, als nicht nachvollziehbar dar, zumal die verglaste Brüstung als Gesamtes und insbesondere hinsichtlich jenes Teiles, der die zulässige Gebäudehöhe überschreite, auch keinen Einfluss auf den in der BO geregelten gesetzlichen Lichteinfall entfalten könne.

Den Darlegungen, ein gläserner Aufbau sei auf Grund der dort eintretenden Hitzeentwicklung ohne Beschattungsanlage bauphysikalisch und technisch nicht möglich, sei entgegenzuhalten, dass Fragen der Baustatik sowie der Bauphysik kein Vorbringen darstellten, das sich auf ein in der BO abschließend aufgezähltes subjektiv-öffentliches Nachbarrecht stütze, und der diesbezügliche Einwand sei somit unzulässig. Die Beschwerdeführer hätten auch keinen Rechtsanspruch auf die beantragte Einholung eines bauphysikalischen Gutachtens bezüglich dieser Darlegungen. Schließlich gehe auch das damit im Zusammenhang stehende Berufungsvorbringen, dass auf Grund einer notwendigen Beschattung (voraussichtlich mit Außenjalousien) nicht der Eindruck einer Verglasung, sondern der eines Mauerwerks auf einer Gebäudehöhe von 8,60 m bestehe und es sich auf Grund notwendiger Beschattungsanlagen bei den Dachaufbauten um raumbildende Gebäudeteile handle, ins Leere, zumal derartige Beschattungsmittel - wie dem Einreichplan entnommen werden könne - nicht Gegenstand des Bauvorhabens seien und selbst diese "Beschattung" nichts an der Zulässigkeit dieser Bauteile iSd § 81 Abs. 6 BO zu ändern vermöge.

Der von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Größenschluss, für die gegenständlichen Dachaufbauten gelte die sich ausdrücklich auf Dachgauben beziehende Regelung des § 81 Abs. 6 letzter Satz BO, wonach Dachgauben insgesamt höchstens ein Drittel der Länge der betreffenden Gebäudefront in Anspruch nehmen dürften, erweise sich als unzulässig. Ein Größenschluss setze (als Unterfall der Gesetzesanalogie als Hilfsmittel zur Lückenfüllung) das Vorhandensein einer Regelungslücke voraus. Eine solche Regelungslücke liege aber nicht vor, weil der klare Wortlaut des § 81 Abs. 6 letzter Satz BO ausschließlich nur Dachgauben erfasse und die sich dadurch normierte Einschränkung des Ausmaßes für Dachaufbauten nach der Intention des Gesetzgebers lediglich auf Dachgauben beziehe. Nicht nachvollziehbar sei auch das Berufungsvorbringen, dass die Dachaufbauten in ihren Ausmaßen und Proportionen den Maßstab des Gebäudes überschreiten würden und viel zu groß und überproportional seien. Denn auch diesbezüglich beziehe sich die Bestimmung des § 81 Abs. 6 BO ausschließlich auf Dachgauben, indem sie festlege, dass diese in ihren Ausmaßen und ihrem Abstand voneinander den Proportionen der Fenster der Hauptgeschoße sowie dem Maßstab des Gebäudes entsprechen müssten. Weiters sei anzumerken, dass die angeführte Regelung ausschließlich den schönheitlichen Rücksichten diene, für welche kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht bestehe. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass die für Stadtbildfragen zustände Magistratsabteilung 19 gegen das in Rede stehende Bauvorhaben keinen Einwand erhoben habe.

Da beim gegenständlichen Bauvorhaben die zulässige Gebäudehöhe eingehalten werde und der Gebäudeumriss lediglich durch Dachaufbauten gemäß § 81 Abs. 6 und 7 BO zulässigerweise überschritten werde, sei eine Bewilligung von Abweichungen von Bauvorschriften nach § 69 BO - anders als die Beschwerdeführer meinten - nicht erforderlich.

B. Zum Beschwerdeverfahren

1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Auch die mitbeteiligte Partei übermittelte eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

C. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführer haben gegen das beschwerdegegenständliche Bauvorhaben rechtzeitig im Sinne des § 134 Abs. 3 dritter Satz BO - in ihrer vorliegend maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 31/2007 (vgl. Art. V Abs. 1 und 2 der Techniknovelle 2007, LGBl. Nr. 24/2008) - Einwendungen erhoben und Parteistellung erlangt.

§ 134a Abs. 1 BO lautet:

"Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte

§ 134a. (1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

a) Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;

b) Bestimmungen über die Gebäudehöhe;

c) Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;

d) Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;

e) Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ergeben können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden;

f) Bestimmungen, die den Nachbarn zu Emissionen berechtigen."

Im § 134a BO sind die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte taxativ aufgezählt. Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren besteht daher nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, rechtzeitig erhobene Einwendungen vorausgesetzt. Die im § 134a BO genannten Nachbarrechte werden durch die Tatbestandsvoraussetzung "sofern sie ihrem" (gemeint: der Nachbarn) "Schutze dienen" eingeschränkt. Dies bedeutet, dass trotz objektiven Verstoßes gegen eine unter § 134a BO subsumierbare baurechtliche Vorschrift auf die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes eines Nachbarn dann nicht zu erkennen ist, wenn nach der Situierung des bewilligten Bauvorhabens schon der Lage nach in subjektive Rechtes des Nachbarn nicht eingegriffen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, Zl. 2009/05/0089, mwH).

Der vorliegend maßgebliche § 81 BO lautet auszugsweise wie folgt:

"Gebäudehöhe und Gebäudeumrisse; Bemessung

§ 81. (1) Bei Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie gilt bis zu einer Gebäudetiefe von 15 m als Gebäudehöhe der lotrechte Abstand von der festgesetzten Höhenlage der Verkehrsfläche bis zur obersten Schnittlinie der zulässigen Außenwandfläche der Straßenfront ohne Berücksichtigung vorspringender Gebäudeteile wie Gesimse, Erker und dergleichen mit der Oberfläche des Daches; nichtraumbildende Gebäudeteile und raumbildende Dachaufbauten gemäß Abs. 6 bleiben dabei außer Betracht. Zur Straßenfront gerichtete Giebelflächen zählen bei der Ermittlung der Gebäudehöhe mit. Weiters darf die zulässige Gebäudehöhe um höchstens 1,50 m überschritten werden, wenn diese Überschreitung innerhalb derselben Front flächenmäßig ausgeglichen wird; § 75 Abs. 4 ist einzuhalten. Dasselbe gilt für Gebäude an Verkehrsflächen, deren festgesetzte Höhenlage an der Gebäudefront nicht einheitlich ist. Der oberste Abschluß aller anderen Fronten darf den der Straßenfront nicht überschreiten, doch bleiben die der Dachform entsprechenden Giebelflächen an diesen anderen Fronten außer Betracht, und der oberste Abschluß des Daches darf keinesfalls höher als 7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen, sofern der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt.

(2) Bei den über eine Gebäudetiefe von 15 m hinausragenden Teilen von Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie sowie bei allen nicht an diesen Fluchtlinien gelegenen Gebäuden darf die Summe der Flächeninhalte aller Gebäudefronten nicht größer als das Produkt aus der Summe der Längen aller Gebäudefronten und der höchsten zulässigen Gebäudehöhe sein; hiebei darf die höchste zulässige Gebäudehöhe an der Grundgrenze und bis zu einem Abstand von 3 m von derselben überhaupt nicht und an den übrigen Fronten an keiner Stelle um mehr als 3 m überschritten werden. Bei dieser Ermittlung sind die Feuermauern ab 15 m hinter der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie wie Fronten in Rechnung zu stellen. Die der Dachform entsprechenden Giebelflächen bleiben bei der Bemessung der Gebäudehöhe außer Betracht, und der oberste Abschluss des Daches darf keinesfalls höher als 7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen, sofern der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt.

...

(4) Durch das Gebäude darf jener Umriss nicht überschritten werden, der sich daraus ergibt, dass in dem nach Abs. 1 bis 3 für die Bemessung der Gebäudehöhe maßgeblichen oberen Anschluss der Gebäudefront ein Winkel von 45 Grad , im Gartensiedlungsgebiet von 25 Grad , von der Waagrechten gegen das Gebäudeinnere ansteigend, angesetzt wird. Dies gilt auch für den Fall, dass im Bebauungsplan eine besondere Bestimmung über die Höhe der Dächer festgesetzt ist. Ist im Bebauungsplan eine besondere Bestimmung über die Neigung der Dächer festgesetzt, ist der dieser Festsetzung entsprechende Winkel für die Bildung des Gebäudeumrisses maßgebend.

...

(6) Der nach den Abs. 1 bis 5 zulässige Gebäudeumriss darf durch einzelne, nicht raumbildende Gebäudeteile untergeordneten Ausmaßes überschritten werden; mit raumbildenden Dachaufbauten darf der Gebäudeumriss nur durch einzelne Dachgauben sowie im unbedingt notwendigen Ausmaß durch Aufzugstriebwerksräume und durch Stiegenhäuser überschritten werden. Die einzelnen Dachgauben müssen in ihren Ausmaßen und ihrem Abstand voneinander den Proportionen der Fenster der Hauptgeschosse sowie dem Maßstab des Gebäudes entsprechen. Die Dachgauben dürfen insgesamt höchstens ein Drittel der Länge der betreffenden Gebäudefront in Anspruch nehmen.

(7) Der zulässige Gebäudeumriß darf auch durch Verglasungen untergeordneten Ausmaßes überschritten werden."

2.1. Im Beschwerdefall war (wovon auch die Baubehörden und die Parteien des Verfahrens übereinstimmend ausgehen) auf Grund der Anordnung der Baufluchtlinie die Gebäudehöhe iSd § 81 Abs. 2 BO zu berechnen und der Gebäudeumriss iSd Abs. 4 dieses Paragraphen entsprechend zu bemessen. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die im angefochtenen Bescheid angestellten Berechnungen auf der Grundlage des § 81 Abs. 2 BO, sie meint indes, dass der angefochtene Bescheid mit § 81 Abs. 6 und 7 BO nicht im Einklang stehe.

2.2. Angesichts der besonderen Regelungen im zweiten Teil des ersten Satzes des § 81 Abs. 6 BO für Aufzugstriebwerksräume und Stiegenhäuser, wonach durch diese der Gebäudeumriss mit raumbildenden Dachaufbauten nur "im unbedingt notwendigen Ausmaß" überschritten werden darf, ist aber entgegen der Beschwerde die in § 81 Abs. 6 letzter Satz BO ausdrücklich nur für Dachgauben vorgesehene Beschränkung auf insgesamt höchstens ein Drittel der Länge der betreffenden Gebäudefront nicht einschlägig und kann auch nicht mittels eines Größenschlusses auf Aufzugtriebwerksräume und Stiegenhäuser übertragen werden. Nach § 81 Abs. 6 BO darf der Gebäudeumriss durch Aufzugstriebwerksräume bzw. Stiegenhäuser ohne eine derartige Beschränkung überschritten werden, wenngleich nur im unbedingt notwendigen Ausmaß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2004, Zl. 2002/05/1507).

2.3. Ferner kommt es bei den genannten Aufbauten "im unbedingt notwendigen Ausmaß" nach der hg. Rechtsprechung nicht darauf an, ob eine bestimmte bautechnische Ausführung erfolgt; vielmehr ist jede dem Stand der Technik entsprechende architektonische Ausführung im unbedingt notwendigen Ausmaß zulässig, wobei sich dieses Ausmaß an der Funktion der Stiegenhäuser und der Aufzugstriebwerke orientiert (vgl. dazu sowie zum Folgenden das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, Zl. 2009/05/0089). Dass die hier vorgesehenen Stiegenhäuser in der projektierten Ausführung in diesem Sinn über das unbedingt notwendige Ausmaß hinausgehen würden, vermag die Beschwerde nicht überzeugend darzulegen. Mit dem Argument, es sei nicht notwendig, oberhalb des Obergeschoßes einen Dachaufbau zu errichten, um über eine Stiege das Dach zu erreichen, es sei vielmehr möglich, ohne Dachaufbauten (etwa durch eine Klapptüre) das Flachdach zu erreichen, und die Dachaufbauten für die beiden Stiegenhäuser seien weder zweckmäßig noch nützlich, vermag die Beschwerde nichts zu gewinnen, zumal die Wortfolge "im unbedingt notwendigen Ausmaß" nicht bedeutet, dass die Überschreitung nur dann zulässig ist, wenn sie nicht durch eine andere Planung vermieden werden kann. Dass die belangte Behörde ihre im angefochtenen Bescheid für Stiegenhäuser vorgenommene Beurteilung auch auf - beim gegenständlichen Projekt gar nicht vorhandene - Aufzugstriebwerksräume bezogen hat, verletzt die beschwerdeführenden Parteien in keinem subjektiven Recht.

2.4. Mit dem Einwand, der umfangreichen Verglasung der Stiegenhäuser stehe § 81 Abs. 7 BO entgegen, wonach der zulässige Gebäudeumriss "auch durch Verglasungen untergeordneten Ausmaßes" überschritten werden darf, übersieht die Beschwerde, dass sich § 81 Abs. 6 BO (wie erwähnt) bezüglich der Aufzugstriebwerksräume und der Stiegenhäuser nicht an einer bestimmten bautechnischen Ausführung orientiert und damit auch eine solche in der Form einer Verglasung erfasst. Daher kommt im Beschwerdefall die zu § 81 Abs. 6 BO hinzutretende (arg.: "auch") Regelung des § 81 Abs. 7 BO für andere Verglasungen nicht zum Tragen. Da § 81 Abs. 6 BO Stiegenhausaufbauten auch mit festen Baustoffen erlaubt, ist für die Beschwerde auch mit dem Hinweis, die Verglasung werde auf Grund der Hitzeentwicklung eine Beschattung erfordern, weshalb der Aufbau gleichsam wie ein weiteres Stockwerk in Erscheinung trete, nichts zu gewinnen.

2.5. Wenn die Beschwerde vorbringt, bei der Erreichung einer Gebäudehöhe von 8,86 m (gemeint: bei den Stiegenhausaufbauten) liege keine unwesentliche Abweichung von den Bebauungsvorschriften vor, weshalb das vorliegende Bauansuchen wegen der projektierten Überschreitung der Gebäudehöhe einem Verfahren nach § 69 BO zu unterziehen gewesen wäre, ist ihr entgegenzuhalten, dass § 81 Abs. 6 BO eine Überschreitung des Gebäudeumrisses im dort geregelten Ausmaß erlaubt und bei der Einhaltung dieser Regelungen - Gegenteiliges vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen - ein solches Verfahren nach § 69 BO nicht erforderlich ist.

2.6. Da Fragen der Bauphysik keine subjektivöffentlichen Nachbarrechte iSd § 134a BO betreffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2005, Zl. 2005/05/0129), zeigt die Beschwerde mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe entgegen ihrem Antrag kein bauphysikalisches Gutachten betreffend die Hitzeentwicklung in gläsernen Stiegenhausaufbau eingeholt, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

2.7. Bezüglich der Überschreitung des zulässigen Gebäudeumrisses durch eine (unstrittig) 1 m hohe Glasbrüstung sind die beschwerdeführenden Parteien auf § 107 Abs. 1 BO zu verweisen, wonach "alle dem Zutritt offenstehenden absturzgefährlichen Stellen innerhalb von oder an Baulichkeiten … mit einem standsicheren, genügend dichten und festen Geländer zu sichern sind", wobei anstelle von Geländern auch Brüstungen zulässig sind. Die projektierte, 1 m hohe Glasbrüstung mit der Funktion eines Terrassengeländers erfolgt daher nach der zwingenden Regelung des § 107 Abs. 1 BO zur Absturzsicherung. Unter Bedachtnahme darauf und angesichts der höchstzulässigen Gebäudehöhe von (ohnehin) 5,50 m kann die Einstufung der gegenständlichen 1 m hohen Glasbrüstung als noch von untergeordnetem Ausmaß iSd § 81 Abs. 7 BO nicht als rechtswidrig angesehen werden.

2.8. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Ausführungen der beschwerdeführenden Parteien, dass ihre Liegenschaft sowie die Liegenschaft der mitbeteiligten Partei noch vor wenigen Jahren im Kleingartengebiet gelegen seien, dass die Widmung als Bauklasse I erst kürzlich erfolgt sei und die nunmehrige Einreichung diamentral zu den Absichten dieser Widmung stehe, die dort zu errichtenden Gebäude niedrig zu halten und die Höhe von 5,5 m sowie eine zusätzliche Dachhöhe von 1,5 m (somit insgesamt eine Gebäudehöhe mit Dach von 7 m) nicht überschritten werden solle, als nicht erfolgreich.

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 6. September 2011

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